Essen.. Zur Vorweihnachtszeit haben wir eine Auswahl Essener Sagen und Legenden zusammengetragen – vom wachsamen Hähnchen bis zu Zwergen an der Berne.

Essen ist voller Sagen und Legenden – viele von ihnen drehen sich um das Stift, das um 845 gegründet und zur Keimzelle der Stadt wurde; andere Sagen sind rund um den Bergbau gesponnen. Auf Grundlage der beiden Bände „Die schönsten Sagen aus Essen“, die Wolfgang Schulze Ende der 1970er-Jahre veröffentlichte, haben wir eine kleine Auswahl getroffen.

Dieses Bild ist in der Anbetungskirche St. Johannis an der Kettwiger Straße zu sehen.
Dieses Bild ist in der Anbetungskirche St. Johannis an der Kettwiger Straße zu sehen. © WAZ | WAZ

Zur Vorweihnachtszeit wollen wir Sie, liebe Leser, in vergangene Zeiten entführen, in denen auch das nebenstehende Bild entstand. Es zeigt die älteste erhaltene Stadtansicht, die sich auf einer Altartafel der Anbetungskirche St. Johannis findet; jener Kirche an der Kettwiger Straße, die dem Dom vorgelagert ist. Der Renaissance-Künstler Bartholomäus Bruyn malte das Bild um 1525 und bettete Essen in eine Phantasielandschaft ein. Aus Vergleichen weiß man aber: Die Stadt mit ihren Türmen, Mauern und Toren ist recht realistisch getroffen.

Der Schatz von der Sommerburg

Mit der Siedlung Margarethenhöhe wurde 1912 auch der Schatzgräberbrunnen errichtet. Er erinnert an einen legendären Goldschatz, der bis heute nie gefunden wurde.

Der Schatzgräber-Brunnen auf dem Kleinen Markt der Margarethenhöhe.
Der Schatzgräber-Brunnen auf dem Kleinen Markt der Margarethenhöhe. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Die Geschichte beginnt mit der Eroberung der Sommerburg – einst eine herrliche Festung nahe des Lührmannwalds. Die Bewohner der Burg versenkten vor der grausamen Erstürmung noch ihre gesamten Kostbarkeiten in einem nahe gelegenen Weiher; Geschmeide, Gold- und Silbermünzen und auch das goldene Spinnrad der Gräfin von der Sommerburg wurde darin versteckt. Viele Jahrzehnte blieb der Schatz verschwunden – so sehr sich die Bewohner auch bemühten ihn wiederzufinden. Gerüchte machten die Runde, der Teufel persönlich habe einen riesigen Stein über den Schatz gerollt.

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Als ein junger und überaus habgieriger Bauer diese Geschichte hörte, machte er sich fortan täglich auf den Weg zum Gewässer – und erblickte in einer hellen Mondschein-Nacht schließlich den Stein. Schon am nächsten Tag zog er mit seinen Knechten und Pferden los, den Stein aus dem Wasser zu ziehen. In einem alten Zauberbuch hatte er zuvor gelesen, dass der Teufel nur überlistet werden kann, wenn in absoluter Stille gearbeitet werde. So herrschte also Schweigen, als die Pferde den Stein langsam aus dem Wasser zogen, bis ein Knecht triumphierend rief: „Jetzt  haben wir ihn!“ Daraufhin erhob sich aus der Tiefe ein zorniges Grollen. Die Pferde gingen durch, die schweren Ketten rissen und der Stein stürzte noch tiefer in den Weiher.

Bis heute erinnert eine Inschrift im Schatzgräberbrunnen an die Legende und warnt vor Habgier. Der Text: „Grabt Schätze nicht mit Spaten, sucht sie in edlen Taten.“

Nixen und Zwerge an der Berne

Eine der ältesten Essener Sagen rankt sich um die Berne – jenen Fluss, der bis heute in der Stadtmitte unterirdisch, sonst im Betonbett verläuft und den die Emschergenossenschaft renaturiert ans Tageslicht holen will.

Ein Stein erinnert an die Quelle der Berne im Bernewäldchen im Südviertel. Ob sich hier früher auch einmal Zwergen und Nixen tummelten? Die Sage lässt dies jedenfalls vermuten.
Ein Stein erinnert an die Quelle der Berne im Bernewäldchen im Südviertel. Ob sich hier früher auch einmal Zwergen und Nixen tummelten? Die Sage lässt dies jedenfalls vermuten. © FUNKE Foto Services | FUNKE Foto Services

Vor sehr langer Zeit, als es die Stadt Essen noch gar nicht gab, floss die Berne durch eine wunderschöne Landschaft mit Tälern und Wäldern. Elfen und Feen kämmten nachts ihr Haar im Spiegel des stillen Bernewassers, in dem auch die wunderschönen Berne-Nixen lebten. Währendessen gruben die Zwerge in den Bergen nach Gold, Silber und schwarzen Diamanten – der Kohle. Als der Zwergenkönig eines Tages seinen 1000. Geburtstag feiern wollte, beschloss er, auch die Nixen dazu einzuladen.

