Essen. Nach dem Tod eines Radlers auf der B224 hat die Polizei den Unfall mit großem Aufwand rekonstruiert. Es gibt Erkenntnisse zum möglichen Hergang.

Eine Woche nach dem Tod eines Radfahrers (85) auf der Hans-Böckler-Straße hat die Polizei Essen den Unfallhergang am Freitagmorgen mit großem Aufwand vor Ort zu rekonstruieren versucht - und erste Erkenntnisse gewonnen: Nach Einschätzung der Ermittler, denen inzwischen einige Zeugenaussagen vorliegen, war der Senior am Vormittag des 22. September nicht auf dem Radweg parallel zur Bundesstraße 224 unterwegs.

Vielmehr hat er die Hans-Böckler-Straße von der Schwanenkampstraße kommend an einer unbeampelten Stelle überqueren wollen, als er von dem Volvo FM aus Heinsberg erfasst wurde, so die Annahme nach über einer Woche der Ermittlungen. Der Sattelschlepper riss den Mann mit und kam erst in Höhe der Bert-Brecht-Straße zum Stehen. Ein Notarzt konnte nur den Tod des 85-Jährigen feststellen.

Staatsanwältin ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung

Der Fahrer erlitt einen schweren Schock. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, bestätigt die zuständige Staatsanwältin Sarah Erl am Freitag, die sich voraussichtlich zu Beginn der kommenden Woche detaillierter zu dem Fall äußern will.

Von der gegenüberliegenden Straßenseite könnte sich der Radfahrer aus Richtung der Schwanenkampstraße dem Lastwagen genähert haben. Ein Gutachter fotogratfiert und dokumentierte am Freitag den Unfallort noch einmal.
Von der gegenüberliegenden Straßenseite könnte sich der Radfahrer aus Richtung der Schwanenkampstraße dem Lastwagen genähert haben. Ein Gutachter fotogratfiert und dokumentierte am Freitag den Unfallort noch einmal. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der inzwischen angenommene Hergang des Unfalls kann aus Sicht der Unfallexperten allerdings als gesichert gelten, berichtet Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato bei dem Ortstermin nach Rücksprache mit den Ermittlern des Verkehrskommissariats, dem Verkehrsunfall-Aufnahmeteam und einem unabhängigen Gutachter, die das Unfallgeschehen gemeinsam nachstellen.

Schlagmarken des Fahrrads sind im Asphalt zu erkennen

Sie richten das 26-Zoll-Damenrad des Toten, das mitsamt eines blauen Lenkerkörbchens von dem Lastwagen zermalmt wurde, akribisch auf der Straße aus - exakt an der Stelle, wo bis heute Schlagmarken im Asphalt zu erkennen sind, wenn man die Spuren zu deuten weiß. Sie könnten etwa von der Lenkstange und von den Schraubköpfen der Radnaben herrühren, die das Gewicht des Sattelschleppers in den Fahrbahnbelag gedrückt hat.

Auch der sichergestellte Unglücks-Lkw wird am Morgen an den Ort des Geschehens geschleppt und auf der rechten Spur der Hans-Böckler-Straße in Fahrtrichtung Süden platziert, während sich die Verkehrsteilnehmer in Geduld üben müssen. Für fast zwei Stunden der rund dreistündigen Aktion bleibt die B224 in Richtung Süden komplett gesperrt, auf der Gegenfahrbahn muss der Verkehr immer wieder zumindest zeitweise angehalten werden.

Es geht um die Frage von Schuld oder Unschuld des Lastwagenfahrers

Die Uhrzeit, die Lichtverhältnisse, das Verkehrsaufkommen insgesamt dürften vergleichbar mit den Gegebenheiten des 22. Septembers gewesen sein - was sein sollte, um nachvollziehen zu können, wie die Sichtverhältnisse insgesamt waren, ob der Lkw-Fahrer geblendet worden sein könnte, ob er überhaupt eine Chance hatte, den Radler zu sehen, mit dem er vielleicht nicht gerechnet haben dürfte, während die Autofahrer, die von der Schwanenkampfstraße auf die Hans-Böckler-Straße abbiegen wollten, bei Rot an der dortigen Ampel warteten.

An dieser Stelle soll es zur tödlichen Kollision zwischen Radler und Laster gekommen sein. ,
An dieser Stelle soll es zur tödlichen Kollision zwischen Radler und Laster gekommen sein. , © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Letztlich gilt es nun, die aus Zeugenaussagen und Spuren am Unfallort abgeleiteten Hypothesen mit den Erkenntnissen aus dem nachgestellten Geschehen abzugleichen und daraus Schlüsse zu ziehen, die am Ende möglichst eine schlüssige Antwort auf die Frage von Schuld oder Unschuld des Lastwagenfahrers am Tod des Seniors geben können: Hätte die schreckliche Kollision vermieden werden können oder nicht?

Für einen ehemaligen Lastwagenfahrer ist die Sache längst klar

Für einen Radler, der zufällig vorbeikommt und der Polizei kurz seinen Drahtesel leiht, mit dem ein Beamter in Richtung des Lastwagens rollt, während der Gutachter vom Führerhaus mit einer Kamera den anzunehmenden Blickwinkel des Unfallfahrers auf den nahenden Radler einfriert, ist die Sache schon jetzt klar: „Der kann den nicht übersehen haben, wenn der aus der Schwanenkampstraße kam.“ Der Mann ist ehemaliger Lastwagenfahrer - sagt er zumindest.