Duisburg. Die Kammeroper „Romeo und Julia“ von Boris Blacher sollte am 6. Dezember Premiere im Theater Duisburg haben. Wie sie zur Online-Premiere wird.
Das Publikum muss draußen bleiben, viele Künstler sind verzweifelt, alle sehnen herbei, dass das Licht am Ende des Lockdown-Tunnels heller wird. Streaming-Angebote können zwar kein Ersatz für echte Theatererlebnisse sein, aber über die Wartezeit hinweg helfen. Die Kammeroper „Romeo und Julia“ von Boris Blacher (1903-1975) geht aus Duisburg ins weltweite Netz.
Ausgerechnet die Hygiene-Vorschriften verhelfen den Werken zur Aufführung, die es sonst auf die großen Bühnen nicht schaffen. Zu diesen Raritäten zählt Blachers einstündige „Romeo und Julia“-Vertonung, die der deutsch-baltische Komponist 1943 in und für die Kriegszeit komponiert hat. Die Opernhäuser lagen in Trümmern, und so konzentrierte und verdichtete Blacher den Stoff auf seine Essenz – das Schicksal des berühmtesten Liebespaars der Welt.
Premiere sollte am 6. Dezember in Duisburg sein
Die Kammeroper, die die Deutsche Oper am Rhein wegen ihrer kleinen Besetzung auf den Spielplan genommen hatte, sollte am 6. Dezember in Duisburg Premiere haben. Sie gehört damit zu den Produktionen, die premierenreif sind und darauf warten müssen, dass der Vorhang wieder hoch gehen kann. Am Samstag, 17. April, um 19 Uhr hat „Romeo und Julia“ digitale Premiere über die Streaming-Plattform www.operavision.eu.
Dass ausgerechnet der Shakespeare-Klassiker einer großen, unglücklichen Liebe jetzt praktisch kontaktfrei auf die Bühne kommt, geht für den jungen Regisseur Manuel Schmitt gut auf: „Romeo und Julia kommen nie zusammen, selbst im Tod verpassen sie sich.“ Übrigens spielt das Drama – Ironie der Geschichte – in einer Zeit, als in Europa eine Seuche umging: die Pest.
Opern-Rarität wird zum ersten Mal gestreamt
Blacher konzentrierte sich in seiner Version auf Romeo und Julia, den achtköpfigen Chor, der auch die anderen Stimmen übernimmt, und fügte einen Conferencier hinzu, der das Publikum durch das Stück führt. „Eine Laborsituation, so pur wie es geht“, kündigt Schmitt an, der eine „sehr körperliche Inszenierung“ verspricht. Er zeige mehr „einen Tanz, eine Sehnsucht“ als eine reale Liebesgeschichte.
Auch weil diese Oper eine Rarität ist, wird sie nun zum ersten Mal gestreamt. Die Kunst des Streamings bestehe darin, das Publikum beim Bühnengeschehen zu halten, so Produzent Oliver Becker. Die Rheinoper setzt bereits zum fünften Mal auf eine Firma in Berlin, die sich vor sechs Jahren auf das Streamen von Oper und Konzerten spezialisiert hat. „Bei Bild und Ton kann man nicht sparen“, so Becker über die „technisch komplizierten“ Arbeiten, die aber für die Opernhäuser bezahlbar bleiben müssten.
Sieben Kameras übertragen das Bühnengeschehen
Ein Schlüssel für die Qualität seien genaue Kenntnisse der Partitur, so Becker: „Es ist ja keine Verfilmung, sondern das Bühnengeschehen soll eingefangen werden.“ Zwei Tage lang wurde im Theater Duisburg unter der musikalischen Leitung von Christoph Stöcker gedreht. Sieben Kameras übertragen ihre Bilder von der Bühne ans Mischpult im Foyer.
Bildregisseur Friedrich Gatz sitzt an der Schnittstelle zwischen der Kunst im Saal und der Digitalisierung: „Ich zeige dem Zuschauer, wohin er die Aufmerksamkeit lenken kann.“ Bei den umfangreichen Vorarbeiten, eng abgestimmt mit Manuel Schmitt, gehören genaue Vorgaben, „wann welche Kamera wen zu filmen hat“. Die Kameraleute arbeiten dann sowohl nach den Scripts als auch spontan. Wichtig sei es, einen Bildfluss zu erzeugen, so Gatz.
Die Bildregie führt das Publikum durch die Inszenierung
Der Probenmitschnitt wird dann noch einmal mit dem Bühnenregisseur durchgegangen. „Ich finde spannend, wie’s gemacht wird. Das Endergebnis ist ein ganz anderes, Friedrich Gatz führt das Publikum durch meine Inszenierung“, sagt Schmitt, der in Mülheim aufgewachsen ist und mit „Romeo und Julia“ seine erste Inszenierung an der Rheinoper vorstellt. Zuvor hat er bereits bei den Opernfestspielen der Bayerischen Staatsoper, am Staatstheater Nürnberg, dem Theater Trier und dem Musiktheater im Revier inszeniert.
Neben Romeo (Jussi Myllys) und Julia (Lavinia Dames) spielt der Conferencier (Florian Simson) eine wichtige Rolle, der in Chansons das Scheitern der großen Liebe am Hass ihrer jeweiligen Familien bricht und kommentiert. Alle anderen Figuren tauchen nur kurz auf. Der von Heike Scheele entworfene Bühnenraum vermittelt, wie sehr das Geschehen von außen beobachtet und beeinflusst wird.
>>OPERN UND FESTIVALS AUS GANZ EUROPA
Die Deutsche Oper am Rhein präsentiert die Neuproduktion über die Europäische Streaming-Plattform www.operavision.eu. Sie vereint kostenlos Live-Streams und Video-on-demand von Opernhäusern und Festivals aus ganz Europa. Ihr gehören 29 Partnerinstitutionen aus 17 Ländern an. Aus Deutschland sind die Deutsche Oper am Rhein und die Komische Oper Berlin vertreten.
Die Online-Premiere am Samstag, 17. April, um 19 Uhr wird von einem Live-Chat mit Regisseur Manuel Schmitt und Dramaturgin Anna Grundmeier begleitet. Danach ist das Stück für sechs Monate bis zum 17. Oktober kostenfrei online abrufbar.