Essen. Das Bistro öffnet täglich an einem anderen Ort und ist nach zwei Stunden weg: Hinter dem mobilen Café im Oldtimer steckt Essens größter Vermieter

Zweimal mussten sie die Tour verschieben, dafür werden sie nun mit Sonnenschein beschenkt: Am 1. Juni hat die Allbau GmbH ihr Café-Mobil wieder in Bewegung gesetzt, das in den kommenden Wochen an vielen Quartieren der Wohnungsgesellschaft Station machen wird. Es lockt mit Kaffee, Quiche, Wraps und Salaten zu zivilen Preisen – und mit dem Versprechen auf Gesellschaft und Gespräche. „Viele Mieter sind während der Pandemie vereinsamt, haben ihre Wohnungen kaum verlassen“, sagt Allbau-Sozialmanagerin Annette Giesen. Da sei so ein Angebot wichtig.

Markt-Wagen punktet mit Oldtimer-Charme und Verkaufsluke

Das Café-Mobil ist ein Markt-Wagen von Citroën, der mit Oldtimer-Charme und Verkaufsluke punktet. Am Dienstagmorgen steht er vor dem Mehrfamilienhaus am Vollmerskamp in Huttrop; auf der Wiese sind Tische und Stühle verteilt, Platz nehmen darf, wer geimpft, getestet oder genesen ist. Wie Heinz Horstmann, der mit drei anderen Männern am Tisch sitzt, isst, trinkt, plaudert. Das könnten sie eigentlich öfter tun, doch der 59-Jährige sagt: „Man sieht die Nachbarn sonst zu selten.“ Es braucht ein Lockmittel, um sie zusammenzubringen.

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Horstmann lebt seit „sechs Jahren und sieben Monaten“ am Vollmerskamp, seit fünf Jahren ist er Frührentner. Auch darum schätzt er die Aktionen des Allbaus, schwärmt etwa von den Balkon-Konzerten, denen man in Corona-Zeiten gefahrlos vom Balkon lauschen konnte. Horstmann ging runter, er hat gar keinen Balkon. Schlimm sei das nicht: „Wenn ich einen Balkon hätte, ginge ich nicht so oft vor die Tür.“

Freuen sich über den gelungenen Auftakt bei Sonnenschein (v.l.): Gulay Sahin und Didi Doghmani, das Team des Café-Mobils, Daniel Schäfer von der Neuen Arbeit der Diakonie und Allbau-Sozialmanagerin Annette Giesen.
Freuen sich über den gelungenen Auftakt bei Sonnenschein (v.l.): Gulay Sahin und Didi Doghmani, das Team des Café-Mobils, Daniel Schäfer von der Neuen Arbeit der Diakonie und Allbau-Sozialmanagerin Annette Giesen. © FUNKE Foto Service | Socrates Tassos

Neben ihm sitzt Klaus Schumacher, 54 Jahre alt, seit neun Jahren am Vollmerskamp und ebenso Fan des Café-Mobils: „Letztes Jahr haben wir sogar mit Regenschirmen hier gesessen.“ 2020 nach dem Corona-Schock und dem ersten Lockdown sei das Mobil überall sehr dankbar angenommen worden, bestätigt Annette Giesen.

Restauriert hat es die Neue Arbeit der Diakonie, die auch das Team an Bord stellt. Sie verarbeiten Kartoffeln vom Buchholzhof, beziehen Kaffee von den Coffee Pirates und Salate aus Eigenanbau. „In einigen Quartieren bieten wir auf Nachfrage auch Mittagsgerichte ,to go’ an“, sagt Daniel Schäfer von der Neuen Arbeit. Gerade ältere Mieter nähmen das gern an. Der Außer-Haus-Verkauf sei zudem auch das Notangebot, wenn die Corona-Inzidenz wieder steigen sollte, sagt Allbau-Prokurist Samuel Serifi.

Unterwegs in Altenessen, Bochold, Kray oder Steele

Dieser Tage aber beobachtet man beim Allbau mit Freude sinkende Inzidenzen und geht davon aus, auf Tests und Impfnachweise erstmal verzichten zu können. Dann könnte das Café-Mobil wie geplant täglich zwei Quartiere ansteuern, morgens von 10 bis 12 und nachmittags von 14.30 bis 16.30 Uhr. Bis Mitte Juli soll es in Altenessen, Bochold, Holsterhausen, Kray, Margarethenhöhe, Steele und der Innenstadt halten. Nicht jeder der 40.000 Allbau-Mieter wird am Ende erreicht: Die Standorte brauchten eine gewisse Größe und eine geeignete Fläche für den „rollenden Nachbarschaftstreff“, sagt Serifi.

Ist beides gegeben, kämen die Neugierigen von selbst, die anderen müsse man holen. So hat man am Vollmerskamp Birgit Erler von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) eingebunden, die viele der fast 900 Menschen kennt, die hier in einer Allbau-Wohnung leben. Bald wolle man auch wieder etwas für Kinder und Jugendliche tun; jetzt seien die Senioren dran, die coronabedingt zuletzt sehr zurückgezogen gelebt hätten.

Mancher sei vielleicht zu ängstlich, findet die 78 Jahre alte Birgit, die rauchend und redend am Café-Mobil sitzt: „Ein bisschen muss man auch selbst tun, sonst schießt man sich aus allem raus.“