Essen. . Emschergenossenschaft öffnete für WAZ-Aktion die Pforten zur Schacht-Baustelle Berne-Unterlauf. Köttelbecke wird 2021 in Betonröhre umgeleitet.

Wer die breite Bottroper Straße stadtauswärts mit dem Fahrrad befährt, dem schlägt der muffelige Berne-Geruch bei ungünstigem Wind frontal entgegen. Die Berne ist Essens größte „Köttelbecke“. „Das stinkt höllisch“, findet Heinz Hennes aus der Krablerstraße. Der 63-jährige WAZ-Leser besichtigt die Baustelle der Emschergenossenschaft an der Econova-Allee direkt neben Hornbach.

Um die Emscher, die Kloake des Ruhrgebietsgebiets, in einen sauberen Fluss verwandeln zu können, muss die Emschergenossenschaft auch alle ihre Nebenflüsse ökologisch verbessern. Das Schmutzwasser leitet sie deshalb in eine getrennte unterirdische Betonröhre um.

Amir Golzari leitet das Projekt Berne-Unterlauf und lässt sich von der Gruppe gerne mit Fragen löchern. „Wann ist das Berne-Projekt fertig?“, fragt einer. „Bis 2021“, antwortet der Projektleiter.

Abwasser von 320 000 Essern fließt über die Berne ab

Die zweieinhalb Kilometer lange Berne-Abwasserröhre wäre mit einem Durchmesser von zwei Metern bequem begehbar. In vier Jahren wird sie die Abwässer aufnehmen, die 320 000 Essener von morgens bis abends produzieren: in Toiletten und Duschen, mit Wasch- und Spülmaschinen. Die kleine Berne ist Essens Hauptabwasserfluss. Sie entspringt nahe der Kronprinzenstraße und ist erst ab Grillostraße ein offener Abwasserkanal.

Golzari führt die Gruppe an den Rand des Schachtes, den sie hier durch die Mergelschicht hindurch abgeteuft haben. Wer beim Runterschauen keine Höhenangst hat, ist klar im Vorteil. „Das hier ist Schacht III, er ist 21 Meter tief und hat 15,80 Meter Durchmesser“, sagt der Ingenieur. Volker Szamania aus Kupferdreh war früher Bergmann auf Achenbach und Ickern III und ist ganz andere Teufen gewöhnt.„Ich habe in 1000 Meter Tiefe gearbeitet“, sagt er und lacht. Die neue Abwasserröhre verläuft nur einen Meter über der Sohle. Ein Paar Meter darüber endet eine weitere Betonröhre – für den Pausmühlenbach, ein Nebengewässer der Berne.

Schacht dient der Inspektion der Abwasserröhren

„Wie funktioniert der Vortrieb?“, fragt Leser Gerd Klammer (72) aus Stoppenberg. „Wie beim Bau von Straßentunneln“, erwidert Golzari. „das haben wir uns dort abgeguckt.“ Fünf solcher Schächte hat die Emschergenossenschaft allein im Berne-Unterlauf bis zur Mündung in die Emscher niedergebracht. Von Schacht III bis zur Emscher ist es nur ein Kilometer.

Klammer will es genau wissen und stellt viele Fragen, er war früher Steiger auf Pörtingsiepen, Carl Funke, Katharina, Zeche Recklinghausen und danach Sachverständiger bei der DMT. Nächste Frage: „Welche Aufgabe haben diese Schächte?“. Antwort: „Wir brauchen sie für die Inspektion des Kanals.“ Die Röhre werde nicht begangen, stattdessen werde per Kran ein Boot heruntergelassen, das mit einem Inspektionssystem ausgestattet sei.

Der Umbau des Emscher-Systems verschlingt allein in Essen 700 Millionen Euro

Ulrike Retz-Lange aus Schönebeck ist beeindruckt von den Dimensionen der Kanalbaustelle und überhaupt von der Idee, das Emschersystem zu renaturieren. Heinz Hennes hat die Berne in seiner Kindheit noch als verbotenen Abenteuerspielplatz erlebt. „Wir sind von der Grillostraße aus durch den Kanal gelaufen und haben am Viehofer Platz den Gullydeckel angehoben.“

Für Hennes ist der Berne-Umbau von der Köttelbecke zum sauberen Fluss „ein Glücksgriff“. Rund 700 Millionen Euro steckt die Emschergenossenschaft in Essen in den Umbau des Emschersystems, davon allein 400 Millionen Euro in die Berne. Bei allem Lob werden wegen solcher Summen auch kritische Stimmen laut. „Die Industrie hat früher die Natur verschandelt und viel Geld verdient, aber für die Reparaturen muss heute die Allgemeinheit mitzahlen“, sagt Hennes.