Essen. Ruhrmuseum, Folkwang-Universität, Folkwang-Museum und Krupp-Archiv machen gemeinsame Sache: Restaurierungs-Studio, Medienzentrum und mehr geplant.
Nur an wenigen Orten der Republik ballt sich so viel Fotografie wie in Essen: Allein 200 Eleven lernen derzeit bei sechs Professorinnen und Professoren die Kunst mit Objektiv und Auslöser an der Folkwang Universität der Künste, wo Foto-Praxis und Foto-Theorie einzigartig verzahnt sind. Ihr internationaler Ruf profitiert immer noch von Lehrern wie Albert Renger-Patzsch (1897-1966) und Otto Steinert (1915-1978), der an der Folkwangschule eine ganze Generation mit der von ihm entwickelten „subjektiven Fotografie“ prägte. Seine Studiensammlung und sein Nachlass bildeten den Grundstock für die Fotografische Sammlung des Museums Folkwang; deren erste Leiterin Ute Eskildsen formte sie binnen Jahrzehnten zu einer Einrichtung mit Weltgeltung, mit regelmäßigen Ausstellungen, einem Fotobuch-Preis und einer von der Krupp-Stiftung finanzierten Ausbildung von Foto-Kuratoren.
Überhaupt, Krupp: Mit dem Stahlkonzern reicht die Foto-Tradition in Essen noch viel weiter zurück: Der Industrie-Magnat Alfred Krupp erkannte schon wenige Jahrzehnte nach Erfindung der neuen Technik ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft: Er richtete ab 1861 eine eigene Foto-Abteilung für seine Stahlfabriken ein, von deren Fleiß nicht zuletzt das Historische Archiv Krupp profitierte, dessen 2,5 Millionen Einheiten umfassendes Bildmaterial bis in die frühen Anfänge des Mediums zurückreicht. Nicht nur mit imposanten Bildern aus den Industriewerke, sondern auch solchen von pompösen staatstragenden Besuchen in der Villa Hügel, von Kaisern, Königen und Präsidenten.
Vernetzung für ganz NRW
„Die Fotografie“, sagt der Historiker Heinrich Theodor Grütter, „ist als modernes Medium am Puls der Zeit im fortschrittsbegeisterten Ruhrgebiet schon immer stark genutzt und vorangetrieben worden, vor allem zur Dokumentation und für Werbezwecke, aber bald auch schon zur politischen Arbeit und in künstlerischer Weise“. So blickt der Direktor des Ruhrmuseums auf eine Fotografische Sammlung, die sogar vier Millionen Negative umfasst, mit einem Schwerpunkt in den 30er und von den 50er- bis zu den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts.
Angesichts von so viel geballter Kompetenz haben sich die vier Einrichtungen nun zu einem „Zentrum für Fotografie“ in Essen zusammengeschlossen. Sie wollen, auch mit Unterstützung der Stadt Essen und der Krupp-Stiftung, Vieles künftig gemeinsam und aufeinander abgestimmt betreiben, etwa Wissenschaft und Lehre, Sammlungen und Ausstellungen, Bildung und Vermittlung und vor allem Konservierung und Restaurierung.
Erster Schritt: Fachbereich für Fotorestaurierung“
Ein erster Schritt, die beiden Museen, die Hochschule und das Archiv zu einem Zentrum zusammenzuschmieden, soll die Einrichtung eines „Fachbereichs für Fotorestaurierung“ sein: Angesiedelt werden soll ein Restaurierungs-Studio mit zwei Stellen im Museum Folkwang, die zugleich Lehrveranstaltungen an der Folkwang Universität anbieten, um für einen Wissenstransfer zwischen Fotorestaurierung, künstlerischer Praxis sowie Theorie und Geschichte der Fotografie zu sorgen, wie es ihn in Deutschland bislang nicht gibt.
Auf dem Gelände der Welterbe-Zeche Zollverein soll zudem ein Medienzentrum entstehen, mit dem Studierende, Fachpublikum und die interessierte Öffentlichkeit Zugang zu den Archiv-Schätzen bekommen sollen. Das Medienzentrum soll zudem mit einer digitalen Vernetzung von Foto-Institutionen in Düsseldorf, Köln und anderen NRW-Städten ein Portal für das gesamte Land werden. Schließlich soll das Medienzentrum auch fotografische Bestände aus öffentlichen und privaten Sammlungen in NRW digital erschließen, vernetzen, zusammenführen und verfügbar machen. Alle zwei Jahre sind zudem internationale Symposien für einen anhaltenden Austausch zwischen Praktikern, Wissenschaft, Restaurierungs-Fachleuten sowie und Ausstellungsmacherinnen und -machern vorgesehen.
Staatsministerin Grütters machte fotografisches Kulturerbe zur Chefsache
Aufgaben, wie sie zum Teil auch das geplante und für Düsseldorf projektierte Deutsche Zentrum „zur Bewahrung des nationalen fotografischen Kulturerbes“ übernehmen soll. Denn seit die Digitalisierung die Fotografie erfasst hat, fordern Fachleute einen Schutz des fotografischen Erbes gegen einen kommerziellen Ausverkauf. Monika Grütters (CDU), Kultur-Staatsministerin im Bundeskanzleramt, hat das Problem, das in anderen Ländern wie der Schweiz, Österreich oder Frankreich bereits gelöst ist, im vergangenen Jahr zur Chefsache gemacht und eine Experten-Kommission eingesetzt.
Dass der Bundestag bereits Mitte November 41,5 Millionen Euro für eine „Einrichtung zur Bewahrung des nationalen fotografischen Kulturerbes“ in Düsseldorf in den Etat 2020 einstellte, scheint auch sie überrascht zu haben, zumal die vierköpfige Kommission aus Ute Eskildsen (ehemals Folkwang-Museum), Katrin Pietsch (Fotomuseum Rotterdam), Thomas Weski (Stiftung für Fotografie) und Thomas Gaethgens (ehemals Getty-Institute Los Angeles) ihre Arbeit zu diesem Zeitpunkt gerade aufgenommen hatte.
NRW-Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen hält Düsseldorf für den besten Ort
Auch die NRW-Landesregierung sah bereits einen „Neubau im Düsseldorfer Gebäude- und Gartenensemble Ehrenhof“; die Pläne dafür wurden aus Kreisen um den Düsseldorfer Fotografen Andreas Gursky und den Kulturmanager Hagen Lippe-Weißenfeld, den ehemaligen kaufmännischen Direktor der landeseigenen Kunstsammlung NRW, vorangetrieben. Doch Ende Dezember stellte Monika Grütters klar, dass Düsseldorf als Ort eines Deutschen Foto-Zentrums nicht feststehe; man wolle den Empfehlungen der Experten-Kommission, die im Frühjahr vorliegen sollen, nicht vorgreifen. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) ließ einen Sprecher auf Anfrage betonen, „dass es keinen besseren Ort als Düsseldorf für die Realisierung des geplanten Deutschen Fotoinstituts gibt“. Man wolle „die Vorschläge zum inhaltlichen Konzept und dem Aufgabenprofil des künftigen Deutschen Fotoinstituts“ abwarten; erst danach würden sich „der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Düsseldorf auf ein abschließendes Konzept für das Institut verständigen“.