Dortmund. Mit „Zart wie Kruppstahl“ knüpft die Geierabend-Truppe an erfolgreiche Zeiten an. Ein Neuzugang erweist sich als Hauptgewinn fürs Ensemble.
Im letzten Jahr sah es zwischenzeitlich schlecht aus für den Geierabend: Für Dortmunds alternativen Karneval wurden zu wenige Karten verkauft, die Produktion für 2025 stand finanziell auf der Kippe. Gut, dass es dann doch noch geklappt hat mit den Zuschauerzahlen. Denn um das neue Programm wäre es wirklich schade gewesen.
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Der Geierabend hat Tradition in der Stadt. Seit 34 Jahren begeistert Dortmunds Antwort auf die Stunksitzung das Publikum. Ausverkauft: Das war in der Session auf Zeche Zollern der Normalzustand, wer Tickets wollte, musste sich sputen. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Patrick Dollas ist ein Hauptgewinn für den Dortmunder Geierabend
Das liegt nicht nur an Corona, sondern sicher auch am verjüngten und verkleinerten Ensemble. Typen wie Franziska Mense-Moritz oder Martin F. Risse, die den Geierabend über Jahrzehnte geprägt haben, sind nicht mehr dabei – und die Nachfolger müssen sich ihre Fans erst erspielen. Der jüngste Neuzugang dürfte damit allerdings keine großen Probleme haben. Schon nach der Premiere am Donnerstag (9.1.) darf man behaupten: Patrick Dollas ist ein Hauptgewinn für den Geierabend.
„Zart wie Kruppstahl“ heißt das Programm, das den Alternativkarneval in diesem Jahr raus aus der westfälischen Gemächlichkeit holen soll. Eine höhere Schlagzahl bei den Gags hatte „Steiger“ Martin Kaysh vorab versprochen. Die Devise laute „kürzer, kürzer, kürzer“. Bei der Premiere hat das noch nicht an allen Stellen geklappt, die eine oder andere Länge gab es dann doch noch.
Neue Autoren schreiben fürs Dortmunder Team
Aber das dürfte sich wohl schon bald abschleifen – der Geierabend wird bekanntlich mit jedem Abend besser. Das Zeug dazu hat das Programm dazu jedenfalls. Dafür sorgen schon die neuen Autoren: Profis, die auch für Jan Böhmermann oder die Heute Show schreiben. So wie Markus Henning etwa. Seine Szene mit der verzweifelten Freiheitsstatue, die sich aus Frust über den erneuten Trump-Sieg volllaufen lässt und über Elon Musk – „Amerikas agilsten Putzerfisch“ – herzieht, ist zweifellos einer der Höhepunkte der ersten Hälfte. Was aber auch an der wie immer großartigen Spielleistung von Sandra Schmitz liegt.
Doch es wäre nicht der Geierabend, würde nicht auch die US-Wahl thematisch ins Revier geholt. Liberty wandert nämlich nach Dortmund aus und nimmt einen Job als Mahnmal auf dem Hansaplatz an. „Damit sich so etwas Schreckliches wie die Weihnachtsbaumbeleuchtung vom letzten Jahr nicht noch einmal wiederholt.“ Für diesen Gag gab‘s den ersten großen Szenenapplaus, den auch Schausteller-Chef Patrick Arens mitanhören musste. Er ertrug ihn mit Fassung. „Eine Erwähnung im Geierabend – was gibt es Tolleres“, schmunzelte der Geschmähte in der Pause.
Dortmunder OB kommt diesmal ziemlich ungeschoren davon
Oberbürgermeister Thomas Westphal musste bei der Premiere zwar mal kurz mitspielen, kommt aber ansonsten – von ein paar harmlosen Gags mal abgesehen – in dieser Session ziemlich ungeschoren davon. Stattdessen geht es mehrfach um Thyssenkrupp-Krise, um Kiffer-Kontrollen und 50 Jahre Kommunalreform: Die Hohenlimburger wollen ihre Freiheit zurück und proben den Aufstand: „Hohenlimburg statt Hagen“.
Augenzwinkernd legt der Geierabend seinen Finger in die Wunden im Land. Der Kommissar kommt aus Kostengründen mit dem Linienbus zur Geiselnahme, die Bahn installiert ein neues Service-Center für innovative Verspätungs-Entschuldigungen. Und „Steiger“ Martin Kaysh, der wie eh und je in seiner Lore durchs Programm führt, bittet AfD-Wähler den Saal zu verlassen. Wer der Partei abschwört, bekommt hingegen lebenslänglich – eine Freikarte.
Viel Musik von Rap bis Schlager
Doch auch einfach Blödeln hat der Geierabend nicht verlernt. Und es gibt dabei viele willkommene Wiedersehen. Die Industriefacharbeiter lassen ihren Chef diesmal im Hochregallager hängen, Jessica Schmottke hilft Tochter Kimberley bei der Fahrradprüfung und die Zwei vonne Süd philosophieren diesmal über die Kontaktlinsen von Mats Hummels.
Musikalisch ist nicht nur der smarte neue Gitarrist Pele Götzer eine echte Bereicherung. Schauspieler-Neuzugang Patrick Dollas, der als schräger Polizist, als Bundesadler oder total abgedrehter Supermarktleiter für ordentlich Lacher sorgt, haut auch gesanglich richtig einen raus. Von seiner Elvis-Parodie hätte man gerne noch mehr gehört.
Überhaupt gibt‘s viel Musik in diesem Programm, kaum eine Szene endet ohne Song. Schlager, Pop und Rap: alles da. Von „Sweet Caroline“ als neue Ruhrgebietshymne über den „Time Warp“ bis zu „Bauch Beine Po“ wird alles verwurstet und umgedichtet. Aber nichts toppt natürlich die Zugabe: Bei „Dortmund“ hält es nach gut drei Stunden Kabarett auch in diesem Jahr keinen auf der Bank und es gibt stehenden Applaus. Zurecht.
Termine und Karten: www.geierabend.de
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