Essen-Stoppenberg. Der Streit um das Essener Baugebiet Hallostraße/Im Natt biegt auf die Zielgerade ein. Dafür bringen sich die Gegner allesamt nochmal in Stellung.
Die Klimakampfgruppe Essen hat angekündigt, sich weiter gegen die geplante Wohnbebauung im Bereich Hallostraße/Im Natt zu wehren. Oberbürgermeister Thomas Kufen war selbst in Stoppenberg, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Und die Anwohner werden sich am Freitag wieder auf den Weg ins Rathaus machen und bei der Einwohnerfragestunde der Bezirksvertretung (BV) VI gegen die geplanten Gebäude mit 63 Wohnungen ankämpfen - vielleicht zum letzten Mal.
Vier Gebäude mit drei Stockwerken plus Dachgeschoss sind geplant
Die Bezirksvertreter sind dann erneut aufgerufen, den Bebauungsplan abzunicken und an den Bauausschuss weiterzugeben, der den Deckel drauf machen soll, so dass der Bauantrag gestellt werden kann. Zuletzt waren die Planungen in eine Ehrenrunde gegangen, die BV hatte diverse Fragen der Anwohner an die Verwaltung weitergegeben. Aus Sicht von Bezirksbürgermeister Michael Zühlke (SPD) liegen die Antworten jetzt auf dem Tisch.
Die Firma Wilma will auf 6400 Quadratmetern vier Gebäude mit drei Stockwerken plus Dachgeschoss errichten. Die Kritikpunkte richten sich im Wesentlichen auf die Geschosshöhe, die Bebauungs-Verdichtung, die Entwässerung und den Umweltschutz - vor allem um den Erhalt einer 80-jährigen Rotbuche.
Was sagt die Verwaltung zur Kritik an der geplanten Geschosshöhe?
„Im Sinne einer effizienten und nachhaltigen Nutzung des Grundstücks, der Infrastruktur und der Wohnungsnachfrage ist eine Bebauung mit drei Geschossen und einem Staffelgeschoss angemessen.“ Die für Ballungsräume in dieser Lage nicht untypische Geschossigkeit vermindere an anderer Stelle den Flächenverbrauch. Durch die Lage, Ausrichtung und Abstände der Gebäude zum Bestand entstünden keine unzumutbaren Verschattungen von Nachbargrundstücken oder -gebäuden.
Eine Anwohnerin hatte sich beklagt, dass ihr der Blick in die freie Natur mit dem Wohnprojekt verwehrt bleibe und sie in Zukunft gegen eine Betonmauer schauen müsse. Dazu die Verwaltung: „Eine Einsicht von Bestandsgrundstücken aus ist nicht zu verhindern. Diese Einsicht wäre ebenso gegeben, wenn es sich um eine zweigeschossige Einfamilienhaus-Bebauung analog zur Bebauung handeln würde.“
Was sagt die Verwaltung zur Bebauungsverdichtung und dem Vorwurf, dass es keinen Bedarf an Kleinraumwohnungen gibt?
„Für einen funktionierenden Wohnungsmarkt ist es wichtig, dass der vorhandene Wohnraum nicht in Gänze bewohnt ist, damit Umzüge und Renovierungen stattfinden können. Diese Fluktuationsreserve wird mit drei Prozent des Gesamtwohnraums beziffert.“ Aktuell liege er jedoch lediglich bei 2,1 Prozent.
Was sagt die Verwaltung zur 80-jährigen Rotbuche?
Ein Gutachter hatte 2020 einen Pilzbefall festgestellt und dem Baum eine Rest-Lebenszeit von zehn Jahren prophezeit. Die Stadt geht davon aus, dass die Bagger ungefähr in fünf Jahren dort rollen werden, dann wird „sachverständigenseits die Fällung der Rotbuche empfohlen“, so die Verwaltung. „Das ist butterweich und bewusst unklar formuliert“, findet Bezirksbürgermeister Zühlke. Der Investor habe jedoch zugesichert, dass der Baum so lange wie möglich stehen bleiben soll. Der Bebauungsplan sieht zudem die Ersatzpflanzung einer Blutbuche „in entsprechender Pflanzgüte“ vor. Dieser Baum dürfe erst dann gefällt werden, wenn von ihm eine Gefährdung ausgeht.
