Essen. Ein Fußball mit Autogrammen des brasilianischen Nationalteams der WM 1974 taucht bei der Polizei Essen auf. Diese Geschichte steckt dahinter.

Ein Fußball mit den Autogrammen der brasilianischen Nationalmannschaft aus dem Weltmeisterschaftsjahr 1974 ist die neueste Errungenschaft des Historischen Archivs Krupp in Essen. Ein Exponat, das erklärungsbedürftig ist.

Denn Fußball und Krupp scheint nicht viel miteinander zu tun zu haben. Und dann gibt es doch einen Link: Denn während der WM trugen Brasilianer zwei Spiele im Ruhrgebiet aus und logierten in dieser Zeit im ehemaligen Touring-Hotel an der Frankenstraße – und das gehörte Krupp.

Fußball schlummerte Jahrzehnte im Keller der Polizeiwache Essen-Rellinghausen

Und nun kommt der Ball ins Spiel: Es gibt Schätze, die schlummern sehr lange unbemerkt vor sich hin, bis Kommissar Zufall sie ans Tageslicht holt. In diesem Fall schlummerte ein echter Schatz der Essener Sportgeschichte im Keller der Polizeiwache Rellinghausen. Hinter einer fest verschlossenen Stahltür setzte dieser über Jahrzehnte hinweg eine dicke Staubschicht an, bis ein Polizeihauptkommissar ihn entdeckte.

Der historische Ball mit den Autogrammen der Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft von 1974. Aber auch Pelé, der die WM miteröffnete, hat sich verewigt.
Der historische Ball mit den Autogrammen der Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft von 1974. Aber auch Pelé, der die WM miteröffnete, hat sich verewigt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Was zunächst nach einem gewöhnlichen Lederball aussah, der in Vergessenheit geraten war, weckte die Neugierde des Polizeihauptkommissars, dessen Frau – noch so ein Zufall – von Beruf Restauratorin ist. Vorsichtig reinigte er den Ball mit warmem Wasser und milder Seifenlauge. Zum Vorschein kam ein schwarz-weiß-rotes Leder, auf dem zahlreiche Unterschriften prangten. Obwohl der Hauptkommissar kein großer Fußballfan ist, stachen ihm weltbekannte Namen wie Zagallo und Pelé ins Auge und er ahnte, dass er einen wertvollen Fußballschatz in Händen hielt.

Fachleute im Deutschen Fußballmuseum bestätigten die Echtheit des Balls

Dieser wurde kurze Zeit später dem Essener Polizeipräsidenten Frank Richter übergeben. „Um der Herkunft des Balles auf die Spur zu kommen, haben wir dem Ball an das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund geschickt und um eine Expertise gebeten“, so Richter. Diese fiel eindeutig aus: Die Fachleute rekonstruieren, dass es sich um einen Fußball handelt, auf dem sich anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland die Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft verewigt hatten – und der mutmaßlich auch mindestens als Trainingsball zum Einsatz gekommen war.

Wie nun aber kam der Ball in eine Polizeiwache in Rellinghausen? Während der Weltmeisterschaft spielten die Brasilianer am 22. Juni 1974 in Gelsenkirchen gegen Zaire (3:0) und kurze Zeit später, am 3. Juli in Dortmund gegen die Niederlande (0:2). Quartier bezog die „Seleção“ in dieser Zeit in jenem Kruppschen Touring-Hotel in Bredeney. Es lag oberhalb der Villa Hügel, an der Frankenstraße/Ecke Haraldstraße am Eingang der Siedlung Brandenbusch und wurde 1986 abgerissen. Heute ist dort eine Wiese.

Ein Polizist, der zum Schutz der Brasilianer eingeteilt war, hatte sich den Ball signieren lassen

Hier hat vermutlich ein namentlich bis heute unbekannter Polizist, der zum Schutz der brasilianischen Mannschaft eingeteilt war, den Ball von den Spielern signieren lassen. Erkennbar ist unter anderem die Unterschrift von Pelé, der die WM gemeinsam mit Uwe Seeler eröffnete, aber auch die von Brasiliens Trainer Zagallo. Zudem gibt es 19 weitere Unterschriften von Spielern – unter ihnen Torwart Renato, Mittelfeldspieler Jairzinho und Verteidiger Zé Maria.

„Warum der Ball nicht in einem Partykeller gelandet ist, sondern in die Dienststelle kam und dann vergessen wurde, wissen wir nicht“, sagt Richter. Fakt ist: Zwischen Aktenordnern blieb das gute Stück dann Jahrzehnte in einem dunklen Keller, was ihm gut getan hat. „Vielleicht hätten die Unterschriften sonst nicht überlebt“, so der Polizeipräsident.

Das Runde kommt ins Eckige – in eine Glasvitrine auf Villa Hügel

Aber irgendwann im vergangenen Jahr tauchte er dann doch auf, was für Richter eines zeigt: „Bei der Polizei geht nichts verloren!“ Ein würdiges Zuhause für den WM-Ball war schnell gefunden. „Das Runde gehört ins Eckige!“, so Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp mit Bezug auf die Fußball-Trainerlegende Sepp Herberger. In diesem Fall wird das Runde künftig in einer Glasvitrine in der Schatzkammer des Historischen Archivs Krupp residieren.

Das Touring-Hotel an der Frankenstraße/Ecke Haraldstraße um 1959. Betreiber im Auftrag von Krupp war von 1971 bis zum Abriss der Gebäude im Jahr 1986 die bekannte Gastronomie-Familie Imhoff.
Das Touring-Hotel an der Frankenstraße/Ecke Haraldstraße um 1959. Betreiber im Auftrag von Krupp war von 1971 bis zum Abriss der Gebäude im Jahr 1986 die bekannte Gastronomie-Familie Imhoff. © Historisches Archiv Krupp

Dort wird es dann das Prunkstück einer kleinen Sammlung zum Touring-Hotel sein. Denn vor zwei Jahren wandte sich die ehemalige Hotelmanagerin an das Historische Archiv Krupp und überließ ihm ein Fotoalbum, in dem sie ihre persönlichen Erinnerungen an „die Fußballweltmeisterschaft mit den Brasilianern im Touring-Hotel“ festgehalten hat.

Dieses zeitgeschichtlich besondere Dokument wird nun durch den wieder aufgefundenen Fußball perfekt ergänzt – gleich zwei einmalige Zufälle. „Geschichte lebt von solchen Zufällen“, betont wie Ralf Stremmel. „Das Fotoalbum und der Fußball sind zwei spannende Zeitzeugen, und sie zeigen, dass vieles mit Krupp verbunden ist, auch Unerwartetes.“

Beide Objekte werden hier nun fachgerecht und dauerhaft bewahrt und stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung.“ Ab dem 5. April kann der Fußball von Besucherinnen und Besuchern im ersten Obergeschoss der Historischen Ausstellung Krupp in der Villa Hügel in Essen dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr bewundert werden.

Im Rahmen einer digitalen Ausstellung im Netz kann der Ball in einer 360-Grad-Betrachtung gemeinsam mit dem Fotoalbum ebenfalls entdeckt werden: www.kruppstiftung.de/digitaleausstellung/