Essen. Rat fasst Resolution zur Ansiedlung des nationalen Fotozentrums. Essener Institute sehen Sachargumente auf ihrer Seite. Machbarkeitsstudie läuft.
Ein Bild, so heißt es, sagt mehr als tausend Worte. Doch im Ringen um den Standort des geplanten Bundesinstituts für Fotografie kommen die Fürsprecher aus Essen und Düsseldorf derzeit nicht um viele Worte herum. Die diversen Abgeordneten-Briefe, Resolutionen und Konzepte, die auf den Schreibtischen von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen landen, machen vor allem eines deutlich. Trotz der Empfehlung der Expertenkommission, die bereits im März Essen als Standort empfohlen hat, bleibt die Ansiedlung des Fotozentrums ein Streitpunkt.
Vor allem Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD) drängt mit starken Worten auf eine Ansiedlung am Rhein und hat bereits Beschlüsse über die baureife Erschließung eines Grundstücks am Hofgarten auf den Weg gebracht. Seiner Meinung nach sind die für das Fotozentrum von Bund und Land bereits 2019 bewilligten Millionen an den Standort Düsseldorf gebunden und die Sachlage damit klar. In Essen will man auf Geisels Vehemenz zwar mit Besonnenheit reagieren, setzt aber doch klare Zeichen. Mit einer Resolution aller Fraktionen hat sich der Essener Rat vor den Sommerferien geschlossen für ein Fotoinstitut auf der Zeche Zollverein stark gemacht.
In Essen gibt es viel Rückenwind für das Renommeeprojekt
Der Rückenwind für das Renommeeprojekt ist groß. Er kommt von den Essener Stiftungen – RAG-, Eon-, Brost-, Innogy- und Krupp-Stiftung – und wird auch parteiübergreifend von allen Landtags- und Bundestagsabgeordneten getragen. „Das Bundesinstitut gehört nach Essen - diese eindeutige und gut begründete Standort-Empfehlung muss die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen bilden“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring. „Je schneller diese klare Entscheidung fällt, umso effizienter können die Mittel eingesetzt werden.“ Ähnlich äußerst sich sein CDU-Bundestagskollege Matthias Hauer: „Die Sachgründe sollten entscheidend sein, da haben wir in Essen die Nase vorn.“
Auch Essens Kunst- und Fördervereine vom Folkwang-Museumsverein bis zu Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein haben in einem Brief an Ministerin Pfeiffer-Poensgen und NRW-Ministerpräsident Armin Laschen unlängst ihre „Unterstützung für ein Bundesinstitut für Fotografie in Essen“ betont. Sie verweisen auf die über 100-jährige Tradition Essens als wichtiger Standort für Fotografie, an die umfangreichen und einzigartigen Sammlungen im Bereich der dokumentarischen und künstlerischen Fotografie seit dem 19. Jahrhundert, die das Historischen Archiv Krupp, Ruhr Museum und Museum Folkwang aufbewahren und die Bedeutung der Folkwang Universität der Künste mit ihren zahlreichen Fotografie-Professuren. Die Strahlkraft dieser Institutionen und ihre produktive Zusammenarbeit lasse sich sich für die Umsetzung der Institutspläne synergetisch nutzen.
Verwunderung über die vorauseilende Entscheidung in Berlin
Während man in Essen also über „optimale Bedingungen und eine exzellente Expertise für das Fotografie-Institut“ verfüge, wie es im Ratsbeschluss heißt, pocht man in Düsseldorf auf die Umsetzung einer Entscheidung, die der Finanzausschuss in Berlin bereits 2019 getroffen hat – Wochen bevor das von Grütters einberufene Expertengremium erstmals zusammengekommen war. Bis heute herrscht Verwunderung über diese vorauseilende Entscheidung und wie ohne jegliche Konzept- und Raumplanung damals die bewilligte Summe von 41,5 Millionen Euro zustande gekommen ist. Eine Zahl, die das Land NRW als Co-Finanzierung noch einmal verdoppeln will.
Gewiss ist nur: Längst war da schon ein Konzept des Düsseldorfer Starfotografen Andreas Gursky im Umlauf, der sein Papier „zur Gründung eines Deutschen Fotoinstituts (DFI) in Düsseldorf“ gerade noch einmal frisch überarbeitet als 23-seitiges Exposé an alle wichtigen Fotografie-Adressen im Land verschickt hat. Das DFI wird darin als Ort vorgestellt, an dem „das Verständnis der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Fotografie vertieft und vermittelt wird.“ Vielen gilt Gurskys Konzept aber zu stark auf die zeitgenössische Fotografie ausgerichtet, während das Bundesinstitut doch vor allem die analogen Fotosammlungen und Nachlässe bedeutender Fotografen sichern soll.
„Unsere Idee ist es, die gesamte Community einzubinden“
Am Museum Folkwang macht man, finanziell unterstützt von der Krupp-Stiftung, mit der Einrichtung einer Restaurierungswerkstatt bereits einen konkreten Schritt. Auch der wichtige Aspekt der Vernetzung wird von Ruhr Museum, Museum Folkwang, dem Historischen Archiv Krupp und der Folkwang-Uni schon praktiziert. Regelmäßig seien derzeit Archive und Institute wie die Deutsche Fotothek Dresden in Essen zu Gesprächen eingeladen“, berichtet Folkwang-Professorin Elke Seeger. „Unsere Idee ist es, die gesamte Community einzubinden.“
Dass ein nationales Fotoinstitut nur dann Erfolg haben kann, wenn es von einem breiten Netzwerk getragen wird, gilt in Essen als unstrittig. Ob es jedoch Sinn macht, zwei Standorte am Ende zu „verlinken“, wie es Grütters zuletzt andeutete, als sie neben Essen einen „Showroom“ für Düsseldorf ins Spiel bracht, sei dahingestellt. Galt bislang doch die Ansage, dass das Bundesinstitut keine Konkurrenz zu den Museen sein will, die die Fotografie längst erfolgreich in ihr Ausstellungsprogramm integriert haben. In der Machbarkeitsstudie, die Grütters bei der Partnerschaft Deutschland GmbH für Essen in Auftrag gegeben hat, soll nun aber auch „der mögliche Standort Düsseldorf berücksichtigt werden“. Das Ergebnis soll Anfang 2021 vorliegen. Möglich, dass der Papierkrieg bis dahin weitergeht.