Essen-Stoppenberg. Klimaaktivisten besetzen eine Buche in Essen-Stoppenberg, um den Bau eines Wohnquartiers zu verhindern. Viele Anwohner unterstützen die Aktion.
Gekonnt zieht sich Jona mithilfe eines Kletterseils hoch zu den niedrigsten Ästen im Baum. Hier, in sieben Meter Höhe, verbringt der Aktivist seinen Tag. Entspannt lehnt er sich mit dem Rücken an den Stamm der 80 Jahre alten Rotbuche. Sie steht auf einem Gelände in Essen Stoppenberg, auf dem schon bald 63 Wohneinheiten gebaut werden sollen.
Das will Jona verhindern. Er ist seit drei Jahren hauptberuflich als Profi-Aktivist unterwegs. Als er Anfang der Woche erfuhr, dass der Baum im Bereich Hallostraße/ Im Natt, dem ehemaligen Gelände der Zeche Zollverein, gefällt werden soll, stand für ihn fest, dass er etwas unternehmen muss.
Klimaaktivist: „Besetzung ist das letzte Mittel“
„Eine Besetzung ist immer das letzte Mittel. Aber es ist dringend notwendig“, sagt Jona. Er ist mit gleich zwei Seilen gesichert. Über ein weiteres Seil, an dem ein großer Rucksack befestigt ist, ziehen er und sein Kollege Ash, der im Ast neben ihm sitzt, Tee und Lebensmittel hoch in den Baum.
„Die Stimmung ist gut, alle sind friedlich. Die Sonne scheint und ich kann ja auch im Baum hin und her klettern. Kalt oder langweilig wird mir nicht“, sagt Jona, der seit neun Uhr am Morgen die Buche besetzt.
„Ich werde hier angekettet bleiben. Ich will die Ohnmacht aus allen Köpfen treiben“, tönt es aus einer Musikbox. An der Bierzeltgarnitur daneben essen die Aktivistinnen und Aktivisten der „Klima Kampf“-Gruppe Kuchen.
„Klima-Kampf“-Gruppe Essen hält Mahnwache
„Den haben uns Anwohner vorbei gebracht“, sagt Loretta. Die 21-Jährige und die anderen Klimaschützer meldeten eine spontane Mahnwache auf dem Baugrundstück an, nachdem der Bauausschuss der Stadt am Donnerstag (18. März) über den Bebauungsplan diskutierte und die Entscheidung über die Offenlegung vertagte.
Das Ziel der Stadt, mehr günstigen Wohnraum zu schaffen, hält Loretta grundlegend für unterstützenswert. Allerdings kritisiert sie: „Ich bin hier ganz in der Nähe aufgewachsen. Ich kann nicht verstehen, wieso nicht bestehende leerstehende Häuser renoviert und umgebaut werden.“
Anwohner unterstützen Protestaktion
Diese Kritik teilen viele Anwohnerinnen und Anwohner. So auch Helmut und Rita Bloch, die die Protestaktion mit einer Spende unterstützen wollen. „Wir sind euch so dankbar“, sagt Rita Bloch zu den Klimaschützern.
Die Eigentumswohnung des Ehepaares grenzt direkt an die Grünfläche. „Wir sind vor zwei Jahren hierher gezogen. Von unserem Balkon aus kann man direkt ins Grüne gucken. Jetzt stehe ich jeden Morgen am Fenster und heule, wenn ich mir vorstelle, dass ich bald vor eine Mauer gucke“, sagt Rita Bloch.
Wohnbebauung in Stoppenberg
Im Stoppenberger Kreuzungseck zwischen Hallostraße und der Straße Im Natt plant die Firma Wilma auf einer 7300 Quadratmeter großen Grünbrache ein Wohnquartier mit 63 Wohneinheiten, von denen 22 öffentlich gefördert werden sollen. Für die Buche sehen Planer eine Ersatzpflanzung vor. Ein Gutachter hatte zuletzt bescheinigt, dass die Buche von einem Pilz befallen und wahrscheinlich nur noch rund zehn Jahre Lebenserwartung habe.
Lebensraum vieler Tiere werde zerstört
Die beiden werden alles versuchen, um die Bebauung zu stoppen. Zur Not wollen sie einen Anwalt einschalten, schließlich bedeute eine mögliche Bebauung auch einen Wertverlust für ihre Immobilie. „Es ist Wahnsinn, wie viele Tiere ich vom Balkon aus beobachten kann. Das ist so traurig“, so Helmut Bloch.
Auch Anwohner Jürgen Wohlfeil setzt sich gegen die Bebauung ein, um die Artenvielfalt auf dem Gelände zu schützen. Käuze, Grünspechte und Kröten beobachte er hier regelmäßig. „Das ist ein intaktes Öko-System, das einfach vernichtet werden soll“, klagt der 50-Jährige, „wenn das so weitergeht, ziehe ich hier weg.“
Baumbesetzer wollen zur Not wieder kommen
Die Protestaktion der Aktivisten endet nach einem Tag – vorerst. Sollte dem Bebauungsplan zugestimmt werden und die Buche, die laut eines Gutachters von einem Pilz befallen ist, gefällt werden, werden sie wiederkommen, sagt Jona: „Sollte der Hammer fallen, werden wir den Baum wieder besetzen. Wir werden weitere Aktivisten mobilisieren, damit Tag und Nacht jemand hier oben ist.“