Essen-Borbeck. In Essen-Borbeck herrscht nach dem Tod zweier junger Männer Entsetzen. Es gibt Hinweise zu regelmäßigen Partys auf dem Parkdeck.

„Was war denn hier“, fragt ein Zwölfjähriger und zeigt auf die gelben Markierungen der Polizei. „Ist das die Stelle, wo die Menschen gestorben sind“, will er von seinen Freunden wissen. Die drei stehen auf dem Gehweg vor dem Parkhaus in Borbeck, wo Plastikteile des Autos von dem tragischen Unfall zeugen, der sich am Abend zuvor hier ereignet hat. Gestorben sind die Insassen, zwei junge Männer – gerade einmal 19 und 16 Jahre alt. Sie sind vom obersten Deck des Parkhauses etwa 18 Meter in die Tiefe gestürzt.

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Am Tag danach, es ist Ostermontag, blicken viele Menschen an dem Parkhaus an der Kreuzung Stolbergstraße/Otto-Brenner-Straße hoch, sie sind schockiert, entsetzt und haben offenbar das Bedürfnis über das zu sprechen, was in ihrem Stadtteil passiert ist. Den Hergang des Unfalls ermittelt nun die Polizei, es besteht der Verdacht, dass die beiden jungen Männer versucht hatten, auf dem Parkdeck zu driften. Dieser Versuch kostete den 19-jährigen Essener und den 16-jährigen Herner ihr junges Leben, sie erlagen ihren schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Von der obersten Etage dieses Parkhauses in Essen-Borbeck sind zwei Teenager mit dem Auto heruntergestürzt.
Von der obersten Etage dieses Parkhauses in Essen-Borbeck sind zwei Teenager mit dem Auto heruntergestürzt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

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Sie sind mit dem Auto hinaufgefahren, auf das oberste Deck des Parkhauses, das auch am Ostermontag offen steht, es gibt keine Schranke, ein Rolltor ist hochgefahren. Unten in dem runden Schacht liegen Fußmatten, Schreibtischstuhl, Feuerlöscher und Sperrmüll, außen entlang schlängelt sich die Auffahrt vorbei an den unteren Etagen mit weißen Wänden und grünen Säulen, auf diesen Flächen parken einige Fahrzeuge.

Obere Etagen des Parkhauses sind nach dem Unfall gesperrt

Die Weiterfahrt in die oberen Stockwerke blockiert derzeit ein Kleinwagen. Diese Etagen sind leer und beschmiert. Schmücken bunte Delfinbilder die Außenfassade des Parkhauses, so ist innen in den oberen Geschossen keine Wand vor illegalen Graffiti verschont geblieben. Free Cemo oder auch Shako steht da, neben bunten Sprühereien und immer wieder Beleidigungen von Polizisten. Auf dem Boden liegen Pizzakartons, Plastikbecher, Getränkeverpackungen, eine Zigarettenschachtel. „Rauchen ist tödlich“ steht darauf – für die beiden Teenager war es ihre Fahrt auf das oberste Deck.

An der Unfallstelle vor dem Parkhaus in Essen-Borbeck liegen Plastikblumen für die jungen Opfer, zwei Kerzen haben Passanten angezündet.
An der Unfallstelle vor dem Parkhaus in Essen-Borbeck liegen Plastikblumen für die jungen Opfer, zwei Kerzen haben Passanten angezündet. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Dieses Parkdeck soll ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche sein, die sich dort treffen, trinken und waghalsige Aktionen starten. „Bürgerinnen und Bürger haben uns berichtet, dass auf dem Parkdeck abends Unfug getrieben wird“, bestätigt auch Kevin Kerber, stellvertretender Bezirksbürgermeister. Es seien sogar Jugendliche beobachtet worden, die auf der Balustrade in 18 Metern Höhe balanciert seien.

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In der Vergangenheit sei das Parkhaus nachts mit dem Rolltor durchaus gesichert gewesen, doch das stehe lange schon dauerhaft offen, der Eigentümer habe nicht reagiert. Auch in den sozialen Medien werfen Nutzerinnen und Nutzer viele Fragen nach der Sicherheit im Parkhaus auf. Manche Borbecker beklagen, dass das Parkhaus bereits geraume Zeit abends und nachts von Jugendlichen für Partys genutzt worden sei. All dies dürfte Teil der Ermittlungen sein, die die Polizei Essen aufgenommen hat.

