Essen. Der Krankenhaus-Konzern Contilia hat sein Parkhaus verkommen lassen und Warnungen ignoriert – bis zur Katastrophe. Auch sonst bleiben Fragen.
Der Krankenhaus-Konzern Contilia hat seit der ungeschickten Schließungspolitik im Essener Norden einen kümmerlichen Ruf, nun gibt es auch noch Ärger auf einem Feld, das wohl niemand auf der Rechnung hatte. Aber gerade wegen dieser Vorgeschichte muss man sagen: Die unverantwortliche Art, wie Contilia das Parkhaus an der Kraftstraße in Borbeck über Jahre seinem Schicksal überließ und zur Halb-Ruine herunterwirtschaftete, passt leider ins Bild.
Contilia ist nicht direkt Schuld an der Tragödie, hat sie aber begünstigt
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Das heißt nicht, dass das Unternehmen direkte Schuld am Tod der beiden Jugendlichen trägt, die am Sonntag aus 18 Metern Höhe in einem Auto vom Parkhausdach auf den Gehweg krachten. Begünstigt aber hat Contilia diese Tragödie, die vermutlich bodenlosen Leichtsinn als Ursache hatte, sehr wohl. Und wie schon in der Krankenhausfrage, gelang und gelingt es Contilia auch diesmal nicht, offen und dem Anlass angemessen zu kommunizieren.
Seit vielen Monaten, mindestens seit Herbst 2021, war bekannt, dass im Parkhaus eine Jugend-Szene nahezu frei schaltete und waltete, deren Wirken mit „groben Unfug“ allzu nachsichtig beschrieben ist. Wenn Flaschen und offenbar sogar schwere Gegenstände wie E-Roller aus großer Höhe auf den Bürgersteig fliegen, wenn Nachbarn aus Angst Umwege in Kauf nehmen, um nur ja nicht am Parkhaus vorbei zu müssen, kann man nicht mehr von Dumme-Jungen-Streichen reden. Hier ist in erster Linie der Eigentümer gefragt, für Ordnung zu sorgen und den widerrechtlichen Zugang zu seinem Eigentum zu unterbinden. Mit „Betreten verboten“-Schildern ist es nicht getan, zumal sie erkennbar niemand beachtet hat.
Seit vielen Monaten war Contilia bekannt, was sich im Parkhaus tat
Die Eigentümer-Verantwortung gilt erst recht, wenn seit nun fast vier Monaten kein Parkhaus-Pächter mehr existiert, hinter dem man sich bis dahin versteckt hatte. Zum Skandal weitet sich der Vorgang, wenn Anwohner in einem Brief an die Bezirksbürgermeisterin ebenso sachlich wie eindrucksvoll die Zustände schildern und mit fast seherischen Fähigkeiten vor „lebensbedrohlichen Situationen“ warnen, die man schon erlebt habe und die man nicht wieder erleben möchte. Das war im November 2021 und – wie man jetzt weiß – alles andere als übertrieben.
Spätestens Anfang Dezember, als es aus diesem Anlass einen Ortstermin mit der Bezirksbürgermeisterin gab, muss Contilia klar gewesen sein, dass sich ihr Parkhaus zu einem Treff entwickelt hatte, der zum Schrecken der Nachbarschaft geworden war und auch der Eigengefährdung der dort versammelten Jugendlichen breiten Raum bot.
Die Hinweise und Klagen der Bürger waren dem Unternehmen aber offenbar gleichgültig und jedenfalls nicht wichtig genug, um die angeblich bereits geplante Sanierung des Borbecker Schandflecks zu beschleunigen. Mindestens hätte man provisorisch die Dinge so regeln müssen, dass nur noch die wenigen Parkberechtigten Zutritt haben – wenn man schon über Jahre baulich alles vergammeln lässt.
Auch Polizei und Stadt Essen müssen sich Fragen stellen lassen
Der Fall zeigt außerdem leider auch, wie zahnlos die Polizei manchmal agiert, wenn es um keineswegs unbedeutende Störungen der öffentlichen Ordnung geht. Und auch die Rolle – besser wohl: Abwesenheit – der städtischen Ordnungs- und Jugendbehörden wird noch zu hinterfragen sein. Es kann jedenfalls nicht sein, dass die normalen gesetzestreuen Bürger ohnmächtig zuschauen müssen, wie ihr Lebensumfeld vor die Hunde geht, ohne dass behördlich entschlossen dagegen vorgegangen wird.
Hier zeigt sich ein sattsam bekanntes Phänomen: Der Staat fühlt sich immer stärker berufen, in die privaten Angelegenheiten der Bürger hineinzuregieren, bis hin zur persönlichen Lebensführung. Aber da, wo er wirklich gefragt wäre und seine Rolle alternativlos ist, etwa beim Thema Innere Sicherheit, herrscht Zurückhaltung bis Versagen, garniert von der Klage, man habe ja keine oder zu wenig Ressourcen. Das ist beschämend und geht an den Bedürfnissen der meisten Bürger komplett vorbei.