Duisburg. Vor 40 Jahren kamen Fans des MSV Duisburg mit einer besonderen Strick-Aktion ins Guinness-Buch der Rekorde. Sie begeistert bis heute.

Duisburg im Guinness-Buch der Rekorde? Da fällt den meisten wahrscheinlich die höchste Sandburg der Welt ein, die 2017 im Landschaftspark gebaut wurde. Oder vielleicht die riesige Ballon-Krake, die 2019 ebenfalls im LaPaNo entstand. Von dem XXL-MSV-Schal, mit dem ein Frauen-Team aus Großenbaum vor 40 Jahren einen Weltrekord aufstellte, wissen wohl nur noch die wenigsten.

Dabei ist es eine spannende Geschichte, die Elvira Großheim zu erzählen hat. Heute ist sie 71 Jahre alt und würde „so eine Aktion nicht nochmal machen“, wie sie lachend erzählt. Aber damals, in den 80ern, da hatte die Duisburgerin einen Plan: Mit dem MSV und der Grundschule ihres Sohnes im Guinness-Buch der Rekorde landen.

MSV Duisburg: Mega-Strick-Schal war der längste der Welt

Elvira Großheim holte Mütter von der GGS Lauenburger Allee ins Boot. Gemeinsam strickten sie los. Erklärtes Ziel: der Weltrekord. 
Elvira Großheim holte Mütter von der GGS Lauenburger Allee ins Boot. Gemeinsam strickten sie los. Erklärtes Ziel: der Weltrekord.  © WAZ | Tina Halberschmidt

„Ich konnte nicht weit springen, ich konnte nicht hoch springen. Aber stricken konnte ich“, erinnert sich Großheim. Zu der Zeit seien Handarbeiten ja hochmodern gewesen. „Selbst im Bundestag saßen die Abgeordneten mit Wolle!“ Und so kam die MSV-Anhängerin auf die Idee, sich selbst ein Team zusammenzustricken. Erklärtes Ziel: der Weltrekord.

Gesagt, getan: Elvira Großheim, deren Sohn Kai die Grundschule an der Lauenburger Allee besuchte, holte andere Mütter ins Boot. Gemeinsam sollte ein blau-weiß gestreifter MSV-Schal entstehen, länger als alles, was es zuvor gegeben hatte.

Von Anfang November 1983 bis Ende Mai 1984 lang strickten die Frauen in Schichten, jeweils 14 Stunden am Tag, auch an den Wochenenden, in den letzten Wochen sogar rund um die Uhr. 72 Kilo weißer und blauer Wolle gingen dabei drauf.

„Meine Familie hat mich in den neun Monaten nicht oft gesehen.“

Elvira Großheim über die besondere Strick-Aktion

Um diese nicht selbst kaufen zu müssen, habe sie immer wieder die Inhaberinnen eines Woll-Lädchens „bequatscht“, das 1983 gerade in Neudorf eröffnet hätte, erinnert sich Elvira Großheim. Zunächst spendeten die Ladeninhaberinnen bereitwillig, später, als immer wieder neue Wolle benötigt wurde, machte sich Großheim auf die Suche nach weiteren Sponsoren.

Auch interessant

Die heute 71-Jährige war es auch, die die Großenbaumer Frauen einteilte und alle Arbeiten fein säuberlich dokumentierte und in einen Stundenplan eintrug. „Manche wollten ganz früh morgens stricken, manche lieber abends.“

Sie selbst war in der Zeit, in der der Schal entstand, nur selten zu Hause. „Meine Familie hat mich in den neun Monaten nicht oft gesehen“, lacht die pensionierte Krankenschwester. Vor ihr liegt ein Sammelsurium aus Zeitungsartikeln, die sie fein säuberlich ausgeschnitten und als Erinnerung aufbewahrt hat.

