Duisburg-Hochfeld. Nach der Räumung an der Gravelottestraße 39 in Duisburg-Hochfeld bedanken sich die Nachbarn bei der Stadt – und schildern wilde Zustände.
Am 9. Februar hat die Taskforce in Duisburg-Hochfeld das Haus an der Gravelottestraße 39 geräumt (wir berichteten), nachdem sie dort gravierende Mängel festgestellt hat. Zahlreiche Politiker der Linken und Bündnis 90/Die Grünen sowie Mitglieder des Vereins „Solidarität der Vielen“ kritisieren den Einsatz harsch. 55 Personen haben ihr Dach über dem Kopf verloren, darunter viele Kinder. Doch nur ein paar Hausnummern weiter wohnen Nachbarn, die betrachten das Vorgehen der Taskforce als äußerst positiv und möchten sich ausdrücklich bei der Stadt bedanken. „Gut, dass die Stadt endlich einmal durchgegriffen hat. Es sind die ersten Nächte, die wir wieder ruhig geschlafen haben“, sagen sie. Zu Besuch bei alt eingesessenen Hochfeldern, die ihren Stadtteil kaum noch wieder erkennen und dennoch nicht wegziehen wollen.
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Auf der Fußmatte der Anwohner steht der Spruch „Woanders ist auch Scheiße“. Seit 24 Jahren wohnt das Ehepaar auf der Gravelottestraße. „Das war hier früher mal eine gute Wohngegend. Ein Arbeiterviertel mit großem Ausländeranteil, vielen Türken und Albanern, aber wir sind mit den Leuten klar gekommen. Hier haben normale Menschen gewohnt“, berichtet der 82-Jährige, der noch genau weiß, dass er am 16. Januar 1998 eingezogen ist.
Doch nun sei die Lage so, dass er und seine Gattin ihre Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen. Von den Kindern – „die sind gar nicht so arm wie sie tun“ – würden sie beschimpft und wenn man nicht genau aufpasse, sogar bestohlen. Diese Situation käme viel zu selten zur Sprache, deshalb haben sie noch Frau Schmidt von gegenüber hinzu geholt, um ihre Sicht der Dinge zu schildern.
Anwohner aus Duisburg-Hochfeld schildern, was sie dort täglich erleben
Es ist ein trister Tag, kalt und schmuddelig. „Ich mag das Wetter, dann nur dann ist es leise auf der Straße“, sagt die 81-Jährige. An diesem Mittwoch ist wieder Markt, der habe aber in letzter Zeit stark nachgelassen. „Und mittlerweile stelle ich mir einen Wecker, dass ich bis 11 Uhr eingekauft habe.“ Danach fühle sie sich nicht mehr wohl. Einmal habe sie sogar bemerkt, wie ein Kind sie bestehlen wollte. Und abends nach Einbruch der Dunkelheit gehe sie sowieso nur noch ungern aus dem Haus.
Viele Mängel- Stadt Duisburg räumt wieder Haus in Hochfeld„Sie hätten mal sehen sollen, was für Autos vor dem gelben Haus standen. Solche fetten Wagen fahren hier ständig durch die Straße“, beschreibt der engagierte Hochfelder, der vor ein paar Jahren sogar die Sprechstunde des Oberbürgermeisters aufgesucht hat, um ihm die Situation zu beschreiben.
Auch zum Ordnungsamt habe er guten Kontakt, damit die Mitarbeiter einen Eindruck bekommen, was dort vor sich gehe. In dem gelben Haus seien auch ständig andere Gesichter ein und ausgegangen. „Die haben in die Hauseingänge gepinkelt und sogar in die Mülltonnen geschissen“, sagt er erbost. Allen, die ihm unterstellen, etwas gegen Ausländer zu haben, oder ihn gar als „Nazi-Schwein“ titulieren, entgegnet er hingegen: „Das kann ich gar nicht sein, ich bin 1939 geboren.“ Ohnehin habe er nichts gegen Ausländer. Die türkischen Nachbarn fürchteten eher, mit den Bulgaren und Rumänen „in einen Topf geworfen zu werden“.
Frau Schmidt wohnt ebenfalls schon Jahre lang in Hochfeld. Die Eltern haben hier Eigentum gekauft. Momentan lässt sie eine Wohnung aber bewusst leer stehen. „Ich möchte nicht, dass da solche Leute einziehen und alles kaputtmachen. Dafür hat mein Vater sich nicht den Rücken krumm gemacht.“ Die Nachfragen kämen durchaus, wenn einige sähen, dass eine Wohnung frei sei.
„Der Schrott war schon da“: Taskforce war mehrfach an der Gravelottestraße im Einsatz
Doch wie die Häuser später aussehen, könne man ja auch an der Gravelottestraße 51 bis 55 beobachten – dort war die Taskforce vor einem Jahr im Einsatz und hatte die Gebäude geschlossen. Auch damals standen die Bewohner auf der Straße, doch die Eigentümerin machte der Stadt Vorwürfe, dass diese ihre Häuser erst zu Schrottimmobilien gemacht habe. Nachbarn haben indes anderes beobachtet: „Der Schrott war schon da. Der neue Besitzer renoviert die Häuser jetzt schon seit Monaten. Da sind Container voller Müll herausgeholt worden. Im Hof haben etwa 80 Autoreifen gelagert“, erklärt die 44-Jährige.
