Essen. In Problemimmobilien gibt es hin und wieder Ratten. Ein Essener Kammerjäger erzählt von Bewohnern und Vermietern, von Müll und tödlichen Ködern.
Wenn Volker Skor und seine Kollegen gerufen werden, gibt es ein Problem. Und zwar eines von jenen, die bei den meisten Menschen Ekel auslösen. Der Anblick von Ameisen, Flöhen, Motten, Käfern, Ratten, Tauben, Kakerlaken, Wanzen und Wespen gehört für den professionellen Kammerjäger hingegen seit 25 Jahren zum Alltag. So war er mit seinem Team schon oft in sogenannten Problemimmobilien, wie sie zuletzt an der Katernberger Straße in Essen für Schlagzeilen sorgten.
Noch nie so große Rattenprobleme im Ruhrgebiet wie derzeit
Seine subjektive Beobachtung: „Wir haben im Ruhrgebiet zumindest während meiner Zeit als Schädlingsbekämpfer noch nie so große Rattenprobleme gehabt wie heute.“ Warum weiß er nicht genau, vermutet aber, dass „sich einige Menschen scheinbar in einem Umfeld voll mit Unrat und Müll tatsächlich wohl fühlen, ungeachtet ihrer Herkunft.“ Ein weiterer Aspekt bestehe darin, dass es seit einiger Zeit aus Sicherheitsgründen keine wirksamen chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln in Baumärkten mehr zu kaufen gibt. Auch die seit Jahren relativ milden Winter könnten den Ratten in die Karten spielen.
Volker Skor weiß, was passiert, wenn die Ratten sich derart vermehrt haben, dass sie nicht nur von den Hausbewohnern, sondern auch von Nachbarn und Vermietern gesichtet werden: Es kommt erst zu Beschwerden und dann klingelt sein Telefon. Auch zu dem Haus an der Katernberger Straße 41 rückten professionelle Kammerjäger aus – in diesem Fall nicht Skor und sein Team, sondern Kollegen.
Ursachen für Rattenplagen: Unverpackter Müll und Zugänge zur Kanalisation
Doch der Essener kennt das Prozedere in so einem Fall: Zunächst schauen sich die Kammerjäger die Situation an. Anhand von Lauf- und Kotspuren könne man abschätzen, wie stark der Befall ist. Auch der Gesamtanblick lässt darauf schließen, wie sehr sich die Nager wohlfühlen. Die Formel ist recht einfach: Je mehr unverpackter Müll umherliegt, desto reicher gedeckt ist der Tisch für Ratten. Doch auch offene Zugänge in die Kanalisation können ein Problem sein – beides traf bei dem Haus an der Katernberger Straße 41 zu.
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Die Kammerjäger fahren daher zweigleisig: „Wir weisen auch auf die Ursachen hin“, erklärt Skor, denn wenn man diese nicht abstelle, könne man den Schädlingsbefall zwar reduzieren, nicht aber tilgen. Außerdem werden Köder ausgelegt. Doch wie fängt man Ratten? Der Kammerjäger erklärt, dass die Idee sei, dass die Tiere ein Gift fressen, an dem sie drei bis fünf Tage später sterben: „So werden die Artgenossen nicht vorgewarnt, wo genau der Köder gefressen wurde.“
Wichtig sei jedoch, dass weder Hunde noch Katzen, Kinder, Igel, Eichhörnchen oder Vögel erwischt werden – daher seien Schlagfallen auch nicht zu empfehlen. Skor betont, dass der Beruf des Kammerjägers aus gutem Grund kein Hobby ist: „Man braucht zur Ausübung der Tätigkeit entsprechende Kenntnisse und Qualifikationen, die nach dreijähriger Ausbildung durch eine bestandene Prüfung bewiesen werden müssen.“
Rattenplage: Kammerjäger kommt in der Regel drei Mal
Zurück zu den Ratten. Die Krux sei es, jene Köder zu nutzen, die eben nur Ratten mögen. Sie sollten eckig und hart sein, um den Nagetrieb anzuregen, sie sollten gut befestigt sein, um nicht weggeschleppt zu werden und sie sollten einen Bitterstoff enthalten, den Kinder zum Beispiel sofort wieder ausspucken würden. Dann werden sie am besten in einer Box ausgelegt, wo Ratten hineinpassen, Katzen aber beispielsweise nicht. Doch der Köder könne noch so verlockend sein: „Wenn daneben Pommes mit Currywurst liegen, findet die Ratte das immer leckerer“, weiß Skor.
