Essen. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, doch es zeichnet sich ab: Den Fahrer des Lkw, der einen Radler mitschleifte, trifft keine Schuld.

Ein knappes halbes Jahr nach dem tödlichen Unfall eines Fahrradfahrers (85) an der Hans-Böckler-Straße zeichnet sich ab, dass den Fahrer (42) des Sattelschleppers, der den Senioren rund 300 Meter mitschleifte, offenbar keine Schuld trifft. Das ergaben Ermittlungen mehrerer Fachleute, auch von Experten der Polizei. Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen, betont die Staatsanwaltschaft. Sie will sich zum Sachverhalt erst in Kürze äußern. Offiziell ermittelt wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Der Fahrer hatte nach dem Unfall einen schweren Schock erlitten.

Unfall hatte für stadtweites Entsetzen gesorgt

Der Unfall hatte für stadtweites Entsetzen gesorgt. Am Morgen des 22. September war der Senior mit seinem E-Bike die Schwanenkampstraße entlanggefahren und hatte die viel befahrene Hans-Böckler-Straße (B 224) schräg überquert - ohne die Querungshilfe oder Fußgängerampel zu benutzen, die wenige hundert Meter weiter nördlich an der nächsten Kreuzung liegen. Zeitgleich stand der Sattelschlepper auf der Fahrspur in Richtung Rüttenscheid, die Ampel zeigte auf Rot. Als die Ampel auf Grün sprang, fuhr der Laster an – und vor ihm, direkt unter dem Fahrerhäuschen, war zu dieser Zeit der Senior mit seinem Fahrrad.

Der 85-Jährige geriet sofort unters Fahrzeug und wurde mitgeschleift. Erst an der Kreuzung Schederhofstraße hielt der Fahrer an, weil er vermutete, sein Laster habe irgendeinen Schaden. Der Senior verstarb noch vor Ort. Seit dem Unfall erinnert ein weiß lackiertes Fahrrad, abgestellt an der Unfallstelle, an das Unglück. Die Stadt hat seitdem die Unfallstelle baulich etwas verbessert; es gibt rot markierte Streifen für Radler, die von der Schwanenkampstraße links auf die B 224 abbiegen wollen, und auch der schlechte Radweg auf der Westseite der B 224, dessen Zustand von Radfahrverbänden seit Jahren bemängelt wird, ist etwas sicherer gemacht worden. Die Stadt wies außerdem darauf hin, dass die betroffene Kreuzung Teil des groß angelegten Umbauplans ist, der vorsieht, den Berthold-Beitz-Boulevard bis zur B 224 zu verlängern.

Radler bewegte sich außerhalb der Sichtweite des Fahrers

Ein Spezialisten-Team der Polizei kommt unterdessen nach aufwendigen Rekonstruktionen, technisch anspruchsvollen Messungen, unter anderem mit Laser-Geräten, sowie nach Zeugenbefragungen zu folgendem, vorläufigen Schluss: Der Senior sei mit seinem Fahrrad „so dicht am Fahrerhaus des wartenden Sattelschleppers vorbeigefahren, dass er außerhalb des Sichtbereichs des Fahrers war“. So steht es in den aktuellen Auswertungen der Verkehrsunfall-Statistik 2021. Oder, mit anderen Worten: „Der Fahrer konnte den Radler nicht sehen“, betont Ulrich Sievers, Leiter der Verkehrskommission im Polizeipräsidium Essen. Er betont allerdings ausdrücklich, den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen zu wollen. Diese will sich voraussichtlich erst gegen Ende der Woche zum Sachverhalt äußern.

Ein weißes Fahrrad erinnert an den tödlichen Unfall an der B 224.
Ein weißes Fahrrad erinnert an den tödlichen Unfall an der B 224. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Was jedenfalls klar und umso tragischer ist: Der Senior überquerte die B 224, wollte auf die andere Seite – obwohl auf der Seite, von der er kam, das ist die östliche Seite der Hans-Böckler-Straße, ein funktionierender Radweg vorhanden ist.

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