Und wenn mal wieder von den „armen Menschen“ die Rede sei, verweist sie darauf, dass man an der Gravelottestraße und rund um den Hochfelder Markt in den Abendstunden gut beobachten könne, wie Geschäfte abgewickelt werden und dabei die Geldscheine bündelweise den Besitzer wechseln. „Erinnerste dich noch an den Lockdown? Da sollte doch keiner auf die Straße. Da hingen die reihenweise draußen. Und als das Ordnungsamt kam, griff eine Oma in ihren Büstenhalter und schon hatten die das Bußgeld zusammen.“ Wenn sie gemeinsam nachdenken, fallen ihnen viele solche Situationen ein.
Auf Nachfrage bestätigt die Stadt: „In den letzten zwei Jahren wurden diverse Corona-Verstöße auf der Gravelottestraße festgestellt, die von dort gemeldeten Personen begangen wurden.“ Grundsätzlich seien die Mitarbeiter des Städtischen Außendienstes nahezu täglich in Hochfeld unterwegs. „Alle festgestellten Ordnungswidrigkeiten werden entsprechend geahndet. Allerdings werden, sobald uniformierte Kräfte gesichtet werden, kaum noch Ordnungswidrigkeiten begangen“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.
Polizei Duisburg hat Hochfeld besonders im Blick
Auch Polizeisprecher Jonas Tepe betont, dass täglich uniformierte und zivile Polizisten in Hochfeld im Einsatz seien und konsequent gegen „Verstöße aller Art“ vorgehen. „Dazu zählen neben den Kontrollen im Rahmen der Streife auch geplante Kontrollaktionen der Ordnungsbehörden. Dabei werden Shisha-Bars, Wettbüros und Cafés in den Blick genommen, aber ebenso auch die Autofahrer. Neben der Aufklärung von Straftaten und der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist auch der Gewinn von Erkenntnissen über Clan-Strukturen ein wichtiges Ziel der Einsatzkräfte“, so Tepe.
Polizei- „Nicht der letzte Einsatz dieser Art in Hochfeld“Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik 2020 zeigt, dass Hochfeld bei der Häufigkeit von Delikten hinter dem Dellviertel und der Altstadt auf Platz drei liegt. Zur Situation am Hochfelder Markt, schätzt Tepe die Lage aus Sicht der Polizei so ein: „Eine Nachfrage bei den Bezirksdienstbeamten in Hochfeld ergab, dass sie keine Hinweise darauf haben, dass es auf dem Hochfelder Markt an Markttagen gezielt zu Taschendiebstählen kommen soll.“ Im Rahmen der Streife seien die Beamten aber immer mal wieder auf dem Markt im Einsatz und dort für die Bürger ansprechbar. „Wichtig ist, dass sich die Menschen, die so etwas beobachten, an die Polizei wenden und Straftaten zur Anzeige bringen.“
Zu anderen Geschäften, die bar abgewickelt werden, erklärt Tepe: „Ein Geldbündel allein ist erstmal nicht verboten, ebenso wenig der Kauf eines Autos mit Bargeld. Wenn Anwohnern etwas verdächtig vorkommt, sollten sie der Polizei davon berichten. Wir gehen den Hinweisen dann nach und schauen nach dem Rechten.“ Die Polizei habe den Stadtteil Hochfeld besonders im Blick.
Ob es einmal besser wird in Hochfeld?
Immer, wenn Frau Schmidt und ihre Mitstreiter den Bekannten erzählen, was sie in ihrem Stadtteil erleben, fragt der eine oder andere, warum sie nicht schon längst weggezogen seien. „Wir haben eine schöne Wohnung und ich lass mich doch hier nicht vertreiben“, sagt das Ehepaar rigoros. Sie wollen bleiben. Und eigentlich hat die Stadt ja auch versprochen, dass sich die Lage verbessern soll, wenn 2027 die Internationale Gartenausstellung im Rheinpark stattfinden wird.
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So recht mögen sie nicht daran glauben. „Was die Stadt schon alles angekündigt hat! Vor Jahren haben sie den Bunker am Markt abgerissen und versprochen, den Platz zu sanieren. Heute komm ich da mit meinem Rollator kaum noch drüber.“ Immer, wenn wieder große Pläne für Hochfeld verkündet werden, müssen sie an der Gravelottestraße lachen. „Aber glauben Sie mir, es sind keine Freudentränen.“
>> Entwicklungspläne für Hochfeld nicht neu
- In der Vergangenheit hat sich regelmäßig in der Paulus-Kirche der Arbeitskreis „Gut Leben in Hochfeld“ getroffen. Gemeinsam mit dem Stadtteilmanager, Ordnungsdezernent Paul Bischof, Vertretern zahlreicher Vereine und Bürger, wurde über verschiedene Themen in Hochfeld beraten.
- Der ehemalige Stadtteilmanager Reinhard Schmidt, der jetzt bei der Stadt arbeitet und von dieser Position die Entwicklung im Stadtteil weiter begleitet, erinnerte sich jüngst: „In den Nullerjahren gab es schon erste Ideen, aus Hochfeld einen Zukunftsstadtteil zu machen. Aber man hat dabei übersehen, dass mit der Zuwanderung der Mittelstand schneller aus Hochfeld geflüchtet ist, als man gucken konnte.“