Duisburger Mütter schafften es in die überregionale Presse und ins Sportstudio

Alte Zeitungsartikel zum Weltrekord-Schal: Nicht nur WAZ und NRZ als lokale Zeitungen berichteten. Die ungewöhnliche Aktion schaffte es auch in die überregionale Presse und sogar ins Fernsehen.
Alte Zeitungsartikel zum Weltrekord-Schal: Nicht nur WAZ und NRZ als lokale Zeitungen berichteten. Die ungewöhnliche Aktion schaffte es auch in die überregionale Presse und sogar ins Fernsehen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Tatsächlich berichteten damals nicht nur WAZ und NRZ als lokale Zeitungen. Mit ihrer ungewöhnlichen Aktion schafften es die Duisburger Mütter auch in die überregionale Presse und sogar ins Fernsehen: Eines Tages, noch mitten in der Schaffensphase, klingelte bei Großheims das Telefon. „Eine Stimme sagte, hier ist Eberhard Figgemeier, und ich habe direkt wieder aufgelegt, weil ich dachte, die Kollegen aus dem Krankenhaus wollten mich veräppeln.“

Aber das Telefon klingelte erneut, und tatsächlich war es das ZDF, das Elvira Großheim und weitere Frauen ins Sportstudio einlud. „Das war ein tolles Erlebnis!“, erzählt die Duisburgerin und bekommt noch immer strahlende Augen. „Während des Fernsehauftritts haben wir natürlich immer weiter gestrickt, wir mussten unser Pensum schaffen und konnten doch da nicht einfach aufhören.“

Mehr besondere MSV-Fans und Aktionen

Am Ende entstand so ein Mega-XXL-Schal, der schließlich beim Relegationsspiel des MSV Duisburg gegen Eintracht Frankfurt im alten Wedaustadion präsentiert wurde. Fast 800 Meter lang war er. „Ich habe erst dort realisiert, wie groß er wirklich ist“, staunt Elvira Großheim bis heute.

Auch ihr Sohn Kai, heute 50 Jahre alt, war überwältigt. „Das Teil reichte zweimal rund um die Tartanbahn“, erzählt der Sohn der Familie. Für ihn begann an diesem Tag eine lodernde Liebe: „Das war mein erstes MSV-Spiel damals. 0:5 verloren, eine prima Vorbereitung auf das Leben als MSV-Fan“, lacht der Huckinger.

Weltrekord-Schal: Knapp 4500 Mark kamen zusammen

Offiziell anerkannt: In 3660 Stunden strickten 28 Mütter einen 791,85 Meter langen Schal. Erwähnt wurde der Weltrekord im Guinness-Buch des Jahres 1985 auf Seite 259.
Offiziell anerkannt: In 3660 Stunden strickten 28 Mütter einen 791,85 Meter langen Schal. Erwähnt wurde der Weltrekord im Guinness-Buch des Jahres 1985 auf Seite 259. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Bis heute besitzen er und seine Eltern einen Teil des zebragestreiften Weltrekord-Schals. Denn nach der offiziellen Abnahme der Guinness-Jury wurde das Mega-Strickwerk auseinandergenommen und in zwei Meter langen Stücken an die Fans verkauft, für jeweils zehn Mark. Knapp 4500 Mark kamen so zusammen. Geld, das Elvira Großheim wie einen Schatz hütete und das schließlich einem Projekt an der GGS Lauenburger Allee zugutekam.

Und so brachte der Riesen-MSV-Schal den Duisburgern am Ende nicht nur einen Eintrag im Guinness-Buch. Sondern Kai Großheim eine neue Liebe. Und Elvira Großheim eine Erinnerung, die für immer bleiben wird – auch wenn ihr der Weltrekord schon nach kurzer Zeit wieder weggeschnappt wurde.

MSV-Museum: Schal-Stücke gesucht

  • Gibt es noch weitere MSV-Fans, die einen Teil des Weltrekord-Schals besitzen?
  • Das MSV-Museum ist an dem geschichtsträchtigen Strickzeug sehr interessiert, wie Vorstandssprecher Volker Baumann auf Nachfrage dieser Redaktion erklärt.
  • Wer ein Stück Strick-Schal in seinem Repertoire hat und bereit wäre, dieses zu Dokumentationszwecken abzugeben, kann sich per E-Mail direkt beim Museum melden.