Er schickte zwei Gesandte los, die Einladung zu überbringen. Die beiden aber waren von der Schönheit der Nixen und dem Funkeln der Edelsteine auf ihrem Körper so geblendet, dass sie den Grund ihres Besuchs völlig vergaßen. Die Nixen verspotteten sie und die Zwerge kehrten betrübt zurück. Das wollte der Zwergenkönig nicht auf sich sitzen lassen und schwor Rache. Das Dröhnen und Hämmern aus den Bergen schwoll daraufhin zu einem ohrenbetäubenden Lärm an, so dass die Nixen immer wieder bei ihrem Tanz gestört wurden. Die Nixenkönigin wollte wissen, warum die Zwerge so einen Radau machen. Sie tauchte auf den Grund der Berne, wo sie mit Schrecken feststellte, dass die Zwerge tiefe Gräben unter dem Flussbett gebaut hatten, in die das Wasser abfloss.

Weil die Berne so immer weniger Wasser führte, zogen die Nixen in ein friedlicheres Gewässer um. Die Zwerge gruben indes weiter nach Schätzen, wobei ihnen das Wasser – wie später auch den Bergleuten – immer lästiger wurde. Als sich die ersten Menschen ansiedelten und nach Kohle suchten, zogen die Zwerge fort. Seither wurde nie wieder ein Zaubervolk an der Berne gesichtet. Wer weiß, ob sich das nicht bald wieder ändert...

Das wachsame Hähnchen

Dem wohl berühmtesten Federvieh der Stadt wurde auf dem Kardinal-Hengsbach-Platz sogar ein goldenes Denkmal gebaut: Bis heute thront das wachsame Hähnchen dort auf einer Stele, um die Essener zu schützen – so wie damals im Mittelalter.

Bis heute erinnert eine Statue am Kardinal-Hengsbach-Platz an das wachsame Hähnchen, das Essen vor einem Überfall bewahrte.
Bis heute erinnert eine Statue am Kardinal-Hengsbach-Platz an das wachsame Hähnchen, das Essen vor einem Überfall bewahrte. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Die Tochter des Bürgermeisters hatte an einem heißen Sommertag zu ihrer prächtigen Hochzeit geladen. Am Abend wurde in den Schenkstuben so kräftig gefeiert, dass selbst die Nachtwächter und der Turmbläser ihren Dienst nicht antraten. Vor den Stadttoren braute sich das Unheil aber schon zusammen: Eine 20 Mann starke Räuberbande erklomm zu früher Morgenstunde mit Seilen die Stadtmauer – scheinbar unbemerkt von den Bewohnern.

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Nur der Hahn fühlte sich durch den Lärm der Räuber gestört und setzte protestierend zum Kikeriki an. Die Essener, gewohnt beim ersten Hahnenschrei aufzustehen, erwachten und es dauerte nicht lange, bis auch die Räuber entdeckt waren. Eilends ließ man die Glocken läuten, griffen die Schützen zu den Waffen und schlugen die Bande in die Flucht. Aus lauter Dankbarkeit feierten die Essener noch einen weiteren Tag und schenkten ihrem Retter, dem wachsamen Hähnchen, ein Leben in Freiheit – und das bis heute bestehende Denkmal.

Die Quelle vom Marienberg

Auf seinem Rückweg von den Kreuzzügen im Orient kam ein englischer Kreuzritter vor mehr als 500 Jahren an der Ruhr vorbei. An einem heißen Sommertag bahnte er sich mit seinem Pferd den Weg durch die Wälder in Werden und gelangte schließlich zur Gemarkung Hinsbeck, das heutige Kupferdreh. Aus einem Gebüsch hörte er einen schwer verletzten und blutenden Mann wimmern.

