Duisburg. Hat Thyssenkrupp mit klimaneutralem Stahl eine Zukunft? Wie Industrie-Arbeitsplätze erhalten? Das antworten die Duisburger Bundestagskandidaten.
Vor der Bundestagswahl befragt unsere Lokalredaktion die Direktkandidatinnen und -kandidaten in den beiden Duisburger Wahlkreisen zu Themen, die für viele Einwohner hohe Priorität haben. Hier lesen Sie die Antworten der Kandidaten im Nord-Wahlkreis zur Stahlkrise und zum Erhalt von Arbeitsplätzen am größten Stahlstandort Europas. Unsere Frage:
Der größte Arbeitgeber in Duisburg, Thyssenkrupp Steel Europe, will sich durch Stellenabbau und Job-Ausgliederungen von rund 11.000 Arbeitsplätzen trennen. Auch für die Zukunft von HKM in Hüttenheim und Arcelor Mittal in Ruhrort wird 2025 ein entscheidendes Jahr. Wie positionieren Sie sich zum Erhalt von Tausenden Industriearbeitsplätzen in Duisburg? Hat die mit zwei Milliarden Euro Steuergeldern geförderte Grünstahlproduktion bei TKSE wirklich eine Zukunft?
Stahl-Standort Duisburg: CDU-Kandidat bekennt sich zur Förderung der Grunstahl-Produktion
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Mahmut Özdemir (SPD): „Unser Betrieb TKSE ist in den Händen von schlechten Eigentümer:innen. Die Stiftung, der zum Beispiel auch Armin Laschet (CDU) angehört, schert sich nicht um die tausenden Schicksale von Arbeiter:innen, die nachts wach liegen und nicht wissen, was sie ihren Familien und Kindern sagen sollen. Ich stehe dazu, dass wir öffentliches Geld in die Hand nehmen, um den Duisburger Zukunftsstahl herzustellen und wettbewerbsfähig verkaufen zu können. Betriebsschließungen lehne ich ab. Dafür hat Olaf Scholz zugesagt, uns vor ausländischem, zum Beispiel chinesischem Stahl, mit effektiven Handelsbeschränkungen zu schützen. Unsere Unabhängigkeit und die Sicherheit Deutschlands hängt am Heimatstahl.“
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Björn Pollmer (CDU): „Ich setze mich für den Erhalt der Arbeitsplätze ein, denn TKSE ist ein bedeutender Arbeitgeber für viele Menschen in Duisburg. Ich bekenne mich, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst, klar zur Förderung der Grünstahlproduktion und sehe darin eine große Chance, die deutsche Stahlindustrie zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen. Dazu braucht es aber auch einen Industriestrompreis, niedrigere Energiekosten und endlich einen europäischen Stahlgipfel. Nur durch eine Kombination aus Innovation, Unterstützung und strategischen Partnerschaften können wir die Arbeitsplätze in der Stahlindustrie sichern und Duisburg als wichtigen Standort für nachhaltige Produktion in der Zukunft stärken.“
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Sascha Lensing (AfD): „Der Erhalt der Stahlindustrie in Duisburg ist von zentraler Bedeutung. Die grüne Stahlproduktion, die von der CDU und den Grünen in der Landesregierung sowie der Ampel-Regierung im Bund vorangetrieben und mit Milliarden Steuergeldern subventioniert wird, ist weder wettbewerbsfähig noch zukunftsfähig. Auf dem internationalen Markt wird Stahl mit günstiger Energie zu deutlich niedrigeren Kosten produziert. Diese ideologische Politik gefährdet Tausende Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp Steel, HKM, Arcelor Mittal und deren Zulieferern. Ich fordere eine marktwirtschaftliche, bezahlbare Stahlproduktion, um Duisburg als Industriestandort und die damit verbundenen Arbeitsplätze langfristig zu sichern.“
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Felix Banaszak sieht jetzt Mutterkonzern Thyssenkrupp in der Pflicht
Felix Banaszak (Grüne): „Der Stahlstandort Duisburg bleibt dauerhaft nur mit einem erfolgreichen und ambitionierten Umbau zur klimaneutralen Produktion erhalten. Die Transformation ist keine Gefahr, sondern eine große Chance für die Zukunft. Dafür müssen alle ihrer Verantwortung gerecht werden. Der Bund und das Land NRW haben mit der Förderzusage über zwei Milliarden Euro ihren Teil beigetragen. Der Mutterkonzern muss klarstellen, dass er weiter hinter der Transformation des Standorts zur Klimaneutralität und den Industriearbeitsplätzen an den Standorten steht und die nötigen Investitionen dafür sichert. Das sind die Verantwortlichen den Beschäftigten, der Region und auch der steuerzahlenden Allgemeinheit schuldig.“

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Markus Giesler (FDP): „Die Stahlindustrie in Duisburg und in Deutschland hat nur mit einer zukunftsgerichteten und nachhaltigen Stahlstrategie eine Chance, ebenso die Grünstahlproduktion. Bisher waren die „Strategien“, wenn man sie so nennen kann, einzelne und voneinander unabhängige Maßnahmen. Es wurde bis dato nicht geklärt, wie zum Beispiel mit subventioniertem Stahl aus China umgegangen wird, der mit der Absicht vom chinesischen Staat subventioniert wird, Unternehmen wie Thyssenkrupp aus dem Markt zu drängen – und uns in die Abhängigkeit. Kurzfristig müssen die Jobs in Duisburg bleiben, aber auch hier gehört zur Ehrlichkeit, dass dies nicht mit leeren Worten und Versprechungen allein passiert.“
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Hüseyin Aydin (Die Linke): „Die Transformation hin zur klimaneutralen Produktion ist ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die zwei Milliarden Euro staatliche Hilfe reichen allein nicht aus. Als Linker werde ich darauf bestehen, dass diese Mittel an klare Bedingungen geknüpft werden: 1. Arbeitsplatzsicherung: Die staatliche Förderung muss garantieren, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und neue entstehen. 2. Soziale und ökologische Verantwortung: Unternehmen wie Thyssenkrupp müssen auch eigene Mittel in die Hand nehmen, um langfristig klimaneutrale Technologien zu etablieren. 3. Zukunftssicherheit: Die Transformation erfordert zusätzliche politische Maßnahmen, wie den Aufbau einer bezahlbaren Wasserstoffinfrastruktur, eine verlässliche Energiepolitik und weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung.“ (Antwort gekürzt, d. Red.)
