Essen-Kettwig. Neben Eiern und Kartoffeln verkauft Benedikt Kaschinski Wurstwaren aus dem Fleisch von Bruderhähnen. Wie der Landwirt sich ums Tierwohl sorgt.

Wer die Laupendahler Landstraße von Kettwig nach Werden entlang fährt, entdeckt auf der Wiese drei dunkelgrüne Holzgebäude: Hier leben rund 3500 Legehennen in mobiler Freilandhaltung. Die Tiere gehören Benedikt Kaschinski. Der 43-jährige Landwirt wollte ein Zeichen setzen für das Tierwohl. Die Hennen haben viel Auslauf, Licht und Luft. „Ich halte zudem nur noch Hennen, deren Bruderhähne nicht als Tagesküken getötet werden.“

Zusätzlich unterstützt Kaschinski die Fleischerzeugung aus den Bruderhähnen. Die männlichen Küken der Legehennen werden nicht gleich getötet, wie sonst vielerorts. Sie wachsen in einem Bio-Betrieb in Rheda-Wiedenbrück auf. Nach 15 Wochen werden die Tiere zu Fleisch und Wurst verarbeitet. „Bis dahin“, so Kaschinski, „haben die Hähne in Westfalen genügend Auslauf in der Natur und dürfen viel frisches Gras fressen.“

Tierfreundliche Aufzucht des männlichen Federviehs

Die Hühner der Rasse Lohmann Brown können jederzeit den Stall betreten und verlassen.
Die Hühner der Rasse Lohmann Brown können jederzeit den Stall betreten und verlassen. © FFS | André Hirtz

Aus dem Partnerbetrieb bekommt der Mühlenbergshof in der Oefte die Geflügelprodukte aus dem männlichen Federvieh. Sehr beliebt sei etwa die Currywurst im Glas. Sie gibt es im Automaten, wie Wiener, Geflügel-Bolognese, Hühnersuppe, Fleischwurst oder Frikadellen. Die Auswahl ist groß. Die Kunden seien zufrieden. „Mit dem Kauf unterstützen sie die tierfreundliche Aufzucht.“

Zu Mastgeflügel eignet sich der schlanke Bruderhahn kaum. „Er setzt wenig Fleisch an. Lange hielt man die Tiere für unprofitabel. So wurden sie gleich nach dem Schlüpfen mit CO2-Gas betäubt und getötet. Als Futter wurden sie unter anderem in Zoos verwertet“, erläutert der Landwirt.

Das Töten männlicher Eintagsküken ist ab Ende 2021 verboten

Das Schreddern lebendiger Küken – ein Bild, das viele im Kopf haben – sei in Deutschland allerdings immer verboten gewesen. „Das hat sich hier aber so festgesetzt.“ Das Töten männlicher Eintagsküken wird hierzulande per Gesetz ab Ende 2021 verboten. Es sei ethisch nicht vertretbar, dass Tiere nach dem Schlüpfen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerin.

Im Hofladen des Mühlenbergshofs gibt es neben Eiern und Nudeln auch die Fleischprodukte des Partnerbetriebs.
Im Hofladen des Mühlenbergshofs gibt es neben Eiern und Nudeln auch die Fleischprodukte des Partnerbetriebs. © FFS | André Hirtz

Mit der Geschlechtserkennung im Ei haben Betriebe neue Möglichkeiten. Zwei Verfahren vermeiden das frühe Kükentöten: Beim ersten entnimmt man aus wenige Tage bebrüteten Eiern etwas Flüssigkeit durch ein winziges Loch, um das Geschlecht zu bestimmen. Bei der zweiten Methode wirft man ein spezielles Licht aufs Ei, um männliche Küken zu entdecken. Sie werden dann nicht weiter bebrütet und die Eier zu Futter verarbeitet.

Die mobilen Ställe werden mit einem Traktor versetzt

Lebensmittel aus tiergerechter Haltung in der Heimatregion anzubieten, ist Kaschinski ein besonderes Anliegen. Im 2018 gegründeten Bundesverband Mobile Geflügelhaltung, den der Kettwiger mit ins Leben gerufen hat, sind deutschlandweit 350 Landwirte. „Ich betreibe diese Hühnerhaltung mit Herzblut. Die Nachfrage bestätigt, dass ich mit den Mobileiern alles richtig mache.“

Mobile Ställe sind mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet

Der Mühlenbergshof in der Oefte 23 hat in dem Bio-Geflügelhof Südbrock in Rheda-Wiedenbrück einen Partnerbetrieb gefunden. Dort werden Fleischprodukte für das Label „Mein Bruderhahn“ produziert. Der Verkauf deckt einen Teil der Aufzuchtkosten ab.Benedikt Kaschinski bewirtschaftet den Mühlenbergshof in zweiter Generation. Er ist zweiter Vorsitzender des Bundesverbandes Mobile Geflügelhaltung e.V. Die mobilen Ställe sind mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet, deren Strom für das Licht sorgt. Der Hofladen ist mittwochs bis freitags von 9 bis 18 Uhr sowie samstags von 9 bis 14 Uhr geöffnet.

Seine drei Ställe – Kostenpunkt je 140.000 Euro – versetzt Kaschinski im Frühjahr und Sommer alle zehn bis 14 Tage einige Meter auf der Wiese. Die Gebäude haben Räder und werden mit dem Traktor gezogen. Die Hühner der Rasse Lohmann Brown wirken glücklich; das Federvieh kann jederzeit den Stall betreten und verlassen. „Stress kennen diese Tiere nicht“, ergänzt Kaschinski. Beim Besuch begrüßen die Hennen den Landwirt freundlich, laufen aus allen Ecken der Wiese zusammen, um ihm nah zu sein. Erstaunlich, sind Hühner doch eigentlich Fluchttiere.

Ställe sind nachts geschützt vor dem diebischen Fuchs

Die Eier legen die Hennen auf einem Dinkelspelz-Lager im Mobilstall. Sie landen in einem Rost unter den Legeplätzen. Eine Mischung aus Weizen, Soja, Erbsen und Mais steht als Futter bereit. Draußen wachsen saftige Wildkräuter. Neben dem Fressen und Eierlegen haben die Hennen zwei weitere Grundbedürfnisse: Schlafen und Gefiederputz. Beidem können sie in Kettwig in Ruhe nachgehen.

Per Gesetz hat jedes Huhn Anspruch auf acht Stunden Schlaf täglich. Kaschinski sorgt für die nötige Sicherheit. „Der Stall geht nachts zu. Dann sind die Hennen geschützt vor natürlichen Feinden. Im Frühjahr, wenn der Fuchs Junge hat, kontrolliere ich die Ställe zudem jeden Abend.“ Um fünf Uhr morgens wird gekräht, im Stall geht das Licht an. Ab 10 Uhr darf das Federvieh wieder nach draußen in die Natur. Kaschinski freut sich über seine glücklichen Hühner. „Wenn ich Zeit habe, schaue ich ihnen gern beim Picken zu.“