Für den anderen Baumbestand soll es in Heidhausen Ersatzpflanzungen geben. Letzteres ärgert besonders Grünen-Bezirksvertreter Marc Zietan, der es als wichtig erachtet, Flächen im eigenen Bezirk, also Stoppenberg, Schonnebeck oder Katernberg, für Ersatzpflanzungen zu identifizieren.
Was sagt die Verwaltung zur Entwässerung und zur Sorge der Anwohner, dass der Kanal nicht ausreichend dimensioniert ist und das Wasser in die Häuser drücken könnte?
Im Zuge des Bebauungsplanverfahrens sei ein Entwässerungkonzept erarbeitet worden. Es ist demnach geplant, Schmutzwasser und Regenwasser in den Kanal der Hallostraße einzuleiten. „Die Stadtwerke haben eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kanals für den Anschluss des Bauvorhabens festgestellt.“
Was sagen die Anwohner?
Jürgen Wohlfeil wohnt Im Natt, bezeichnet das Bauvorhaben als „Skandal“ und beruft sich auf die schrumpfenden Einwohnerzahlen Essens: „Diese Kiste ist nicht notwendig.“ Auch Anwohner Michael Siebrecht will die Planungen nicht kommentarlos hinnehmen. Er beklagt, dass die wirtschaftlichen Interessen der Stadt stets Priorität haben. Siebrecht listet auf, wo in Stoppenberg noch überall Neubauten entstehen und fragt: „Will man Stoppenberg zu einem großen Wohnbunker machen?“ Die Antworten der Stadt empfindet er als unzureichend und fühlt sich übergangen: „Kein Wunder, dass die Politikverdrossenheit zunimmt.“ Es solle so viel Geld wie möglich aus den Projekten erzielt werden, ohne etwas investieren zu müssen. Die Verantwortlichen seien nicht die Leidtragenden, sondern die Nutznießer.
Der Bauausschuss entscheidet im Juni
Die Sitzung der Bezirksvertretung VI – zuständig für Stoppenberg, Schonnebeck und Katernberg – beginnt am Freitag, 21. Mai, um 14 Uhr im Rathaus am Porscheplatz. Einwohner können dann Fragen stellen zu allen Stadtteil-Themen, die ihnen auf der Seele liegen.Sollten die Politiker dem Bebauungsplan für das Gebiet Hallostraße/Im Natt zustimmen, entscheidet der Bauausschuss der Stadt letztendlich am Donnerstag, 17. Juni, um 15 Uhr über das Projekt. Auch dort sind Bürger willkommen.
Was sagt die Klimakampfgruppe?
Zuletzt hatten die Klimakampfgruppe im März für Aufsehen gesorgt als sie die Buche an der Hallostraße/Im Natt besetzt hatten. Die Bezeichnung „hauptberufliche Klima-Aktivisten“ hatte damals für Aufsehen gesorgt, kam doch der Verdacht auf, die Baumbesetzer seien auf Bestellung nach Essen gekommen und für ihren Einsatz bezahlt worden. Tatsächlich besteht das Team aus einem Dutzend Bürgern zwischen 16 und 60 Jahren, die in unterschiedlichen Essener Stadtteilen wohnen und sich für den Klimaschutz einsetzen.
„Warum kümmern sich die verantwortlichen Politiker nicht zuerst um leerstehende Wohnobjekte bevor man wertvolle ökologische Grundstücke zerstört?“, fragt Silke - eine der Mitglieder. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Auch sie will am Freitag zur Sitzung der Bezirksvertretung kommen, befürchtet aber, dass es nichts bringt mit den Politikern zu reden, da diese „nur aufs Kapital gehorchen“. Die Gruppe habe verschiedene Aktionen geplant, bei der sie auch auf ihre Erfahrungen aus dem Hambacher Forst zurückgreifen könnten. Details wollte Silke zunächst nicht verraten, da die Planungen noch laufen.