Duisburg. Die Duisburger Feuerwehr hat immer eine Taucherstaffel einsatzbereit. Wie sie für den Ernstfall trainieren – und wie sie echte Einsätze erleben.
Wenn nicht hier, wo dann: Die Duisburger Feuerwehr hat 24/7 eine eigene Taucherstaffel, in jeder Schicht sind vier speziell ausgebildete Berufsfeuerwehrleute sofort bereit für den Einsatz unter Wasser. „Linksrheinisch kommt dann keine Staffel mehr“, sagt Tauchdienstleiter Michael van der Heyden und weist grob Richtung Holland, entsprechend groß ist ihr Einsatzgebiet: 37 Rheinkilometer gehören dazu, die Ruhr und andere Fließgewässer, außerdem der Binnenhafen, 16 Seen sowie die Sechs-Seen-Platte.
Im Schnitt rücken die Rettungstaucher 70 bis 80 Mal im Jahr aus. Erst im Mai haben sie einen kleinen Hund retten können, der in den Kanal zwischen dem Böllertsee und dem Wambachsee gezogen worden war. Ende Juni fischten sie einen Mann aus dem Rhein, der eine lebensgefährliche Wette eingegangen war.
Feuerwehrtaucher in Duisburg: Einsätze im Rhein und in den Seen
Auch an diesem Tag bleibt es nicht bei Übungen und einer Tauchprüfung: Am Nachmittag werden sie zum Rhein gerufen, wo ein lebloser Körper in der Nähe der Brücke der Solidarität treibt. Die Wasserretter bergen den Toten aus dem Rhein.
Und am Abend beginnt eine Suchaktion, weil Boote bei Unwetter kentern. Der Einsatz wird im Team noch lange nachhallen, denn bei der Rettungsaktion verunglückt auch einer ihrer Tauchkollegen. Dass er überlebt, verdankt er vermutlich dem kontinuierlichen Training, zu dem es auch gehört, die eigenen Kollegen schnell und sicher zu bergen.
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„Trotz aller professionellen persönlichen und technischen Vorbereitung kann es auch bei uns zu Unfällen kommen. Aus diesem Grunde gehört zur Ausbildung bei unseren Feuerwehrtauchern auch die Vorbereitung auf einen Notfall“, sagt Feuerwehrchef Oliver Tittmann. „Alle diese Mechanismen haben bei diesem Einsatz gegriffen, so dass der Taucher das Krankenhaus mittlerweile wieder verlassen konnte.“
Feuerwehr-Taucher suchen in Eiseskälte und bei Null-Sicht die Gewässer ab
Die Staffel rückt aber auch aus, wenn Gewässer verschmutzt werden, eilt bei Schiffsunfällen zur Hilfe oder sichert die Kameraden bei Löscharbeiten zu Wasser, sagt Robert Hahn, der die Taucheinheit führt. Je nach Einsatzart hängen sie das passende Boot an ihre „Taucherkarre“, wie sie den „Gerätewagen Wasserrettung“ liebevoll nennen. Er soll demnächst durch eine geländegängige Neuanschaffung ersetzt werden.
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Geländegängig müssen auch die Taucher sein: In den meisten Fällen gehen oder kriechen sie bei Null-Sicht über die Böden der Duisburger Seen, bahnen sich ihren Weg durch Algen und Schlingpflanzen. Als „Grundtaucher“ tasten sie sich systematisch voran und wenn sie finden, was sie suchen, dann ist es leider häufiger eine Leiche.
Auch bei Sommerwetter ist es im tiefen See eiskalt
Manuel Lütjens schält sich in den Neoprenanzug, sortiert das Equipment von Messgerät bis Beleuchtung und von Bleigurt bis Sauerstoffflasche. Er hat seine Tauchprüfung im Wolfssee. Draußen sind es 30 Grad, das Wasser am Ufer hat locker 20 Grad, Badegäste planschen im Freibad. Die Feuerwehrleute diskutieren dennoch, ob auch die Eisweste nötig ist. So nennen sie den kurzbeinigen Neoprenanzug, den sie sich noch zusätzlich überziehen können, um nicht so schnell auszukühlen.
Eine Badehose würde bei dem Job einfach nicht reichen, nicht nur wegen der Kälte: Im Gestrüpp am Seeboden könnte man sich verletzen, sagt Michael van der Heyden. Und manchmal ist der Boden so schlammig und weich, dass man bis zur Hüfte einsinkt.
„Das ist hier nicht baywatchmäßig“, betonen die Feuerwehrleute, auch wenn sie im Ernstfall ähnlich schnell rennen würden wie die Rettungsschwimmer aus der Fernsehserie. Je tiefer, je kälter, lautet die Faustregel, und die „Sprungschicht“, also die Stelle, wo man vom wärmeren Oberflächenwasser in das kältere Tiefenwasser kommt, sei immer sofort zu spüren.
Für die Prüfung rettet ein Taucher seinen Kollegen
Vom Steg aus helfen Kollegen, die Atemmaske und die Handschuhe festzuschnallen, alles noch mal zu kontrollieren und dann geht es ab in die Tiefe. Prüfling Luitjens soll seinen Kollegen bergen, der für ihn einen verunglückten Taucher mimt. Bei Einsätzen und bei Übungen ist immer ein zweiter Taucher fertig angezogen und tauchbereit, um ohne Zeitverlust eingreifen zu können. So konnte auch bei dem Unfall im Wolfssee schnell Hilfe geleistet werden, als der Ersttaucher in neun Metern Tiefe bewusstlos wurde.