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Einzelbewerber: „Arbeiter sollen mit Löhnen und Arbeitsplätzen für Profite der Aktionäre zahlen“
Peter Römmele (MLPD): „Um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz bei ThyssenKrupp, ArcelorMittal und HKM muss hart gekämpft werden. Die Belegschaften können dabei auf die MLPD und mich zählen. Gesellschaftlich werden Arbeitsplätze und Stahl, der hier gekocht und verarbeitet wird, dringend gebraucht – die Direktreduktionsanlage ist ein ökologischer und technischer Fortschritt. Sie muss dann aber auch mit Wasserstoff betrieben werden, statt jahrelangem Einsatz von Erdgas, was ThyssenKrupp jetzt durchboxen will. Die Profitmacherei ist das Problem! Unser Vorschlag: Sicherung der Arbeitsplätze durch 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich! Schaffung neuer Arbeitsplätze durch eine ökologisch ausgerichtete Verkehrswende!“
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Dietmar Gaisenkersting (Einzelbewerber): „Auch hier sollen Arbeiter mit Löhnen und Arbeitsplätzen für die Profite der Thyssenkrupp-Aktionäre zahlen. Viele, wie zuletzt der 31-jährige Leiharbeiter, zahlen mit ihrem Leben. Damit muss Schluss sein. Die Stahlarbeiter haben es jedoch nicht nur mit dem Konzern zu tun, sondern auch mit dem IG-Metall-Apparat und den Betriebsräten. Die haben dem Arbeitsplatzmassaker bereits zugestimmt und fordern allein die „sozialverträgliche Umsetzung“. Um Arbeitsplätze zu verteidigen, müssen Beschäftigte sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren. Das Mahnwachenzelt der IG Metall dient einzig den Politikern der etablierten Parteien, die für die Misere mitverantwortlich sind, zum Wahlkampf.“
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Stefanie Kreitz (Freie Wähler): „ThyssenKrupp Stahl befindet sich in einer strukturellen Krise, die nur mit nachhaltigen strukturellen Maßnahmen angegangen werden kann. Das nachhaltige, grüne Projekt ist ein solches. Insofern sind die 2 Mrd. € gut angelegte Subvention. Der ursprünglichste Grund unserer Industriestrukturprobleme ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, damit unserer Wirtschaftlichkeit, damit eben das Überleben unserer Standorte und damit schließlich die Gefährdung von vielen qualifizierten Arbeitnehmern. Es sind die explodierenden Kosten für Energie, die durch den von Russland ausgelösten Krieg in der Ukraine und dessen ungeachtet, eine konsequent durchgezogene grüne Energiepolitik der Ampel ausgelöst hat. Um hier schnell und effektiv anzusetzen, braucht es nun eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.“ (gekürzt, d. Red.)
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht stellt keine Direktkandidaten auf. Für das BSW antwortet der Duisburger Bundestagsabgeordnete Christian Leye (ehemals Linke): „Die Industrie muss gehalten werden, wenn wir in diesen Zeiten nicht zum Beispiel von China abhängig sein wollen. Die hohen Energiepreise und die steigende CO₂-Bepreisung gefährden die Industrie. Friedrich Merz sollte das mit seiner Parteikollegin von der Leyen besprechen, die die CO₂-Bepreisung auf EU-Ebene vorantreibt. Unter diesen Bedingungen ist grüner Stahl die einzige Möglichkeit, den Standort zu halten. Nur der Staat hat die Mittel dafür. Ich fordere eine öffentliche Industriestiftung, um bei den Stahlunternehmen einzusteigen und den Standort Duisburg zu erhalten. Die Gewinne werden reinvestiert. Die Mitbestimmung ist garantiert, da der Stiftungsrat auch aus Vertretern der Belegschaft besteht.“
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