Auf seinem Rückweg aus dem Orient kam ein britischer Kreuzritter an der Ruhr vorbei, wie eine Legende aus Kupferdreh erzählt.  Archiv-
Auf seinem Rückweg aus dem Orient kam ein britischer Kreuzritter an der Ruhr vorbei, wie eine Legende aus Kupferdreh erzählt. Archiv- © ddp WP | ddp WP

Räuber hätten ihn überfallen, erzählte er dem Kreuzritter, der erkannte, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Einen edlen letzten Wunsch wollte er dem Sterbenden aber erfüllen: Dieser hatte um einen Schluck Wasser gebeten. Da aber weit und breit kein Gewässer in Sicht war, reichte ihm der Engländer eine Flasche aus seinem Gepäck. Darin hatte er geweihtes Wasser aus dem Jordan mitgebracht, mit dem er eigentlich seine Kinder hatte taufen lassen wollen.

Ein zweites blühendes Wunder

Der verletzte Mann hatte aber nicht einmal mehr die Kraft, den Krug zu halten. Das Gefäß glitt ihm aus den Händen und zerbrach, das Wasser versickerte im Boden. An jener Stelle tat sich mit einem Mal eine Quelle auf. Schnell füllte der Ritter das Gefäß wieder auf und gab dem sterbenden Mann ein letztes Mal zu trinken. Dann ereignete sich ein zweites Wunder: Entlang des neu entsprungenen Bachs, sprossen mit einem Mal Marienblümchen aus der Erde. So konnte der Mann zufrieden und mit einem Lächeln einschlafen.

Die Quelle, auf die die Legende zurückgeht, gibt es bis heute – und die Anhöhe, auf der sich die Geschichte zugetragen haben soll, heißt noch immer Marienberg. Auch die nahe gelegene Zeche, die bis 1882 in Betrieb war, hieß „Gottessegen“.

Das Gespenst vom Hohlweg

Der 30-jährige Krieg war lange zu Ende, doch noch immer trieb ein schwedischer Soldat in Essen sein Unwesen. Er hauste als Räuber in den Wäldern und verbreitete mit Brandstiftungen und sogar Mord Furcht und Schrecken.

Der Hohlweg durchschneidet heute das Gelände des Uni-Klinikums in Holsterhausen.
Der Hohlweg durchschneidet heute das Gelände des Uni-Klinikums in Holsterhausen. © uvb / NRZ | uvb / NRZ

Eines Tages aber nahmen sich einige mutige Bauern ein Herz und schlugen ihn mit ihren Dreschflegeln zu Tode. Als er im Sterben lag, stieß er viele Flüche aus, dass auch seine Seele keine Ruhe finden konnte.

In vielerlei Gestalt kehrte er als Geist zurück – als Werwolf, Katze oder Hund – und hier und da war sein Fauchen und Fluchen zu hören. Als ein Leinenweber aus Altenessen eines Tages in aller Frühe aufbrach, um zum Markt zu gehen, kam er durch den Hohlweg – jenen Ort, an dem der Schwede einst erschlagen worden war. Eine dumpfe Stimme rief drei Mal. Der Weber schaute sich um und entdeckte im Gebüsch ein grünfunkelndes Augenpaar, das sich im gefährlich näherte. Plötzlich krallte sich eine unheimliche Last in seinem Rücken fest, riss an seiner Kleidung und verströmte einen widerlichen Gestank.

Der Weber versuchte die unheimliche Last abzuschütteln, doch es gelang ihm nicht. Erst, als er gehetzt zum Markt rannte und schließlich das erste Morgenläuten vom Dom erschallte, ließ das Ungeheuer langsam von ihm ab. Er erzählte vielen Menschen die Geschichte, die fortan den Hohlweg mieden. Erst später, als dort Zechen, Fabriken und Wohnhäuser entstanden, verschwand das Gespenst offenbar und wurde nie wieder gesehen. Bis zum heutigen Tage jedenfalls...

Wie Essen um 800 entstand

Bis heute ist ein Kreuz am Krausen Bäumchen zu finden.
Bis heute ist ein Kreuz am Krausen Bäumchen zu finden. © WAZ | WAZ

Am Krausen Bäumchen in Bergerhausen nahm die Geschichte der Stadt Essen folgender Legende nach ihren Anfang: Vor mehr als 1200 Jahren hausten die Menschen dort noch in einfachen Hütten und gingen auf die Jagd. Das war wegen des dichten Gestrüpps und der tiefen Sümpfe sehr beschwerlich.

Entsprechend dankbar waren die Menschen, als eines Tages der spätere Bischof von Hildesheim, Altfrid, während einer seiner Reisen auftauchte und sah, wie schwer es die Menschen hatten. Er brachte ihnen bei, die Sümpfe trocken zu legen, Gemüse anzubauen und Tiere wie Rinder und Schweine zu züchten. So wurde aus dem einst unwirtlichen Land eine fruchtbare Gegend. Die Menschen wollten Alfrid danken. Gemeinsam beschlossen sie, eine prächtige Kirche zu bauen. Deren altes Mauerwerk stützt bis heute den Essener Dom. Gleichzeitig gründete sich auf Geheiß Alfrids ein Stift für adelige Damen.

