Essen. Fotoinstitut: Für OB Thomas Kufen ist der Standort-Kampf entschieden. Essener Foto-Institutionen setzen nun auf eigene Konzepte. Das ist geplant.
Der Europäische Monat der Fotografie (EMOP) in Berlin ist das mittlerweile größte deutsche Fotofestival und somit kein schlechter Ort, um über ein Thema zu diskutieren, das nicht nur in Essen und Düsseldorf, sondern in der gesamten Fotoszene zwischen Kiel und Konstanz weiter hohe Wellen schlägt. Die vom Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossene Vergabe des Fotoinstituts nach Düsseldorf sorgt bei vielen Kennern immer noch für erstauntes bis entsetztes Kopfschütteln.
Ins Kreuzfeuer geraten ist dabei auch Grünen-Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die sich selbst in der eigenen Partei immer wieder harsche Kritik am Verfahren anhören muss. In einer Resolution hat der Arbeitskreis Kultur der Ruhrgebiets-Grünen vor wenigen Tagen noch einmal dafür geworben, bei der weiteren Konzeptentwicklung „ökonomisch wie inhaltlich“ zu prüfen, ob sich nicht einzelne Elemente bzw. Bausteine des Fotoinstituts sinnvoller auf dem Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen umsetzen ließen. Das, so heißt es in dem Schreiben, wäre nicht nur ein wichtiger Impuls für die vielfältige Fotografie-Szene im Ruhrgebiet, sondern auch ein Angebot an die bundesdeutsche Fotoszene, die die Entscheidung aus Berlin „erklärtermaßen nicht nachvollziehen kann“.
Claudia Roth: „Der Prozess war weder reibungslos noch schmerzfrei“
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Dass Roth vor der Kabinettsklausur in Meseberg am vergangenen Sonntag also noch schnell beim Berliner EMOP-Festival vorbeischaute, dürfte auch mit der Hoffnung verbunden gewesen sein, zumindest ein wenig zerschlagenes Porzellan zusammenzukehren. Die Trümmer waren auch entstanden, weil Roth in einem Brief an den CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer zuletzt zwar „neue Erkenntnisse“ ins Feld führte, warum der Zuschlag an Düsseldorf ging, diese dann aber nicht nannte. Und auch vor dem EMOP-Publikum blieb Roth in diesem Punkt stumm.
Sie wisse, dass der bisherige Prozess „weder reibungslos noch schmerzfrei war, das wirkt immer noch nach, offene Wunden sind da“, sagte Roth. Gleichwohl werbe sie dafür, von der strittigen Standortfrage nun zu den inhaltlichen Gestaltung zu kommen. Denn egal, „ob das Institut nun am Rhein, an der Isar oder an der Elbe gegründet wird. Es ist das Institut für Deutschland für uns alle“, hofft zumindest die Ministerin. Ihr Credo: „Die Fotografie ist das Medium des Wandels.“ Das künftige Fotoinstitut müsse „nicht nur von der Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft gedacht werden“.
„Wir wollen konstruktiv sein, auch wenn wir die Standortfrage verloren haben“
Der Schlüssel zum Erfolg liege nun erst einmal in den Händen einer Gründungskommission, die sich in nächster Zeit unter Federführung des NRW-Kulturministeriums konstituieren soll. Und von der schon jetzt viele glauben, dass sie ohne die geballte Kompetenz und die einmalige fotografische Vielfalt der traditionsreichen Essener Fotoinstitutionen wie dem Museum Folkwang oder dem Historischen Archiv Krupp mit seiner außerordentlichen Sammlung zur Industriefotografie nur schwerlich auskommen kann.
„Wir wollen konstruktiv sein, auch wenn wir die Standortfrage verloren haben“, bekräftigt Oberbürgermeister Thomas Kufen die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Neben dem bereits angefragten Folkwang Museums-Chef Peter Gorschlüter könnten dabei nach Meinung Kufens auch noch weitere Essener Akteuren einbezogen werden. „Ich erwarte aber auch, dass die zuständigen Ministerien bald eine stärkere Klärung herbeiführen, was wo passieren soll und welche Rolle Essen dabei spielen kann“.
Jedenfalls will man nicht zum Steigbügelhalter eines Düsseldorfer Fotoinstituts werden, von dem derzeit ohnehin niemand so genau weiß, welche Aufgaben zum Schutz, Erhalt und zur Vermittlung des fotokulturellen Erbes es nun tatsächlich übernehmen kann – und will.
Denn momentan fehlt den Düsseldorfern vieles, was Essen hätte bieten können. Allem voran – ein Standort. Vom jahrelang genannten Bauplatz am Ehrenhof hat man sich kurz nach dem Zuschlag aus Berlin verabschiedet, die Suche nach einem Ersatz läuft. Bis tatsächlich irgendwo die Bagger anrollen, könnten noch Jahre vergehen. Doch solange will man in Essen nicht warten.