Dass das so schnell registriert wurde, hat mit der zweiten Sicherheitsmaßnahme zu tun: Die Taucher unter Wasser sind mit ihren Kollegen an Land verbunden. Der gelbe Gurt, den sie um den Körper tragen, heißt Life Belt und dient der Fixierung mit einem 50 Meter langen Seil. Damit kann man auch kommunizieren, sagt Robert Hahn. Zweimal ziehen heißt links herum tauchen, dreimal ziehen rechts herum. Rüttelzeichen bedeuten: alles ok. Reagiert der Taucher nicht mehr, ist Eile geboten. Da die Männer Trockenmasken tragen, ist meist auch eine Art „Telefon“ dabei, der „Signalmann“ steht dann mit einem Headset am Ufer und bleibt in Kontakt.
Zeugen sollten sich merken, wo sie einen vermissten Schwimmer zuletzt sahen
Im Ernstfall springen die Taucher schon auf der Wache in die Tauchanzüge, legen auf der Fahrt die restliche Ausrüstung an, damit sie ohne Zeitverzug am Einsatzort ins Wasser können. Parallel rücken „weitere Hilfskräfte aus, Rettungswagen, Hubschrauber, eine ganze Armada“, beschreibt Hahn. Denn dann tickt die Uhr.
Um die Suche zu erleichtern, sei es gut, wenn Zeugen sich merken, wo ein Schwimmer zuletzt gesehen wurde oder zumindest in welcher Richtung, „sonst suchen wir die Nadel im Heuhaufen“.
Feuerwehrtaucher müssen unter Wasser sägen oder hämmern können
Fokussiert sind sie auch im Training. „Man kommt schon ziemlich nah dran an einen echten Einsatz“, sagt Luitjens nach erfolgreicher Rettungsübung, „es ist stockdunkel, eiskalt, innerlich ist man aufgeregt und man will den Kollegen ja auch sicher nach oben bringen“. Die Kunst sei es, cool zu bleiben und seinen Job zu machen. Je aufgeregter man ist, desto mehr Sauerstoff wird verbraucht und das reduziert die Tauchzeit, sagt „Lütti“, wie ihn die Kollegen nennen.
Gerade erst haben fünf Duisburger und ein Gelsenkirchener den Lehrgang absolviert und die Prüfung bestanden, auch Lütti ist jetzt Feuerwehrtaucher der Stufe 2 und ab sofort einsatzbereit.
In Stufe 2, die vergleichbar mit den Fähigkeiten von Arbeitstauchern ist, lernen sie neben viel Theorie auch, unter Wasser zu sägen oder zu hämmern, verklemmte Autotüren zu öffnen, vor allem aber: ohne Sicht zu arbeiten, sagt Tauchdienstleiter Michael van der Heyden. Stufe 3 wäre noch das Schweißen unter Wasser, aber das ist bei der Feuerwehr weniger wichtig.
Taucher werden zu Strömungsrettern ausgebildet
Stattdessen werden jetzt alle Taucher auch zu Strömungsrettern ausgebildet. Das ist eine Folge der Überflutungen in den letzten Jahren, bei denen Menschen in strömenden Gewässern verunglückt sind. Auch bei Einsätzen im Rhein profitiert die Staffel künftig von dem Wissen. Neue Technik, Helme und fette Rettungswesten haben die Duisburger schon angeschafft: Die Rettungstaucher können sich damit gut gesichert zu einer Person treiben lassen und sie dann an Land bringen, erklärt Robert Hahn.
Das Tauchen selbst ist im Rhein lebensgefährlich, betont er: „Wenn man einmal in einen Strudel oder Sog gerät, kommt man nicht mehr hoch.“ In der Regel suchen sie Vermisste vom Boot aus, von oben unterstützt durch Hubschrauber.
Nach den Einsätzen müssen sie zur Verarbeitung erst mal „darüber quatschen“
Robert Hahn erinnert sich gut an den dramatischen Einsatz in Marxloh vor drei Jahren, als drei Kinder ertranken. Aber auch die Suche nach einem Vermissten im Waldsee in Moers vor zwei Monaten sei nicht ohne gewesen. Verstärkt von Tauchern aus Mülheim arbeiteten immer zwei Taucher gleichzeitig und systematisch den See ab, in dem Wissen, dass man niemanden lebendig finden wird.
Nach einem langen Berufsleben habe jeder im Schnitt „über 200 Tote gesehen“, ergänzt van der Heyden. Manches davon „will man sich nicht auf die Speicherplatte tun“.
Nach so einem Einsatz „quatschen wir immer darüber“, betont Hahn. Wenn das nicht reicht, gibt es auch professionelle psychosoziale Unterstützung. „So ein Kind zu suchen, ist einfach was anderes“, bekennt der Feuerwehrmann, „darüber denkt man immer länger nach“.
>>REGELMÄSSIG TRAINIEREN DIE FEUERWEHRTAUCHER
- Zehn Übungsstunden müssen pro Jahr sein, für Lehrtaucher sogar 15: Retten, bergen, Bojen setzen, mit der Technik vertraut bleiben ist das Ziel.
- Einmal im Jahr geht‘s zur Tauglichkeitsprüfung. Nicht wenige machen den Job bis zur Rente, sind auch privat begeisterte Taucher.