Essen. Bei Tempo 300 hob das Auto von der A52 in Essen ab. Beifahrerin Gina Pfeiffer starb, der Fahrer blieb unverletzt. Jetzt ist das Urteil gefallen.
- Im Saal 182 des Essener Amtsgerichtes ist am Montag der Prozess gestartet: Der Fahrer steht nun vor Gericht. Bei Tempo 300 verlor er am 20. März 2019 die Kontrolle über sein McLaren 570 S Coupe, Gina Maria Pfeiffer verlor durch den Unfall ihr Leben. Der Fahrer blieb nahezu unverletzt. Zu dem McLaren-Unfall liegen verschiedene Gutachten vor.
- Das Gericht hat den Mann zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Die Staatsanwältin hat dem heute 25-jährigen Fahrer einen Fahrfehler vorgeworfen
- Der Angeklagte spricht hingegen von einem technischen Defekt. Er sei nur 140 bis 150 km/h gefahren, als sich der Wagen nicht mehr steuern ließ.
Nach einem tödlichen Autobahnunfall bei mindestens Tempo 286 ist am Montag in Essen der Fahrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der 25-Jährige muss außerdem eine Geldstrafe in Höhe von 25 000 Euro zahlen. Daneben verpflichtete ihn das Essener Amtsgericht zu 500 Arbeitsstunden. Das Gericht entzog ihm außerdem seinen Führerschein. Zwei Jahre lang darf er keinen neuen machen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Urteilsbegründung zufolge verlor der junge Mann am späten Abend des 20. März 2019 auf der Autobahn 52 in Essen die Kontrolle über seinen 570 PS starken Sportwagen und kam damit von der Fahrbahn ab. Dabei wurde seine 18 Jahre alte Beifahrerin aus dem Auto geschleudert und getötet. Der Fahrer wurde leicht verletzt. Der Unfall geschah auf einem Autobahnabschnitt im Essener Süden, in dem es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt.
Mutter des Opfers: "Ich bin erleichtert"
Er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, sagte Richterin Heike Stumm in der Urteilsbegründung. „Die Autobahnen sind nicht dafür ausgelegt, hemmungslos darauf herumzurasen. Das Fahrzeug war für den Angeklagten in der konkreten Situation nicht beherrschbar.“ Einen technischen Defekt schloss das Gericht aus. Stumm sprach von einem hohen Maß an Selbstüberschätzung, geistiger Unreife und Rücksichtslosigkeit.
Die Mutter der Getöteten äußerte sich nach dem Urteil zufrieden. „Ich bin erleichtert und sehr froh, dass er jetzt zwei Jahre hat, um zu sehen, was er getan hat.“ Sie war in dem Prozess als Nebenklägerin aufgetreten.
So haben wir im Vorfeld des Prozesses berichtet
Im Saal 182 des Essener Amtsgerichtes trafen die Eltern von Gina Maria Pfeiffer zum ersten Mal bewusst auf den Mann, der ihnen laut Anklage ihre Tochter genommen hat. 18 Jahre alt war sie, als der Bredeneyer am 20. März 2019 bei Tempo 300 die Kontrolle über sein McLaren 570 S Coupe verlor. Der Rennwagen schleuderte von der Fahrbahn der A52 bei Kettwig und prallte gegen einen Baum. Gina Pfeiffer, die Beifahrerin, starb sofort, der Fahrer blieb nahezu unverletzt. Jetzt muss er sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten.
Fast eineinhalb Jahre sind vergangen, seitdem die Eltern vom Tod ihrer Tochter erfahren haben. So lange warten sie auf eine Antwort, warum die 18-Jährige aus dem Leben gerissen wurde, warten sie auf die Bestrafung des heute 25 Jahre alten Fahrers. Erst zwei Tage zuvor hatte er den 570 PS starken Rennwagen für eine Monatsrate in Höhe von 1425,62 Euro geleast.
McLaren-Unfall: Staatsanwältin geht von Fahrfehler aus
Einen Fahrfehler wirft Staatsanwältin Birgit Jürgens dem Angeklagten vor. Er habe Zeit genug gehabt, den Fehler nach Passieren einer leichten Bodenwelle zu korrigieren. Dies habe er unterlassen, und diesen aus ihrer Sicht erfolgten Fehler wirft sie ihm als fahrlässige Tötung vor. Gegen Verkehrsvorschriften habe er nicht verstoßen, weil auf diesem Abschnitt der A 52 kein Tempolimit gelte.
