Essen-Kettwig. Das alte Kesselhaus der Scheidt’schen Fabrik an der Ruhr soll wiederbelebt werden. Die Grundstücksgesellschaft Kettwig stellt ihre Pläne vor.
Das 1911 erbaute Kesselhaus der ehemaligen Kammgarnspinnerei der Johann-Wilhelm-Scheidt-AG in Kettwig wird umgebaut: Dort, wo einst große Kessel mit Kohle befeuert wurden, um mit dem dadurch erzeugten Dampf die angrenzenden Produktionshallen zu beheizen, realisiert die Grundstücksgesellschaft Kettwig als Eigentümerin bis Ende 2023 ein Bürogebäude.
Für den Denkmalschutz entsteht ein „Haus im Haus“
Es entstehe ein „Haus im Haus“, erklärt Architekt Frank Ahlbrecht, um in die Außenhaut des denkmalgeschützten Gebäudes so wenig wie möglich einzugreifen, gleichzeitig aber auch Büroraum zu schaffen, der aktuellen Anforderungen entspricht. Das meint Barrierefreiheit, Multifunktionalität in der Raumgestaltung, Aufenthaltsqualität, Energieeffizienz. Dazu werden drei Wände im Kesselhaus hochgezogen und zwei Geschossebenen gebildet.
Absprachen mit dem Denkmalamt getroffen
Die vierte Wand – sie liegt zur Straße Am Wollboden – wird komplett neu aufgebaut. Dort werden der künftige Eingangsbereich und fünf Fenster platziert, um eine ausreichende Beleuchtung zu gewährleisten. Das geschieht in Absprache mit der Stadt. „Dies war im Ursprung nur eine Innenwand zu den daneben liegenden Produktionshallen“, erläutert Hedwig Rosker-Hansel von der Unteren Denkmalbehörde.
Wichtig sei vielmehr, dass das unter Schutz stehende Ensemble aus Verkauf, Produktion und Energiezentrale der Scheidt’schen Fabrik zwischen Ring-, Bachstraße und Am Wollboden weiterhin als Ganzes erkennbar und erhalten bleibe. Für Kettwig sei das Scheidt’sche Unternehmen von dominanter geschichtlicher Bedeutung. Nun werde Altes und Neues verbunden, es entstehe daraus wieder etwas ganz Besonderes.
Kesselhaus ist das „Herzstück“ des Gebäudeensembles
Noch ist das Ganze schwer vorstellbar in der inzwischen von den schweren Turbinen befreiten 15 Meter hohen Halle, die von einem Glasdach abgeschlossen wird. Von den Wänden bröckelt der Putz, Reste von Arbeitsmaterialien, Leitern, Eimer, Karren und Kanister liegen verstreut herum. An der Wand hängt ein noch intakter Spiegel, während an anderer Stelle Kabelstränge funktionslos im Nichts enden. Fast ein „Lost Place“, ein vergessenes Gelände – aber eben nur fast.
„Wir haben lange überlegt, welchen Bereich wir nach der Alten Direktion umbauen und zu neuer Nutzung verhelfen können“, sagt Gabriele Scheidt, die mit ihrem Bruder Carl Eduard Scheidt die Geschäftsführung der Grundstücksgesellschaft Kettwig mbH & Co. KG inne hat. Die Wahl sei auf das Kesselhaus gefallen, „das Herzstück des Gebäudeensembles“. Zwei Jahre habe man die Pläne mit dem Architekturbüro entwickelt, den hohen zeitlichen und geldlichen Aufwand kalkuliert. Von vier Millionen Euro Investitionssumme geht Carl Eduard Scheidt aus. Ob es Förderungen geben werde, sei noch nicht geklärt.
Gläsernes Atrium hat eine Höhe von 15 Metern
Bis Ende 2021 soll der Bauantrag für die Sanierung des Kesselhauses zu einem Bürogebäude mit einer Bruttogesamtfläche von rund 1306 qm eingereicht werden. Das Bodengutachten liege schon vor, berichtet Architekt Frank Ahlbrecht. Die erste Hürde sei die Verfüllung der Kellergänge, die einst zur Kohlenlagerung dienten, nun aber durch aufsteigendes Grundwasser nass seien. Besondere Aufmerksamkeit müsse zudem dem quadratischen Kamin gewidmet werden, der in einen runden Schornstein mündet – und weit sichtbar die Scheidt’schen Hallen überragt. Auch er ist denkmalgeschützt und muss aufwendig saniert werden. https://www.waz.de/staedte/essen/die-alte-scheidtsche-fabrik-in-kettwig-soll-umgebaut-werden-id233611253.html
Die geplanten vier Büroeinheiten sollen eine Größe zwischen 165 und 235 qm und einer Deckenhöhe zwischen drei und vier Meter Höhe haben. Sie gruppieren sich um ein gläsernes Atrium von 15 Metern Höhe. Eine Glaslaterne schließt den begrünten Innenhof nach oben hin ab. „Wir werden zwei Bäume pflanzen, um diesen Innenhof in besonderer Weise aufzuwerten“, kündigt Gabriele Scheidt an.
Offene Bauweise bietet eine flexible Gestaltung der Büroeinheiten
Die offene Bauweise im Erd- und Obergeschoss ermögliche ein hohes Maß an Flexibilität, so dass je nach Flächenbedarf das Gebäude auch etagenweise oder gegebenenfalls als Gesamtobjekt vermietbar sei. Als Zielgruppe sieht die Geschäftsführung der Grundstücksgesellschaft Mieter im Bereich der New Economy.
„Vielen Firmen ist es inzwischen wichtig, dass sie sich eben nicht in einem gesichtslosen Gebäude ansiedeln, sondern in einem Gebäude mit Vergangenheit.“ In diesem Falle mit industriegeschichtlicher Vergangenheit. Die Lage in unmittelbare Nähe zur Ruhr sowie zur Kettwiger Altstadt sorgten zudem für einen hohen Erholungswert in der Mittagspause.
Es gibt zwei Nachmieter für „Pitstop“-Zentrale
Die problemlose Nachvermietung der „Pitstop“-Zentrale habe gezeigt, dass Firmen qualitativ hochwertigen Büroraum suchten: In die „Alte Direktion“ ziehen demnächst ein Immobilienentwickler und ein IT-Unternehmen ein. Auch die EWG (Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft) unterstützt die Grundstücksgesellschaft Kettwig, unter anderem bei der Vermarktung des einstigen Kesselhauses.
Bauherrin Gabriele Scheidt ist zuversichtlich, das Projekt in dem geplanten Zeitrahmen umsetzen zu können. „Wir haben ja noch vieles andere vor“, sagt sie und schmunzelt. In hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft präsentiere sich das denkmalgeschützte Industrieensemble mit einer besonderen Aufenthaltsqualität. Geplant sei, das alte Pflaster wieder sichtbar zu machen – „und eine Gastronomie hier anzusiedeln, wäre doch toll – oder?“