Sein Team platziert also diverse Fallen und verschwindet dann wieder – „die Tiere selbst sehen auch wir nicht immer in Massen, sie ziehen sich zum Sterben meist in ihren Bau zurück“. Fünf Tage später erfolge dann eine Kontrolle. „Anhand der Fraßmenge kann der Befall noch besser abgeschätzt werden“, erklärt der Essener. Die Boxen werden dann neu bestückt, eventuell an andere Standorte gestellt und dann heißt es wieder abwarten. „Das machen wir so lange, bis die Köder nicht mehr angeknabbert werden.“ Normalerweise sei die Arbeit nach drei Besuchen erledigt, ansonsten rät Skor zu regelmäßigen Kontrollen im Abstand von vier Wochen.
Müll-Manager halten Problemimmobilien in Ordnung
Seine Erfahrung zeige, dass sich manche Eigentümer und Hausverwaltungen zwar ins Zeug legen, die Bewohner aber weiter den Müll neben die Tonne oder gar aus dem Fenster werfen. „Wir stehen bei unseren Einsätzen vor verzweifelten Hausbesitzern oder -verwaltern, die uns glaubhaft versichern, dass sie einfach nicht mehr gewillt sind, zum Beispiel eine Briefkasten- oder Klingelanlage zum x-ten Male in der Gewissheit reparieren zu lassen, dass die so instandgesetzten Schäden bereits am nächsten Tag wieder kaputtgeschlagen werden.“
Kammerjäger veröffentlicht Bücher mit Erfahrungen
Privatvilla oder Schrottimmobilie – Schädlinge und Nager leben überall, wenn sie genug Futter finden, weiß Volker Skor, der mit seinem Team im ganzen Ruhrgebiet unterwegs ist.Der gelernte Außenhandelskaufmann sattelte Mitte der 90er-Jahre um. 1998 machte er sich mit eigener „Kammerjägerei“ selbstständig. Wie er zum Ungeziefer kam? „Über eine Freundin, deren Vater in Köln eine Firma hatte.“ Dort lernte der Essener das A und O des Handwerks. In der Schule Volker Skor am liebsten Aufsätze, 2012 brachte er sein erstes Buch heraus: „Revierförster – Ein Kammerjäger aus dem Ruhrgebiet am Rande des Wahnsinns“ (2012). Schon der Titel verrät, dass sich hier jemand auf die Schippe nimmt. Im vergangenen Sommer schob der Essener einen zweiten Band nach: „Der Revierförster ist zurück“. So sind es mittlerweile 36 Kurzgeschichten, die den Alltag seiner Branche skizzieren.
Bei zahlreichen Hausverwaltungen und Immobiliengesellschaften gebe es größte Bemühungen, den Menschen unter Einsatz von Piktogrammen, Hinweisen in allen möglichen Sprachen, Aufklebern, Merkzetteln, persönlichen Ansprachen und mittlerweile sogar unter Zuhilfenahme von eigens hierfür engagierten „Müll-Managern“ aufzuzeigen, wie zu verfahren sei. An der Katernberger Straße hat jetzt zunächst der Eigentümer selbst den Job des Müll-Managers übernommen und schaut regelmäßig nach dem rechten. Wie berichtet mahnt er jene Mieter ab, die sich nicht an die Regeln halten, und kündigt nach drei Abmahnungen den Mietvertrag.
Volker Skor hat die Erfahrung gemacht, dass diese Menschen dann umziehen und ihr Verhalten oft anderswo fortführen. Dorthin wird er dann wieder gerufen: „Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Lebensart der Mieter ändert.“