Essen. Ein großformatiges Landschaftsbild schmückt die Bahnhofsmission Essen. Gemalt hat es eine Künstlerin mit besonderem Bezug zur Bahnhofsmission.
Tag für Tag schenkt die Bahnhofsmission Menschen in Not einen Moment der Ruhe, einen Schutzraum oder einen Ratschlag. Nun ist die Bahnhofsmission selbst beschenkt worden: Die junge Künstlerin Vera Kirilow hat der Einrichtung am Hauptbahnhof Essen ein Gemälde geschenkt, das die Betrachter in eine frühlingshafte Landschaft einlädt.
Ein Jahr lang hat die 34-Jährige, die an der Hochschule der bildenden Künste (HBK) in Essen studiert hat, selbst als Ehrenamtliche in der Bahnhofsmission gearbeitet. Traditionell sind die Freiwilligen hier für den Alltagsbetrieb unerlässlich, sie packen an, hören zu, helfen: „Die Bahnhofsmission ist eine wichtige Anlaufstelle nicht nur für Wohnungslose, sondern auch für die alleinerziehende Mutter, die nicht weiter weiß oder für Reisende, die Hilfe benötigen“, sagt Vera Kirilow.
Essener Bahnhofsmission bietet einen Rückzugsort
Den einen helfe man beim Umsteigen, den anderen gebe man Hilfe zur Selbsthilfe oder leite sie an andere Stellen weiter. Viele Menschen nutzen den Aufenthaltsraum, um sich aufzuwärmen, durchzuatmen, einen Tee zu trinken. Von einem beliebten Rückzugsort schrieb eine Reporterin vor einigen Jahren, notierte aber auch: „Einladend, gar heimelig ist der nüchtern mit Holzstühlen eingerichtete Raum nicht.“ So empfand es offenbar auch Vera Kirilow und bot daher an, ein raumgreifendes Naturbild zu malen.
Auf einem Format von 5,30 Meter mal 1,30 Meter erstreckt sich nun ihre sattgrüne Hügellandschaft mit Vogelschwarm, Teich und Blütenpracht. Kirilow, die sich im Studium auf Malerei und Grafik spezialisiert hatte und sonst ganz anders arbeitet, hat bewusst ein dekoratives Motiv gewählt: „Dies ist ein psychologischer Aufenthaltsraum und mein Bild soll beruhigend auf die Besucher und Besucherinnen wirken, ihnen Hoffnung geben.“ Die vielen Details seien eine Einladung, immer noch Neues zu entdecken.
Kunst für Menschen, die nicht in Museen kommen
Ein abstraktes Werk wäre schwieriger zugänglich gewesen, ihr realistisches Bild biete auch weniger geübten Kunstbetrachtern einen leichteren Zugang. Auch das ist ein Anliegen der 34-Jährigen: Menschen den Kontakt mit Kunst zu ermöglichen, denen das Geld für den Museumseintritt fehlt oder die aus Scham über die eigenen Lebensumstände Kulturstätten meiden.
Hilfe für Reisende und für Menschen in Not
Die Bahnhofsmission kümmert sich seit ihrer Gründung vor 125 Jahren, nicht nur um Menschen in sozialer Not, Obdachlose oder Suchtkranke, sondern auch um Reisende, die ihren Weg durch den Bahnhof nicht selbstständig bewältigen können. Auch in akuten Notsituationen, etwa wenn etwa jemand bestohlen wurde oder geflüchtete Menschen Hilfe benötigen, sind die Ehrenamtlichen zur Stelle. Träger der Essener Bahnhofsmission ist zum einen der Caritasverband für die Stadt, der sich dem Leitwort „Not sehen und handeln“ verpflichtet fühlt. Zweiter Träger ist das Diakoniewerk, das dem Motto „Zusammen Leben gestalten“ folgt. Die Bahnhofsmission sitzt: Am Hauptbahnhof 5 und ist erreichbar unter: 0201/23 07 23, Infos auf: www.bahnhofsmission-essen.de
Alles in allem hat Vera Kirilow drei Monate an dem Bild gearbeitet, parallel renovierten die anderen Ehrenamtlichen die Räume der Bahnhofsmission. Mit Spendengeld wurde zudem neues Mobiliar angeschafft. Die Resonanz der Besucher sei durchweg positiv: „Manche waren wohl richtig geflasht, mussten sich erst in das Bild ‘reingucken.“
Gerade steht die 34-Jährige vor einem Umbruch, macht sich selbstständig, möchte ganz auf die Kunst setzen. Darum habe sie nun leider keine Zeit mehr, sich weiter bei der Bahnhofsmission einzubringen.
Sie ist nicht die Einzige, die dem Team verloren geht: Als im Spätsommer 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz die Bahnhofsmission besuchte, schilderte Leiter Martin Lauscher die Herausforderungen, mit denen die Einrichtung kämpfe. So gebe es angesichts steigender Lebenshaltungskosten nicht nur deutlich mehr Klienten, sondern mancher Student oder Rentner sei gezwungen, sein Ehrenamt zugunsten eines bezahlten Nebenjobs aufzugeben. Vera Kirilow jedenfalls wirbt für das Engagement in der Bahnhofsmission: „Ich habe hier viel dazugelernt und einen neuen Blickwinkel auf die Menschen bekommen, die auf der Straße leben.“
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