Essen. Ernüchterung bei Essens CDU: Das miese Abschneiden bei der Wahl drückte die Stimmung im Festzelt. Doch einer durfte am Ende des Abends feiern.
Sie schienen ein Abo auf Sieg zu haben, auf ausgelassene Wahlabende, und so hatten die Essener Christdemokraten in diesem Jahr für den Abend der Bundestagswahl das Oktoberfestzelt am Flughafen Essen/Mülheim gebucht, einen Saal, in dem noch der Biergeruch hing. Doch die erste Prognose um 18 Uhr fiel ernüchternd aus, und wo sonst gejubelt und geklatscht wurde, herrschte minutenlang Stille, wurde bestenfalls gemurmelt.
Matthias Hauer, der angetreten ist, den Süd-Wahlkreis nach 2013 und 2017 ein drittes Mal zu gewinnen, sprach sichtlich angefasst von einem „heftigen Dämpfer“ für die CDU. „Wir können mit dem Ergebnis keineswegs zufrieden sein.“ Möge die SPD jubeln, die CDU habe einen anderen Anspruch: „Wir peilen deutlich stärkere Ergebnisse an.“ Allerdings sei man nach 16 Jahren mit Kanzlerin Angela Merkel mit einem neuen Kandidaten in die Wahl gegangen.
Lesen Sie auch:
- SPD in Essen klar vorn, CDU-Kandidat gewinnt Süd-Wahlkreis
- Unser Newsblog als Chronik zum Nachlesen: So lief die Bundestagswahl in Essen
- Bundestagswahl in Essen: Wahlergebnisse in der Übersicht
- So haben die Essenerinnen und Essener in den Stadtteilen abgestimmt
- Wahlkrimi bei Essens CDU: Matthias Hauer holt Süd-Wahlkreis
- SPD feiert ihren Wahlsieg und verliert doch im Essener Süden
- Essens Grüne bejubeln ihre Wahlrekorde in Essen und Berlin
- FDP verliert in Essen leicht – und jubelt dennoch
Verlorenes Vertrauen und Fettnäpfchen
Diesem Kanzlerkandidaten Armin Laschet schreibt Essens CDU-Chef klar Verantwortung für das schlechte Abschneiden zu, spricht von „Fettnäpfchen“, in die der Spitzenkandidat getreten sei. Auch habe man Vertrauen verspielt, etwa durch die Masken-Deals, an denen sich CDU-Abgeordnete bereichert hatten. Hauer sagt aber auch, dass die CDU dennoch gewählt worden sei, um Verantwortung zu übernehmen, man werde eine Regierungsmehrheit suchen: „Natürlich sondieren wir.“
Angesichts der zwischenzeitlich deutlich schlechteren Umfragewerte trösten sich andere, dass das Ergebnis noch verheerender hätte ausfallen können. „Wir haben eine tolle Aufholjagd hingelegt“, sagt auch der Landtagsabgeordnete Fabian Schrumpf, fügt aber hinzu: „Trotzdem können wir mit einem Ergebnis jenseits der 30 Prozent nicht zufrieden sein.“ Dass Florian Fuchs und Astrid Timmermann-Fechter ihre Wahlkreise nicht gewinnen, darf nicht als Überraschung gelten. Schrumpf gibt aber früh die Parole aus, die die Unterstützer durch den Wahlabend tragen soll: „Wir sind zuversichtlich, dass wir am Ende doch noch etwas zu feiern haben – wenn Matthias Hauer den Süd-Wahlkreis holt.“
Matthias Hauer erlebt schon die zweite Zitterpartie
Dass das eine Zitterpartie sein kann, weiß Hauer nur allzu gut: Mit einem Vorsprung von nur drei Stimmen lag er in der Wahlnacht 2013 vor SPD-Frau Petra Hinz, bei einer späteren Auszählung waren es immerhin 93. „Ich bin da leidgeprüft.“
Acht Jahre später setzt Hauer früh darauf, dass Erst- und Zweitstimme nicht immer an die selbe Partei gehen, dass also sein Ergebnis am Ende besser ausfällt als das der CDU. Er habe den Eindruck, dass viele Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen gesplittet hätten: „Ich hoffe, dass unser Einsatz einen Effekt hat und wir den Wahlkreis holen.“
Ob das gelingt, wollen viele nicht abwarten, brechen früh auf: „Es ist ein ganz bitterer Abend.“ Für alle anderen wird es noch hochspannend: Sie bangen mit Hauer, beklatschen jeden Stimmbezirk, der an ihn fällt, halten sich an Schrumpfs Motto: „Wir haben oft zusammengefeiert, wir stehen auch zusammen, wenn es nicht so gut läuft.“ Daran hält sich auch Thomas Kufen, der bis zum Ende der Auszählung bleiben will: „’ne Wahlparty ist das hier nicht“, sagt der Oberbürgermeister. Aber er hofft wohl, dass es noch eine wird.
Kandidat dankt seinem „Team Matthias Hauer“
Und tatsächlich holt Hauer mit jedem ausgezählten Stimmbezirk auf. Nur in Bredeney dauert die Auszählung bis nach Mitternacht an: Doch das ist erstens traditionelles CDU-Terrain, zweitens liegt Hauer da schon praktisch uneinholbar vorn. Um Viertel nach zwölf steht es endlich fest: Er hat den Wahlkreis gewonnen – mit 1030 Stimmen Vorsprung. „Ich bin froh, dass der Bundestrend nicht voll auf Essen durchgeschlagen hat“, sagt Hauer erleichtert. „Sonst hätten wir den Wahlkreis verloren.“
So aber darf er sich feiern lassen, von allen, die ausgeharrt haben, vom „Team Matthias Hauer“ – zu dem sich hier viele auf ihren Sweatshirts bekennen. Ein Team, dem Hauer am Ende dieses Wahlkrimis für einen starken Einsatz danken wird. „Ich mache das beruflich, die machen das alle ehrenamtlich!“