Essen. Einige RWE-Fans haben das Viertelfinale gegen Kiel an der Hafenstraße verfolgt – am Radio, auf Smartphones. Trotz Niederlage überwiegt Stolz.

Mittwochabend, DFB-Pokal-Viertelfinale, Stadion Essen an der Hafenstraße, Flutlichtspiel. Mehr geht für Anhänger von Rot Weiss Essen wohl nicht. Zu Gast beim Regionalligisten ist Zweitligist Holstein Kiel. Die Störche spielen immerhin zwei Ligen höher als Rot Weiss. Trotzdem ist da Hoffnung zu spüren; an der Hafenstraße, wohin sich trotz Corona-Situation einige Fans eingefunden haben. Nur ins Stadion und auf das Gelände dürfen sie nicht, es ist gesperrt.

„Es hält mich nichts auf der Couch“, sagt Ralf Baumann, der in seinem mit RWE-Fahne geschmückten Auto sitzt. Und wehmütig dorthin schaut, wo er sonst seit den 70ern die Spiele seines Vereins verfolgt: ins Stadion. Nicht auszudenken, was dort an diesem Abend los wäre, gäbe es dieses Virus nicht.

Erinnerungen an erfolgreichere RWE-Zeiten kommen hoch

RWE-Fan Ralf Baumann verfolgt das Viertelfinale in seinem Auto an der Hafenstraße – er hört Radio.
RWE-Fan Ralf Baumann verfolgt das Viertelfinale in seinem Auto an der Hafenstraße – er hört Radio. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Da fehlt einfach was im Leben“, sagt der 57-Jährige, der schon beim sensationellen 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Bayer Leverkusen ans Stadion gefahren war, um zumindest ein bisschen dabei zu sein, wenn sich sein Verein anschickt, es den Großen zu zeigen. Zu denen sich einst auch RWE zählen durfte. Aber das ist lange her.

Ralf Baumann denkt an diesem Abend gerne an das Jahr 1994 zurück. „Natürlich war ich in Berlin dabei“, sagt er und meint den Tag, als Rot Weiss gegen Werder Bremen im Finale stand. „Das war ein Riesending!“

Fehlentscheidung leitet die RWE-Niederlage ein

Und ein bisschen ist da auch heute Abend die Hoffnung, dass RWE-Fans rufen können: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“. Es soll aber anders kommen. Bis zu dieser Fehlentscheidung von Schiedsrichter Markus Schmidt. Der gab Elfmeter gegen Essen nach einem angeblichen Foul, was offensichtlich keines war. Rot-Weiss Essens Vorsitzender Marcus Uhlig soll noch in der Halbzeit im TV sagen: „Das ist eine ganz krasse Fehlentscheidung, ein Riesen-Skandal.“ Und auch Ralf Baumann und die anderen Fans in der Nähe des Stadions haben daran zu Knabbern. Aber sei es drum.

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Kurz nach dem 0:2 zünden Fans außerhalb des Stadions ein Feuerwerk.
Kurz nach dem 0:2 zünden Fans außerhalb des Stadions ein Feuerwerk. © Unbekannt | Getty Images

Als zwei Minuten nach dem von Kiel verwandelten Elfmeter das 0:2 fällt, jagen RWE-Fans in der Nähe ein Feuerwerk in die Luft. Im Stadion ist das zu sehen und soll den Rot Weissen auf dem Feld Mut machen, Hoffnung geben. Im Vorfeld hatten die Stadt Essen und die Polizei angekündigt, dass das Stadiongelände gesperrt sein wird. Das Feuerwerk wurde auch nicht auf dem Gelände, sondern dahinter gezündet.

Trotz dieser kurzen, bunten und lautstarken Fan-Unterstützung soll an diesem Abend nicht mehr reichen für RWE. Letztlich geht das Spiel mit 0:3 verloren. Schon kurz vor dem Abpfiff sagt RWE-Fan Baumann: „Es ist eine enorme Leistung, die die Jungs gebracht haben. Der Elfmeter war gemauschelt.“

Dieses Mal bleibt ein Autokorso aus

Dirk Soltek (39) und Tochter Chiara (13) verfolgen das DFB-Pokal-Viertelfinale auf dem Smartphone.
Dirk Soltek (39) und Tochter Chiara (13) verfolgen das DFB-Pokal-Viertelfinale auf dem Smartphone. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Enttäuscht ist auch Chiara (13) nicht wirklich, die zusammen mit ihrem Vater Dirk Soltek (39) in der zweiten Halbzeit zur Hafenstraße gekommen ist. Auf dem Bürgersteig sehen sie zusammen auf dem Smartphone-Bildschirm, was wenige Hundert Meter entfernt auf dem Rasen passiert. Die erste Hälfte hatten sie noch Zuhause geschaut, es dort aber wohl nicht mehr ausgehalten.

Als Gewissheit herrscht, dass es nicht ins Halbfinale geht, sagt Dauerkarteninhaber Dirk Soltek: „Ich bin stolz auf das Team. Und jetzt geht es nur noch um den Aufstieg.“ Seine Tochter Chiara hat ihr erstes RWE-Spiel im Maxi-Cosi erlebt. 13 Jahre später sagt sie über den RWE: „Das ist richtig cool. Manchmal stehe ich sogar selbst auf dem Platz.“ „Als Fahnenmädchen“, ergänzt ihr Vater.

Einen Autokorso mit Feuerwerk wie beim Sieg gegen Leverkusen gibt es nach der Niederlage nicht. Auch in der Nähe der Tankstelle Ecke Bottroper Straße/Hafenstraße – wo beim Sieg gegen Bayer gefeiert wurde – bleibt es ruhig. Am Donnerstagmorgen wird die Polizei auf Nachfrage sagen: „Die Lage in der Nacht war polizeilich wie das Spiel aus RWE-Sicht – eine Nullnummer“. Zwar sieht man nach dem Spiel einige Fans, die auch zu der Kreuzung gekommen sind, aber die Polizei ist mit vielen Kräften vor Ort und lässt nichts anbrennen.

Ralf Baumann nimmt nach Schlusspfiff die Fahne von seinem Auto. Sein Besuch an der Hafenstraße ist vorbei. Kurz bevor er fährt, sagt er: „Wir durften träumen, enttäuscht sind wir nicht.“