Essen-Rüttenscheid. Das Reisebüro im Rüttenscheider Girardethaus schließt. Grund dafür ist nicht Corona – sondern Stress mit dem Vermieter. Wie es jetzt weitergeht.
23 Jahre lang hat Dirk Gurtner in seinem Tui-Reisebüro im Rüttenscheider Girardethaus Menschen in den Urlaub geschickt. Zum Jahresende gibt er sein Geschäft auf. Zwar hat Corona die Reisebranche übel gebeutelt, das ist aber nicht der Grund für das Ende von Gurtners Geschäft. Er berichtet vielmehr davon, dass er immer wieder mit Vermieter und Hausverwaltung aneinandergeraten sei.
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Es ist ein ganzer Aktenordner, den der 56-Jährige über die letzten vier Jahre angesammelt hat. Die darin enthaltenen Dokumente zeugen von lauter Konflikten zwischen ihm und der Hausverwaltung. Streit um den Parkplatz, Streit um Reparaturrechnungen, Streit um Modernisierungen des Ladens: Es seien hauptsächlich Kleinigkeiten, die er über die Jahre ausgefochten habe, sagt Gurtner. In Summe sei es ihm aber einfach zu viel geworden. Und: „Das Haus hat einen massiven Investitionsstau. Hier müssten zum Beispiel dringend neue Fenster eingebaut werden.“
Vermieter des Rüttenscheider Girardethauses kann Kritik nicht nachvollziehen
Johann Kunz, Geschäftsführer der Berliner Livos-Gruppe und damit Vermieter der Räumlichkeiten im Girardethaus, kann Gurtners Kritik nicht nachvollziehen. „Wir haben Herrn Gurtners Beschwerden bearbeitet. Wahrscheinlich ist das nicht immer zu seiner Zufriedenheit geschehen“, sagt er. In einem Haus mit rund 100 Mietern müsse sich aber eben jeder an bestimmte Regeln halten. „Das hat aber nichts mit Drangsalieren oder Schikanieren zu tun“, so Kunz. Auch der beklagte Investitionsstau am Haus sei ihm neu.
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So oder so: Die Fronten sind so verhärtet, dass Gurtner freiwillig das Girardethaus verlässt. Für ihn wird es nun an anderer Stelle weitergehen – allerdings erst einmal nicht in einem eigenen Ladenlokal. „Ich werde einen Pop-up-Store im Möbelgeschäft Arredare an der Huyssenallee eröffnen“, kündigt er an. Dort werde er an einem Schreibtisch sitzen und Kundinnen und Kunden zu ihren Wunschreisen beraten. Eine vorherige Terminvereinbarung ist nötig, es gilt die 2G-Regel.
Standort Rüttenscheid: „Die meisten Läden auf der Rü sind Ketten“
Viele Stammkunden
Auch wenn Dirk Gurtner insgesamt froh ist, sein Geschäft an einen anderen Ort zu verlagern: Etwas Wehmut bleibt doch. „Ich habe hier jedes Brett selbst gelegt. Da ist man nach 23 Jahren natürlich traurig“, sagt er.Gurtner hat zu 80 Prozent Stammkunden, die ihm schon über die Jahre die Treue halten. Viele hätten schon gefragt, warum er nun gehe, berichtet der Unternehmer.
Über kurz oder lang ist Gurtner allerdings auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten, der Pop-up-Store soll nur einige Monate bleiben. Die Rüttenscheider Straße müsse es nicht unbedingt wieder sein, sagt der Unternehmer. Ohnehin habe sich der Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist, in den vergangenen Jahren stark verändert. „Heute wird einem zwar vorgegaukelt, dass hier alle so individuell sind. Die Leute von früher sind aber längst nicht mehr da“, betont er. „Die meisten Läden auf der Rü sind Ketten, viele können sich die Miete nicht mehr leisten.“ Man müsse sich nur das stetige Kommen und Gehen der Geschäfte anschauen.
Der Reisebranche den Rücken zu kehren, ist für Gurtner nie in Frage gekommen. Weder angesichts der coronabedingten Einschränkungen noch der Tatsache, dass viele Leute ihren Urlaub heute lieber online buchen. Seine Erfahrung: „Persönliche Beratung ist wichtiger denn je.“ Deshalb sei er im Schnitt auch „super durch die Krise gekommen“. Und: „Mein Sohn macht gerade eine Ausbildung bei Tui. Ihm will ich das Reisebüro irgendwann übergeben.“