Aber um diese Frage ist mittlerweile ein Gutachterstreit entbrannt. Staatsanwältin Jürgens stützt sich in ihrer Anklage auf den von der Polizei beauftragten Kfz-Sachverständigen Martin Wende aus Langenfeld, der auf seiner Homepage mit einer 24-jährigen Berufserfahrung wirbt. Er hatte errechnet, dass der McLaren rund 300 km/h auf dem Tacho hatte, als der Fahrer die Kontrolle verlor.
McLaren-Unfall: Angeklagter spricht von technischem Defekt
Vom Angeklagten selbst war bisher kaum etwas zum Unfall zu hören. Direkt danach hatte er von einem technischen Defekt am Wagen gesprochen. Er sei nur 140 bis 150 km/h gefahren, als der McLaren sich nicht mehr steuern ließ. In einem aktuell ruhenden Rechtsstreit mit der Leasingfirma hatte sein Anwalt ebenfalls von einem technischen Defekt gesprochen. Laut Klage des Unternehmens hatte der Bredeneyer es versäumt, eine Vollkaskoversicherung für den Wagen abzuschließen. Jetzt will sie für das zerstörte Fahrzeug 116.857,88 Euro von ihm.
Unterstützung für seine Version findet der Angeklagte mittlerweile beim Berliner Kfz-Gutachter Michael Weyde, den sein Verteidiger Roland Rautenberger beauftragt hatte. Das ist der Vorteil, wenn der Mandant aus einem wohlhabenden Bredeneyer Haushalt stammt und Geld für ein zweites Gutachten übrig hat.
Sachverständiger kritisiert den ersten Gutachter
Der Berliner Sachverständige bestätigt zwar das von seinem Kollegen errechnete hohe Tempo von rund 300 km/h. Er wirft seinem Langenfelder Kollegen aber einige Fehler und veraltete Kriterien vor. Nach seiner Ansicht ist ein technischer Defekt nicht auszuschließen, möglich sei auch, dass der Wagen bauartbedingt Auftrieb bekommen und ohne Einflussmöglichkeiten des Fahrers abgehoben habe.
Es werden viele Seiten Papier beschrieben in diesem Ermittlungsverfahren. Rechtsanwalt Jörg Küpperfahrenberg, der Ginas Mutter in der Nebenklage vertritt, sieht das Berliner Gutachten nicht als überzeugend an. Er bricht die technische Diskussion auf einen Punkt herunter: "Tatsache bleibt ja, dass der Wagen zu schnell war und nicht Gina, sondern der 25-Jährige am Steuer saß."
Richterin entzieht dem Fahrer den Führerschein
Auch Amtsrichterin Heike Stumm hat ihre aktuelle Sicht der Dinge bereits dokumentiert. Am 29. April 2020, also mehr als ein Jahr nach dem Unfall, entzog sie dem 25-Jährigen vorläufig die Fahrerlaubnis. Den Schein hatte er nach dem Unfall schnell wieder ausgehändigt bekommen. Ohne Antrag der Staatsanwaltschaft sah Richterin Stumm ihn dennoch als "ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen" an.
Als Begründung führt sie die Straßenverkehrsordnung an. Danach dürfe jeder Autofahrer nur so schnell fahren, wie er seinen Wagen auch beherrschen könne. Der zur Tatzeit 23-Jährige, nach ihrer Ansicht ohne Rennwagenerfahrung, habe die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen weit überschritten. Das Fahrzeug sei für ihn nicht mehr beherrschbar gewesen, und das habe er einkalkulieren müssen.
Befangenheitsantrag zurückgewiesen
Für ihre Rechtsauffassung handelte sie sich einen Befangenheitsantrag von Verteidiger Roland Rautenberger ein. Diesen wies ein anderer Amtsrichter aber zurück.
Ob die Eltern, die beide am Prozess teilnehmen wollen, diese rechtlichen Auseinandersetzungen und technische Details hören wollen, ist im Strafprozess unerheblich. Es geht darum, die Schuld des Angeklagten festzustellen. Dennoch wollen die Angehörigen das Andenken an ihre Tochter gewürdigt sehen. Beide betonen, dass Gina nicht die Freundin des Angeklagten gewesen sei, sondern sie nur zu einer gemeinsamen Clique gehört hätten. Dass sie ein Familienmensch war, erzählen sie, gerade Abitur gemacht hatte, ihr Lebensmittelpunkt war. Doch strafrechtlich wird dies ab Montag kaum die Hauptrolle spielen.
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