Essen. In einem Allbau-Quartier in Essen wohnen nun neben gut 450 Mietern vier Hühner. Mietfrei unter freiem Himmel – und als Teil eines Sozialprojekts.
In der Allbau-Wohnanlage an der Schwanenbuschstraße in Huttrop wohnen neuerdings vier Hühner. Natürlich nicht auf Drei-Zimmer-Küche-Bad, sondern im Grünen. Sie sind Teil eines Sozialprojekts und gehen diese Aufgabe gelassen an.
„Die Hühner vermitteln Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber Tieren“, sagt ihr Besitzer, Nikolas Weber vom Oberschuirshof in Schuir. „Sie sind eine Schnittstelle für Interaktion“, ergänzt Jenny Kraneis. Die beiden vermieten mit ihrer Initiative „Pottrabauken“ Hühner an Privatleute, Schulen, Kitas oder Seniorenheime. Das ganze Jahr über touren die Hühner durchs Revier, gewinnen Herzen und brechen sie. Denn nach einigen Wochen heißt es Abschied nehmen. Den Hühnern mache der Tournee-Alltag nichts aus, versichert Kraneis: „Egal welcher Untergrund, Hauptsache ihr Haus reist mit.“
Die Hühner sind von Anfang an den engen Kontakt zu Menschen gewöhnt
Aktuell also steht dieses Hühnerhaus auf der weitläufigen Grünfläche zwischen den Allbau-Häusern an Schwanenbusch- und Vollmerstraße. Gut 15.5000 Quadratmeter hat das Außengelände, rund 100 davon sind für die neuen Bewohner eingehegt worden. Gerade sind die sechsjährige Ioana und der kleine Livio (5) ins Gehege geklettert, locken die Hennen mit Futter an, streichen ihnen übers Federkleid.
Eine Szene wie aus dem Streichelzoo und für die Tiere völlig stressfrei, wenn man Jenny Kraneis glauben darf. Hühner könnten bis zu 100 Gesichter unterscheiden und wüssten wer sich ihnen gerade nähere. „Und diese sind von Anfang an den engen Kontakt zum Menschen gewöhnt.“
Weil umgekehrt der Mensch oft entwöhnt ist, was den Kontakt zum Tier betrifft, wollen Kraneis und Weber eine neue Nähe herstellen. In Seniorenheimen habe sich gezeigt, dass die Hühner die alten Menschen aktivierten, ihr Verantwortungsbewusstsein neu weckten.
Die Paten füttern die Hühner und halten das Gehege sauber
Verantwortung müssen auch die gut 450 Mieter der Wohnanlage in Huttrop tragen; Allbau-Sozialmanagerin Jannica Wiesweg-Böttcher hat vier von ihnen als Hühner-Paten gewonnen, Nikolas Weber hat sie in ihre Aufgabe eingewiesen. Sie füttern die Tiere, kontrollieren die Tränken, halten das Gehege sauber. „Und sie haben die Hühner auch mal im Arm“, ergänzt die Sozialmanagerin.
Die Mütter von Livio und Ioana, Katja Slobec und Elitsa Nikolova sind zwei der Patinnen und freuen sich, dass ihre Kinder einen unbefangenen Umgang mit Tieren lernen. Und über die Eier, die es als Lohn für ihren Einsatz gibt. „Für die Kinder ist es eine Riesenfreude“, sagt Katja Slobec, die jetzt öfter mal Rührei, Pfannkuchen oder Spiegelei macht.
Unten rauscht die Autobahn – oben picken die Hühner
Übrigens freuen sich nicht nur die Kinder und ihre Eltern; auch drei ältere Mieterinnen, die mit Hühnern aufgewachsen sind, suchen jetzt deren Nähe. Der Allbau hat darum beim Gehege Bänke aufgestellt. So können sich bei der Tierbeobachtung auch die Menschen begegnen, ins Gespräch kommen. Hier gilt der Merksatz von Jenny Kraneis: „Hühner sind eine Schnittstelle für Interaktion.“
Das also ist die soziale Seite des Projekts in der großen Wohnanlage, die von Steeler Straße und Autobahn eingefasst ist: Unter der Grünfläche rauscht die A 52, oben picken die Hühner Obst, Gemüse und Nudeln. Rundherum ist seit Jahresbeginn Baustelle, die Mehrfamilienhäuser werden aufwendig saniert. Gleichzeitig will der Allbau das Außengelände auf dem A52-Deckel aufwerten und dabei die Bewohner einbeziehen.
Noch sind die Hennen in der Probezeit – Vertragsverlängerung nicht ausgeschlossen
In Kooperation mit der Uni Kassel hat das Wohnungsunternehmen sie befragt und festgestellt, dass das Interesse an Natur und Umweltschutz groß ist. Neben Blühstreifen und Obstbäumen soll es also Gartenprojekte und neue Spielbereiche geben. Eben alles, was die Identifikation mit dem Quartier stärke und das nachbarschaftliche Zusammenleben fördere. Wie jetzt die Hühner, die sich noch in der Probezeit befinden.
Ende September sollen sie zur nächsten Station aufbrechen, obwohl sie – wie Weber betont – „hier leben wie Gott in Frankreich“. Damit meint er nicht nur jene rechnerisch 25 Quadratmeter pro Huhn, von denen seine Legehennen in der Bodenhaltung in Schuir nur träumen können. Sondern auch die üppige Versorgung durch die Paten: „Die werden sehr gut gefüttert.“
Sollten Mensch und Tier hier weiter so gut miteinander auskommen, könnte daraus im kommenden Jahr ein langfristiges Projekt entstehen, nicht nur in diesem Allbau-Quartier. Die Hühner wären quasi unkündbar.