Duisburg. Impfskepsis gebe es bei der Mehrheit der Rumänen und Bulgaren nicht, sagen zwei Experten – dafür Ängste unter Roma und Fake-Videos zur Impfung.

Die städtischen Statistiker zählten Ende März 13.630 Duisburger mit bulgarischer und 8992 mit rumänischer Staatsangehörigkeit. Unter ihnen gibt es bekanntermaßen sehr viele Arme, denen Sprachkenntnisse und Zugänge zu deutschen Informationsquellen fehlen. Das verdeutlicht die Corona-Pandemie. Die Stadt verweist auf ihre Aufklärungsarbeit zum Infektionsschutz – aber wie groß ist aktuell die Impfbereitschaft unter diesen Zuwanderern?

Dass die Covid-19-Schutzimpfung der einzige Weg aus der Pandemie ist, ist auch bei vielen Patienten angekommen, die in die Duisburger Malteser-Praxis für Menschen ohne Krankenversicherung kommen. Sie müssen dann oft weggeschickt werden.

Malteser-Praxis: Rumänische Mütter mit fünf Kindern bitten um Impfung

Dr. Anne Rauhut, die seit sieben Jahren in der Praxis an der Münzstraße ehrenamtlich Menschen behandelt, die nicht krankenversichert sind, sagt: „Ich würde gerne impfen, und viele würden gerne kommen.“ Allerdings seien ihre Patienten zu jung und deswegen noch nicht an der Reihe. „Hierher kommen rumänische Mütter mit fünf Kindern, die darum bitten, geimpft zu werden.“

Ärztin Dr. Anne Rauhut behandelt in der Malteser-Praxis Menschen ohne Krankenversicherung.
Ärztin Dr. Anne Rauhut behandelt in der Malteser-Praxis Menschen ohne Krankenversicherung. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Anne Rauhuts Klientel sind überwiegend Zuwanderer aus Osteuropa, Obdachlose aus Polen, aber auch zunehmend Deutsche, die durch die Corona-Pandemie ihre Krankenversicherung verloren haben, etwa weil ihre Firma Pleite gegangen ist. Hier werden sie kostenlos behandelt. „Meine Patienten haben ein Durchschnittsalter von 40, und die sind beim Impfen noch nicht dran.“

Impfskepsis gebe es bei der Mehrzahl der Rumänen und Bulgaren nicht. In ihren Herkunftsländern werde auch niemand nach der Zustimmung etwa zur Masernimpfung gefragt.

Roma aus Rumänien: „Tief verwurzelte Ängste nach leidvollen Erfahrungen“

Eine Ausnahme bildeten allerdings Rumänen, die der Pfingstkirche angehören, so Rauhut. Ein anderes Problem seien die Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten und Angst haben, geschnappt zu werden.

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Solche kennt auch Pater Oliver Potschien, Leiter des Marxloher Petershofs. Er glaubt, die Mehrheit der Bulgaren könne unproblematisch zur Impfung motiviert werden. Er erlebt jedoch unter rumänischen Roma eine große Impfskepsis, „auch weil der Staat die Impfungen organisiert“, erklärt er. „Nach den leidvollen Erfahrungen staatlicher Repression über Generationen hinweg“ gebe es in dieser großen Minderheit „tief verwurzelte Ängste“.

Der Pater betont: Bei vielen Impfhindernissen handele es sich wie beim erhöhten Infektionsrisiko für Menschen mit Migrationshintergrund „in erster Linie um eine Armuts- und Bildungsproblematik, dann erst um eine Herkunftsproblematik“.

Verschwörungsvideos mit Fake News kursieren

Das Sozialpastorale Zentrum des Georgswerks in Marxloh schickt zur Corona-Aufklärung seit Anfang des Jahres Stadtteilpaten los, die mit persönlicher Ansprache auf Bulgarisch, Rumänisch und Türkisch informieren. Auch daher weiß Pater Oliver, dass Videos mit Fake News zu den Impfungen von Verschwörungsmystikern und Impfgegnern auch unter den Marxlohern kursieren. Fatal: „Für viele ist das die primäre Informationsquelle.“

Corona- Inzidenz in fünf Duisburger Stadtteilen über 450 Ein weiteres Impfhindernis sind Potschiens Einschätzung nach „die vielfachen schlechten Erfahrungen in Zuwandererfamilien mit dem deutschen Gesundheitssystem“. Viele seien geprägt durch Diskriminierungserfahrungen, etwa bei Krankenhausaufenthalten. „Deren Vertrauen gewinnt man jetzt nicht so einfach für die Covid-19-Impfung.“

Petershof will mit Meinungsführern aufklären

Pater Oliver möchte darum für den Petershof mit „den jeweiligen Meinungsführern der Gemeinschaften ins Gespräch kommen und gemeinsam das Eis brechen“. Er hofft auf den zweiten Impftermin für die betreuten Obdachlosen und Mitarbeiter am Petershof Ende Mai und überlegt, diesen mit einem Aufklärungstag zu verbinden.

Der Pater wäre auch bereit, mit dem Gesundheitsamt gemeinsame Sache zu machen und bei dezentralen Impfungen in Marxloh mit anzupacken, sobald ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht.

>> SONDERKONTINGENT AN IMPFDOSEN FÜR HOTSPOTS

■ Die Stadt Köln versucht derzeit sogar, ein Sonderkontingent an Impfdosen für Viertel mit besonders großem Infektionsrisiko zu erhalten.

■ Die Impfungen vor Ort in den Hochinzidenzbezirken könnten helfen, ein weiteres Problem zu lösen: Viele ältere Migranten sind mit der Anmeldeprozedur beim Impfen überfordert.