Duisburg. Vier Duisburger Feuerwehrleute sitzen wegen des Verdachts auf Brandstiftung in U-Haft. Warum werden Retter zu Brandstiftern? Was Experten sagen.

Aktuell sitzen vier Feuerwehrleute in Untersuchungshaft, weil sie verdächtigt werden, mehrere Brände in Duisburg selbst gelegt zu haben. Der Fall geht wie eine Schockwelle durch die Feuerwehr, aber auch durch die Bevölkerung. Viele fragen sich: Wie kann das sein, sind das alles Pyromanen?

Prof. Dr. Johannes Fuß vom Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung der Universität Duisburg-Essen hat als Gutachter schon häufiger mit Brandstiftern zu tun gehabt. Dass eine ganze Gruppe von Menschen pyroman ist, sei wenig wahrscheinlich. „Pyromanie ist eine psychische Erkrankung, die extrem selten vorkommt.“ Sie zeichnet sich laut Fuß dadurch aus, dass Betroffene einen starken inneren Druck verspüren, der sich nur lösen lässt, wenn sie ein Feuer legen.

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Dass auch unter Feuerwehrleuten Brandstifter zu finden sind, habe oft eher mit einer Sehnsucht nach Heldentum zu tun. Wenn es monatelang keine Einsätze gab und jemand dann selbst einen Brand entfacht, um etwas löschen zu können, habe das eher nichts mit einer psychischen Erkrankung zu tun.

Prof. Johannes Fuß vom Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung der Universität Duisburg-Essen hat schon häufiger Brandstifter begutachtet.
Prof. Johannes Fuß vom Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung der Universität Duisburg-Essen hat schon häufiger Brandstifter begutachtet. © Frank Preuss

Motive für Brandstiftung: Rache, Versicherungsbetrug, Vandalismus oder das Verschleiern von Straftaten

Häufigere Motive für Brandstiftung seien Rache, Versicherungsbetrug, Vandalismus oder das Verschleiern von Straftaten. Es gehöre eine gewisse soziale Unverfrorenheit dazu, weil durch ein Feuer „richtig was passieren kann“, sagt Fuß. Sollten die tatverdächtigen Feuerwehrleute zu viert eine Brandstiftung geplant haben, dann würde dazu auch eine gewisse kriminelle Energie gehören. Dies könne beispielsweise mit einer Dissozialität, also einer Missachtung sozialer Normen für den eigenen Vorteil, im Zusammenhang stehen.

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Auch ein sexueller Hintergrund sei grundsätzlich bei mutwilligem Zündeln denkbar. „In Fallberichten wird geschildert, dass Brandstifter eine intensive sexuelle Erregung beim Löschen oder auch nur beim Anblick eines Brandes verspüren“, sagt der Forensiker. Das sei aber extrem selten. Häufiger gehe es darum, gesehen zu werden, „es ist eine Sehnsucht nach Geltung“.

Wie häufig Feuerwehrleute zu Brandstiftern werden, kann der Wissenschaftler aufgrund fehlender aktueller Daten nicht sagen. Eine Studie in den USA ermittelte 100 Fälle pro Jahr in ganz Amerika. Weil die Berichterstattung in solchen Fällen sehr ausführlich ist, entsteht eine gewisse Verzerrung in der öffentlichen Wahrnehmung, so Fuß. Nicht zuletzt, weil der Kontrast so groß ist: „Die Feuerwehr wird üblicherweise mit Rettung assoziiert, mit einer ursozialen Haltung, und dann ist da plötzlich jemand, dem es um die Show geht.“

Laut Studie deutschlandweit 3000 Brandstifter in der Freiwilligen Feuerwehr

Ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhruniversität Bochum untersuchte 2009 die Häufigkeit von Brandlegungen durch Feuerwehrangehörige. Der Brandschutzexperte Frank D. Stolt schätzt darin auf Basis von Gerichtsurteilen, dass in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr rund 3000 Brandstifter zu finden seien, die meisten seien männlich und unter 25 Jahre alt. Bei 1,3 Millionen aktiven Mitglieder wäre das ein Anteil von 0,23 Prozent. Als Motiv nennt er den Drang nach sozialer Anerkennung und das Erreichen eines „Kicks“ bei Einsätzen sowie Sensationsdrang.

Der Deutsche Fachverband der Feuerwehren erklärt indes, dass nur 0,03 Prozent aller Brandstiftungen auf Feuerwehrleute zurückzuführen seien. Nur gemessen an den Zahlen „sind Brandstifter bei der Freiwilligen Feuerwehr kein wirkliches Problem“, so Stolt in einem Interview vor einigen Jahren. „Allerdings ist die Wirkung nach außen für die betroffenen Feuerwehren oft verheerend.“

So berichten wir über die Beurlaubung des Duisburger Feuerwehrchefs:

Feuerwehr nach Brandstiftungen unter Generalverdacht

Das betont auch Professor Fuß: Durch so ein Ereignis gerate die ganze Feuerwehr unter Generalverdacht, dabei sei die Tätigkeit generell „sehr sozial“. Auch ihm ist wichtig zu betonen, dass das Phänomen „wirklich selten“ ist.

Sowohl zur Aufarbeitung als auch zur Prävention sei es wichtig, offen mit dem Ereignis umzugehen. Der Wissenschaftler empfiehlt, das Thema Brandstiftung auch als Teil der Ausbildung zu begreifen. Wer sich nach Nervenkitzel sehnt, wer spürt, dass der Druck steigt, der könne sich in einer offenen Umgebung vielleicht einfacher melden, damit man einen Weg des Umgangs damit findet.

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