Essen. . Die Essener Bahnhofsmission ist eine der ältesten. Ob alleinreisende Frauen, verwundete Soldaten oder Obdachlose: Sie leistete Gestrandeten Hilfe.
- Die Essener Bahnhofsmission wurde vor 120 Jahren gegründet
- Sie ist nach Berlin eine der ältesten in Deutschland
- Etwas hat sich in all den Jahren nicht geändert: Sie leistet Hilfe den Gestrandeten
Einladend, gar heimelig ist der nüchtern mit Holzstühlen eingerichtete Raum der Bahnhofsmission an der Nordseite des Hauptbahnhofes nicht. Und dennoch ist er jeden Tag für Dutzende Menschen ein wärmender Rückzugsort. Obdachlose, Alkoholkranke, Drogensüchtige bekommen hier eine Tasse Tee, ein freundliches Wort und wer will auch einen Ansprechpartner der Hilfsangebote in der Stadt – von der Schuldnerberatung bis zum Wohnungsamt. Und wenn mal wieder jemand ein Päckchen Kaffee gespendet hat, dann gibt es auch eine Tasse Kaffee. „Kaffee ist immer gerne genommen, weil es den draußen nur selten kostenlos gibt“, sagt Nadine Wittmann, die stellvertretende Leiterin der Bahnhofsmission.
30 000 Mal im Jahr ist die Hilfe der Bahnhofsmission gefragt. Damit ist sie auch 120 Jahre nach ihrer Gründung einer der wichtigen sozialen Anlaufpunkte in der Stadt. Am Samstag, 22. April, feiert die Einrichtung ihren Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür (siehe unten).
Wenige Reisende, dafür viele gesellschaftlich Gestrandete
Zumeist sind es Menschen „mit sozialen Schwierigkeiten“, wie Nadine Wittmann sie nennt, die zur Bahnhofsmission finden. Aber es kommen auch Reisende, die Hilfe suchen – Behinderte, Alte, Kinder. Für sie gibt es einen Raum in der oberen Etage. Er ist über den Zugang zum Gleis 21 zu erreichen. Viele Reisende wollten keinen Kontakt zu den Menschen unten.
Als die Essener Bahnhofsmission 1897 ins Leben gerufen wurde, war sie eine der ersten in Deutschland. Drei Jahre zuvor hatten erstmals in Berlin bürgerliche Frauen eine Mission gegründet, um alleinreisenden Frauen Schutz zu bieten. „Das waren damals mutige Frauen, denn ihre Arbeit war nicht ungefährlich“, sagt Nadine Wittmann. Mit der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts nämlich zogen viele Frauen vom Land zum Arbeiten in die Stadt. Nicht selten gerieten sie in die Fänge dubioser Arbeitsvermittler oder sie landeten in der Prostitution.
Anfangs war die Bahnhofsmission eine Anlaufstelle von Frauen für Frauen
Ob es 1897 auch in Essen ähnliche Zustände waren, die zur Gründung führten, ist nicht bekannt. Es ist aber aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Stadt davon auszugehen, meint Nadine Wittmann. Sie beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Geschichte. Aus den Anfangsjahrzehnten sei jedoch fast nichts überliefert. Im Krieg wurde vieles zerstört.
Umso reicher ist das Archiv ab 1945: Nachdem die Essener wie alle Bahnhofsmissionen im Zweiten Weltkrieg verboten wurde, lebte das Engagement danach schnell wieder auf. Dies war eng mit dem Namen Minna Sylvester verbunden. Die evangelische Schwester organisierte den Wiederaufbau in einer kleinen Kaue auf dem Bahnsteig 4-West. Diesmal waren es vor allem die zurückkehrenden Soldaten und die Vertriebenen, um die sich die Frauen kümmerten. Auch Arbeitssuchende aus dem Osten kamen damals in Massen ins Ruhrgebiet. Der Andrang war so groß, dass der Bahnhofsvorsteher von Altenessen 1956 einen Hilferuf an die Bahnhofsmission absetzte. Und so entstand von 1956 bis 1960 dort sogar eine Außenstelle.
Neues Hotel könnte Bahnhofsmission zum Umzug zwingen
Die Bahnhofmission lebte früh vom ökumenischen Gedanken. Und sie wird bis heute von Caritas und Diakoniewerk getragen. Sie finanzieren die beiden hauptamtlichen Stellen. Ohne die rund 50 Ehrenamtlichen aber würde die Arbeit nicht funktionieren. Die Deutsche Bahn stellt zudem die Räume kostenlos zur Verfügung.
Ob die Bahnhofsmission bald umziehen muss, ist nicht ausgeschlossen. Im benachbarten Hochhaus wird ein neues Hotel entstehen. Ob dazu das Klientel der Bahnhofsmission passt? „Ich hoffe, dass es ein gutes Miteinander gibt“, sagt Nadine Wittmann.
>>>TAG DER OFFENEN TÜR AM SAMSTAG; 22. APRIL
Von 13 bis 17 Uhr stehen die Räume der Bahnhofmission für Besucher offen. Zu erreichen ist sie entweder von der Nordseite des Bahnhofs oder über den Zugang Gleis 21/22. Dort gibt es auch eine kleine Fotoausstellung über die Geschichte.
Von 12 bis 18 Uhr gibt es im Hauptbahnhof einen Infostand zur Arbeit der Bahnhofsmission. Dort ist auch eine Losaktion geplant, deren Einnahmen der Mission zugute kommt. Dazu ist eine besondere Spendenaktion von 13 bis 15 Uhr organisiert.