Plastikrosen und Kerzen am Unfallort in Borbeck

Die Markierungen der Beamten leuchten jetzt auch auf dem Boden des obersten Parkdecks gelb, sie führen zu dem Loch in der Brüstung, die der grüne Golf durchbrach. Die Lücke schließt jetzt ein weißer Bulli samt Flatterband. Auf der linken Seite fällt das ebenfalls völlig besprühte Treppenhaus in bunten Farben auf, während davor zwei beinahe ordentlich wirkende blaue, gepolsterte Stühle stehen. Der Boden hier oben ist übersät von Glasscherben der Flaschen, deren Inhalt Bier oder Biermixgetränke gewesen sind. Der Asphalt wölbt sich an vielen Stellen zu kleinen Hügeln.

In dem Parkhaus in Essen-Borbeck, das als beliebter Treffpunkt für Jugendliche gelten soll, sind in den oberen Etagen keine Wand und keine Fläche von illegalen Sprühereien verschont geblieben.
In dem Parkhaus in Essen-Borbeck, das als beliebter Treffpunkt für Jugendliche gelten soll, sind in den oberen Etagen keine Wand und keine Fläche von illegalen Sprühereien verschont geblieben. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Weit über Borbeck und darüber hinaus reicht die Aussicht, neben dem Parkhaus befinden sich Wohnhäuser wie ein Spielcasino, ein Schild an der Wand zeugt noch vom früheren Fachgeschäft für Haushaltsgeräte Balster, das 2019 nach 60 Jahren für immer schloss. Unweit liegen Dionysiusschule und Philippusstift.

Im Parkhaus selbst sollen Jugendliche immer wieder abhängen: So erzählt es auch ein Jugendlicher unten neben der Unglücksstelle, wo inzwischen vier Plastikrosen liegen und zwei Kerzen für die jungen Unfallopfer brennen. Von Autofahrten im Parkhaus berichtete er nicht, aber davon, dass er einen der Insassen schon sehr lange gekannt habe.

Borbecker berichten von Partys und waghalsigen Aktionen im Parkhaus

Auf dem obersten Deck des Parkhauses in Borbeck liegen zersplitterte Glasflaschen, alles ist voll mit Scherben.
Auf dem obersten Deck des Parkhauses in Borbeck liegen zersplitterte Glasflaschen, alles ist voll mit Scherben. © WAZ | Dominika Sagan

„Jetzt, wo etwas passiert ist, da kommen plötzlich alle“, kritisiert eine junge Anwohnerin. Die letzten Jahre aber habe die Situation keinen interessiert – ob sie die Treffen der Jugendlichen meint, die möglicherweise über die Stränge schlagen, sagt sie nicht. „Man muss doch wissen, wo die Grenze ist“, sagt ein Mann im Vorbeigehen zu dem waghalsigen Manöver, das die jungen Männer mit ihrem Leben bezahlt haben. „Wären sie doch lieber vor einen der Pfeiler gefahren“, sagt ein anderer. Ob sie dann überlebt hätten, bleibt ungewiss, bei dem Sturz jedenfalls hatten sie offenbar keine Chance.

„Ich gehe da nie wieder hinauf“, sagt der Zwölfjährige zu seinen Freunden. Sie versuchen noch zu begreifen, was hier passiert ist, haben sie doch wie so viele, die zahlreichen Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht sowie die Rettungskräfte am frühen Abend gesehen. „Den Hubschrauber auch“, sagt der Junge.

Und ein Radfahrer ruft: „Ist das ein Teil vom Auto?“ Ob das wohl so weit geflogen sei, fragt er sich, da die Markierungen der Polizei bis hinter die Straßenbahnschienen vor dem Parkhaus reichen. Dort liegt allerdings ein Teil der Brüstung, die das Auto durchbrochen hat, während Plastikteile des Fahrzeugs sich auf der Wiese und auf dem Gehweg verteilen. Dort bleiben die meisten Passanten stehen, einer spricht aus, was hier wohl alle am Tag danach denken: „So jung, mein Gott, ist das traurig.“