Duisburg-Marxloh. Die Duisburgerin Serpil Bektaş führt seit zwei Jahren den „Istanbul Supermarkt“ in Marxloh. Was Kunden in diesen internationalen Laden lockt.
Die Unternehmerin Serpil Bektaş muss sich in einer Männerdomäne behaupten, fühlt sich dabei aber merklich wohl. „Ich bin eine Kämpferin, aber in der Branche muss ich auch kämpferisch sein“, sagt die 53-jährige Duisburgerin, die seit rund zwei Jahren den „Istanbul Supermarkt“ in Marxloh führt. Sie hat ihn von ihrem Ehemann Erdal übernommen, der immer noch im Betrieb mithilft.
Ihr Mann fliegt oft nach Istanbul, um dort seinen kranken Vater zu pflegen und gab deshalb die Verantwortung für seinen Laden an seine Frau ab. Die gemeinsamen drei Kinder sind inzwischen alle erwachsen, und so scheute sich Serpil Bektaş nicht davor, die Chefin zu werden. Zumal sie sich schon als junge Frau selbstständig machte, als ihre Erstgeborene kaum ein halbes Jahr alt war. Als Friseurmeisterin eröffnete sie damals ihren eigenen Salon in Duissern, den sie immer noch betreibt. „Das mache ich aber nur noch als Hobby.“
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Den Großteil ihrer Energie investiert sie jetzt in den türkischen Supermarkt an der Karl-Marx-Straße, direkt am August-Bebel-Platz. „Das macht mir Spaß, und ich sehe auch den Erfolg“, sagt sie stolz und erinnert sich daran, wie sie bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern anfangs völlig unterschätzt wurde, dann aber „alle baff“ waren, dass sie sich als Frau durchzusetzen weiß. „Ich habe diese Männerdomäne aufgemischt, heute unterschätzt mich niemand mehr. Alle kennen mich als knallharte Geschäftsfrau“, sagt sie und lacht fröhlich.
Mit fünf Geschwistern in Duisburg-Bruckhausen aufgewachsen
Zumal sie schon immer durchsetzungsstark gewesen sei, auch als Jugendliche. Geboren ist sie in der ostanatolischen Stadt Erzincan. Ihr Vater ging 1973 nach Deutschland, fand Arbeit bei Thyssen und holte seine alevitische Familie kurz darauf nach Duisburg. So wuchs Serpil Bektaş mit fünf Geschwistern an der Dieselstraße in Bruckhausen auf. „Ich war nicht das typische türkische Mädchen“, sagt die Geschäftsfrau, die früher als Auszubildende auf Heavy Metal stand und als Headbangerin die Metaldiscos wie das Old Daddy unsicher machte.
Die Zeiten sind längst vorbei, beteuert sie. Heute hat sie statt Metal-Songs viel Popmusik auf dem Handy. Gesungen hat sie ihr Sohn Eren Can Bektaş, der aktuell eine Musikkarriere verfolgt. Ebenso stolz ist sie aber auf ihre beiden Töchter. Die Ältere studiert Jura, und die Jüngere ist ebenfalls Friseurin geworden und arbeitet im Duisserner Salon. Dass ihre Kinder alle erfolgreich ihren Weg gehen, stärkt Serpil Bektaş als Supermarkt-Inhaberin den Rücken. „Ohne diese Herausforderung wäre es mir jetzt zuhause zu langweilig.“
Doch sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst, da sie als Geschäftsfrau nicht nur ihre eigene Familie ernährt, sondern auch dazu beiträgt, dass ihre sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Familien sorgen können. Die Corona-Pandemie habe ihr Laden – wie alle anderen Supermärkte auch – bisher sehr gut überstanden, daher bekommt sie durch ihre Selbstständigkeit jetzt eher Lachfalten als Sorgenfalten. Denn die Geschäfte liefen auch weiterhin gut, so Bektaş: „Unsere Kunden kommen aus ganz Duisburg, Dinslaken, Moers und Wesel.“
Türkischer Supermarkt in Marxloh mit 2300 Produkten
In dem geräumigen Laden finden die Kundinnen und Kunden auf knapp 480 Quadratmetern ein Sortiment mit circa 2300 Produkten. „Bei uns schmeckt es wie aus der Türkei“, wirbt die Unternehmerin. Viele Waren werden auch dort produziert und kommen über Großhändler aus Köln oder Hamburg nach Marxloh.
