Essen. Die Zahl der Radfahrer ist auf Essens Umweltspur auch ein Jahr nach der Eröffnung überschaubar. Woran liegt das? Ein Praxistest gibt Aufschluss.
Dass Essens erste Umweltspur so ihre Tücken hat, zeigte sich bereits beim ersten Praxistest kurz nach der Eröffnung. Ein Jahr ist das her. Damals begegneten mir auf der knapp drei Kilometer langen Strecke zwei weitere Radfahrern. Inzwischen sollen es mehr sein, die sich trauen. Doch immer noch sind es wenige, wie eine Zählung im Auftrag der Stadt ergab. Woran liegt’s? Ein Jahr nach der Umweltspur-Eröffnung wage ich mich erneut auf die Piste.
Von der Freiheit am Hauptbahnhof geht es abwärts, bis die rechte Fahrspur an den Helbingbrücken unvermittelt zum Fahrradweg wird. Der führt über eine kurze, rot gepflasterte Rampe auf die „Protected Bike Lane“, den „ersten geschützten Radfahrstreifen im Ruhrgebiet“, wie es vonseiten der Stadt nicht ohne Stolz heißt.
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Bevor ich nach links in den Tunnel abbiegen, heißt es: Vorfahrt achten! Von rechts könnten Radfahrer aus der Weiglestraße heranrauschen. Diese Strecke ist für Fahrradfahrer vorgesehen. Kürzer ist der direkte Weg über die starkbefahrene Helbingstraße. Doch wer dort im dichten Verkehr entlang radelt, braucht gute Nerven.
Die „Protected Bike Lane“ führt uns durch die Unterführung der Bernestraße. Eine achtzig Zentimeter hohe Betonmauer trennt die Fahrradspur vom fließenden Verkehr. Dahinter lässt es sich sich bequem und sicher radeln. 485.000 Euro hat der geschützte Fahrradstreifen die Stadt gekostet. Vom Fahrradsattel aus gesehen, ist das Geld gut angelegt.
Bei der Beschilderung der Umweltspur hat die Stadt Essen inzwischen nachgerüstet
Am Ausgang der Unterführung geht es weiter über den Varnhorstkreisel und den Radweg entlang der Bernestraße, bis dieser in Höhe des katholischen Stadthauses unvermittelt endet. Plötzlich schwimmt man wieder mit im Verkehr, der aber glücklicherweise merklich nachlässt. Autofahrer, die in Richtung Altenessen wollen, sind da bereits im nächsten Tunnel verschwunden. Geradeaus fahren darf mit dem Auto nur, wer hinter der Rathaus-Galerie nach links in die nördliche Innenstadt abbiegt. Alle anderen müssen bereits an der Alten Synagoge nach rechts in die Alfredistraße abbiegen. Linienbusse und Radfahrer sind davon ausgenommen.
Anfangs sorgte das bei so manchem für Verwirrung, waren es Autofahrer doch seit Jahrzehnten gewohnt, auch oberirdisch weiter in Richtung Essener Norden zu fahren. Inzwischen hat die Stadt bei der Beschilderung nachgerüstet. Dennoch muss man ganz genau hinsehen. Hoffentlich versteht der junge Mann am Steuer neben mir, dass die vorgeschriebene Fahrtrichtung nach rechts für ihn gilt, nicht aber für mich als Radfahrer.
Die Ampelschaltung lässt Fahrradfahrern drei bis vier Sekunden Vorsprung
Auf der Umweltspur geht es weiter geradeaus auf der Schützenbahn. In Höhe des Welcome Hotels führt der Radweg plötzlich auf den Gehweg bis zur Gerlingstraße. Als dort die Fahrradampel grün zeigt, darf ich auf der Fahrbahn Aufstellung nehmen, hinter mir der wartende Autoverkehr. Die Ampelschaltung lässt mir drei bis vier Sekunden Vorsprung, um mich nach links in Richtung Viehofer Platz einzuordnen. Bald darauf holen mich die ersten Autofahrer ein und rauschen links wie rechts an mir vorbei. Ich verlasse mich darauf, dass niemand im letzten Moment, die Fahrspur wechselt und bin erleichtert, als ich den Viehofer Platz hinter mir habe.
Der Rest der Strecke liegt schnell hinter mir. Hinter der Gladbecker Straße endet die rot markierte Umweltspur am Universitätsviertel. Wissen die Autos hinter mir, dass ich auch weiter geradeaus fahren könnte in Richtung Limbecker Platz? Ich ziehe es vor umzudrehen.
Vor dem Tunnel am Varnhorstkreisel ist für Radfahrer plötzlich Schluss
Der Weg zurück gestaltet sich problemlos. Die Umweltspur ist zunächst so breit, dass mich auch Linienbusse überholen dürfen. Dennoch bin ich froh, dass gerade keiner vorbeikommt. Bevor die Straße hinter dem Varnhorstkreisel wieder im Tunnel verschwindet, ist plötzlich Schluss. Die dort rot markierte Fahrradspur endet wie abgeschnitten im Nirgendwo.
Die Hinweisschilder, die Radfahrer den Weg wahlweise nach Huttrop oder in die Innenstadt weisen, habe ich wahrgenommen. Nicht aber das klitzekleine Stückchen Umweltspur, das mich aus dem Kreisverkehr herausführt. Süß. Dass es wieder in Richtung „Protected Bike Lane“ geht, muss man als Fahrradfahrer wissen. Auf den ersten Blick erschließt es sich nicht.
Fazit: Ich kann Mirco Sehnke, dem Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) nur zustimmen: Essens Umweltspur ist eine Alternative zur Radroute quer durch die Innenstadt, doch sie ist nur etwas für geübte Radfahrer. Ortskenntnis ist hilfreich, denn die Beschilderung gerade in Richtung Süden lässt zu wünschen übrig. Auch der Anschluss an das Radwegenetz ist verbesserungswürdig. Wer sich auf dem Rad unsicher fühlt, sollte die Umweltspur lieber meiden.