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Die Kirche und das Stift zogen immer mehr Menschen an und so entstand eine kleine Stadt, die erst Asnid, danach Assindia und noch viel später Essen genannt wurde. Als der Bischof viele Jahre später wieder in sein Asnid reiste, versammelten sich die Menschen auf jenem Hügel, von dem aus er zuerst in das Ruhrtal geblickt hatte. Ihm zu Ehren pflanzten die Bewohner dort eine Linde – das „krause Bäumchen“ – die der Überlieferung nach älter als 1000 Jahre wurde, ehe sie 1885 durch einen Blitzeinschlag zerstört wurde. Bis heute erinnert ein Kreuz daran, auch eine Linde wurde neu gepflanzt.

Vom Tod des heiligen Liudger

Die Geschichte vom Tod des heiligen Liudger, der das Kloster Werden im Jahre 800 gründete, erzählt man sich auch in Westfalen. Nachdem er am 26. März 809 in Billerbeck verstorben war, hatte man die Gebeine Liudgers nach Münster gebracht.

Doch der Tote wollte keine Ruhe finden. Jeden Morgen erschraken die Münsteraner, weil der Sarg aus dem Grab empor gekommen war und eine Stimme rief: „Hier will ich nicht begraben sein!“ So spannte man den Sarg auf einen Ochsenkarren, der sein Ziel ganz ohne Kutscher fand. Die Tiere zogen die Überreste vor die Werdener Abteikirche stehen, wo er begraben wurde. Seit 1127 wird der Sarg an jedem ersten Septembersonntag bei einer Prozession durch Werden getragen: bis heute.

Die Sage vom untreuen Münzmeister Jasper aus Borbeck

Das Restaurant im Schloß Borbeck heißt bis heute „Zur Münze“. Warum das so ist, erzählt die folgende Geschichte: Den Fürstäbtissinnen, die ihren Sommersitz in Borbeck hatten, stand das Recht zu, dort Münzen prägen zu lassen. Zur Zeit von Fürstäbtissin Sophia IV. zwischen 1458 und 1489, war ein gewisser Jasper der Münzmeister von Borbeck.

Historische Münzen wie diese lassen sich im Ruhr Museum besichtigen.
Historische Münzen wie diese lassen sich im Ruhr Museum besichtigen. © WAZ | WAZ

Zuverlässig verrichtete der Münzmeister über viele Jahre seine verantwortungsvolle und schwere Arbeit. Sein schönstes Werk war der Borbecker Groschen, auf dem neben den Abbildungen von Petrus und einem Kreuz auch „Gepriesen sei der Herr“ eingestanzt war. Dieser fromme Text ärgerte den Teufel so sehr, dass er sich entschloss, Jasper aufzusuchen.

Er fragte ihn, warum er es trotz seines täglichen Umgangs mit Gold und Silber selbst noch nicht zu Reichtum gebracht habe. Jasper antwortete, dass er das Edelmetall teuer einkaufen müsse, die Münzen in der vorgeschriebenen Reinheit fertige und so nur ein geringer Teil für ihn übrig bleibe. Da reichte ihm der Teufel einen Klumpen aus Blei und riet ihm, das Metall künftig unter das Gold und Silber zu mischen, um so der reichste Borbecker Bürger zu werden.

Seit jenem Tag wurden nie wieder Münzen in Borbeck geprägt

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Lange Zeit ließ Jasper den Klumpen unberührt – bis zu jenem Tag, an dem er nicht wusste, womit er das tägliche Brot für seine Kinder bezahlen sollte. So goss er Blei in das heiße Silber. Als er die Münze mit dem Hammer bearbeiten wollte, rief eine laute Stimme: „Jasper, Jasper, es ist genug! Die Münze mit dem Namen des Herrn entehre nicht durch bösen Betrug!“

Der Münzmeister erschrak und es wollte ihm trotz mehrfacher Versuche nicht gelingen, die Münze zu prägen. Er erkannte dass er seine schönen Münzen nie wieder würde herstellen können, warf all sein Werkzeug in den Schlossgraben und zog mit seiner Familie weit fort, um ein neues Leben zu beginnen. Seit jenem Tage wurden nie wieder Münzen in Borbeck geprägt.