Das Highlight ihres Supermarkts sei die große Metzgertheke in der es viele Leckereien vom Rind, Lamm oder Huhn gibt, darunter etwa marinierte Hähnchenschenkel, Rinderschinken, selbst gemachte Adana-Spieße oder hausgemachte Wurst nach Geheimrezept. „Lammkoteletts sind das Lieblingsprodukt unserer deutschen Kunden.“ Dagegen sind Innereien, Rindernieren, Kalbsfüße oder Ochsenhoden eher bei Duisburgern anderer Kulturen gefragt.
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So war es für Serpil Bektaş selbstverständlich, aus ihrem zuvor türkischen Laden unter Franchise-Lizenz lieber einen internationalen Supermarkt zu machen. Bulgarische Familien finden daher neuerdings genauso Lebensmittel, die sie sonst nur aus ihrer Heimat kennen, wie Russen, Syrer, Rumänen oder Kosovo-Albaner. Denn längst nicht alles würde man auch in einem deutschen Markt finden: etwa ostanatolischen Hirtenkäse, arabisches Brot, Granatapfelsirup oder Knabbereien wie Sonnenblumenkerne oder Kürbiskerne.
Halal-Zertifikate: keine Mettwurst, kein Schweinekotelett oder König Pilsener
Auch Deutsche könnten in ihrem Geschäft fast alles finden, was sie auch in einem anderen Supermarkt kaufen würden, ist die Duissernerin überzeugt – allerdings mit zwei Einschränkungen. „Viele unserer Kunden sind sehr gläubige Muslime“, sagt Bektaş. Deshalb hat ihr Istanbul Supermarkt sogenannte Halal-Zertifikate und verkauft kein Schweinefleisch und auch keinen Alkohol, obwohl Raki und Efes-Bier durchaus türkische Getränke sind.
Mettwurst, Schweinekoteletts oder Köpi muss man eben woanders einkaufen. Gegenüber ist beispielsweise das Marxloh-Center mit Aldi. „Das sehe ich nicht als Konkurrenz“, betont die Geschäftsfrau selbstbewusst, denn „alles, was Marxloh und den August-Bebel-Platz belebt, finde ich gut“.
Daher trauert sie auch dem Wochenmarkt nach, der früher viel mehr Stände und Auswahl hatte und dadurch viel mehr Menschen lockte. Frisches Obst und Gemüse sowie Frischfleisch gibt es jetzt im Istanbul Supermarkt, und auch immer mehr alteingesessene Marxloher würden das Geschäft für sich entdecken. Das freut Serpil Bektaş natürlich, die knallharte Geschäftsfrau, die sich als Supermarkt-Inhaberin in einer Männerdomäne erfolgreich behauptet.
>> DIE KLEINE SCHWESTER IST BUNDESTAGSABGEORDNETE
● Die Duisburgerin Serpil Bektaş kommt aus einer sehr politischen Familie. Eine ihrer Schwestern ist die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen (Linke) und eine bekennende Erdoğan-Kritikerin. Serpils Ehemann Erdal Bektaş wurde auch schon in der Türkei verhaftet, weil er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigt haben soll. Auslöser sollen einige unliebsame Mausklicks bei Facebook gewesen sein. Mit dem Tod bedroht worden sei ihr Sohn, als er sich nach dem Putsch als Erdoğan-Gegner zu erkennen gab.
● Politik hat für Serpil Bektaş aber nichts im Friseursalon oder im Supermarkt zu suchen. Ihre Ansichten äußert sie daher – ganz die professionelle Geschäftsfrau – lieber nur im privaten Umfeld.