Weitermachen, heißt deshalb die Devise der Essener Partner-Institutionen Museum Folkwang, Ruhr Museum, Historisches Archiv Krupp und Folkwang Universität der Künste, die sich schon vor einigen Jahren zum Zentrum für Fotografie verbunden haben. Der Zusammenschluss sei ja „nicht als Lobbybewegung für das Bundesinstitut für Fotografie gegründet worden“, betont Ralf Stremmel vom Historischen Archiv Krupp. Deshalb will man die Arbeit nun weiter ausbauen und intensivieren. 80.000 Euro hat die Stadt Essen dafür im laufenden Haushalt verankert. Ein Zeichen dafür, dass OB Thomas Kufen es mit dem Bekenntnis ernst meint: „Essen bleibt Fotostadt.“
„Wir wollen keine Konkurrenz-Institution aufbauen“, erklärt Stremmel. „Was wir aber wollen: Unsere Stärken weiter ausbauen und den Zusammenschluss auch auf formeller Ebene weiter festigen.“ Dafür soll bald ein Verein oder eine ähnliche Körperschaft gegründet werden, um die Arbeit zu institutionalisieren, sagt Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang. Die Öffentlichkeitsarbeit soll verstärkt werden, vielleicht auch gemeinsame Ausstellungen geplant und Forschungsschwerpunkte mit Bezug zur Region gesetzt werden. Man wolle die eigene Arbeit präsenter machen und „zeigen, wie vernetzt wir in der nationalen und internationale Fotowelt sind“, so Gorschlüter.
Ein Fotozentrum für die Republik – doch schon jetzt gibt es Absetzbewegungen
Was ein wie auch immer geartetes Fotoinstitut in Düsseldorf irgendwann leisten soll – in Essen habe man schon einige dieser Zukunftsaufgaben in Angriff genommen: Die Einrichtung eines „Fachbereichs für Foto-Restaurierung beispielsweise. Die Nachfragen von Fotografinnen und Fotografen, die ihre Vor- und Nachlässe in guten Händen sehen wollen, würden deshalb schon jetzt zunehmen, berichtet Folkwang-Professorin Elke Seeger.
Claudia Roth über die zentralen Aufgaben des Fotoinstituts
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat beim European Month of Photography in Berlin noch einmal die zentralen Aufgaben des künftigen Fotoinstituts benannt. Dazu gehören laut Roth unter anderem die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Fotoeinrichtungen sowie die fachliche Unterstützung bereits existierender Fotosammlungen.Gesammelt werden sollen nicht nur analoge und digitale Vor- und Nachlässe, die unterschiedliche biografische Kontexte und die Vielschichtigkeit des fotografischen Arbeitens berücksichtigen. Neben dem fotografischen Material sollen auch gedruckte Texte zum Verständnis des Gesammelten beitragen. Außerdem soll der fotografische und dokumentarische Bestand als Quellenmaterial der Forschung dienen.Bedeutende Konvolute müssten gesichert werden, aber auch künftige Produktions-, Rezeptions- und Gebrauchsformen der Fotografie mitgedacht werden. Anspruchsvolle Technologien und „allerneuestes Know-How“, so Roth, müssten vermittelt werden.
Dabei ist der Sammlungsbestand der Essener schon heute zigfach größer als die Konvolute, über die Düsseldorf verfügt. Doch während sich Starfotograf Andreas Gursky und sein privater Verein am Rhein bislang in erster Linie mit der Frage von Standards und Zertifizierungen für großformatige Abzüge von (digitaler) Fotografie beschäftigen, habe man das Thema in Essen immer in der gesamten Breite gesehen und die Entwicklung bis zu Erfindung der Fotografie im Blick gehabt, so Seeger.
Ob man am Ende deshalb vielleicht doch noch zu einer Tandem-Lösung mit verschiedenen Themenschwerpunkten finden wird? „Das Thema Standort ist aus jetziger Perspektive entschieden“, sagt Thomas Kufen. Man wolle die weitere Entwicklungen abwarten. Doch je länger sich der Prozess hinziehen dürfte, desto mehr könnte die Idee von der Einrichtung eines Instituts „zur Bewahrung des nationalen fotografischen Kulturerbes“ leiden.
Schon jetzt, so heißt es, gäbe es in der Szene Absetzbewegung. Städte wie Dresden und Leipzig würden bereits über eigene Einrichtungen nachdenken, die sich mit dem Erhalt der Fotografie als kulturelles Erbe beschäftigen. Und den Traum von einem großen visuellen Gedächtnis der Republik in immer weitere Ferne rücken lassen.