Dortmund. „Mein Name ist Pott, Ruhrpott“: Auf den Spuren von James Bond wandelt der Dortmunder Kult-Karneval Geierabend. Schließlich ist 007 ein Ruhri!
Dass James Bond ein Wattenscheider ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Nun aber weiß der gemeine Ruhri auch, warum 007 die Eingemeindung der alten Hellwegstadt nach Bochum nicht verhindert hat: Er war spitz auf das Autokennzeichen BO-ND. Diese und weitere Geheimnisse lüftet der Geierabend, der am Freitagabend Premiere auf Zeche Zollern feierte.
„Mein Name ist Pott, Ruhrpott“: James Bond liefert die Vorlage für das 28. Programm der Dortmunder Kult-Karnevalisten, die vor allem im östlichen Ruhrgebiet längst den Nimbus des Kölschen Stunksitzung-Originals erreicht haben. Diesmal vereinnahmt das Regie-Team um Heinz-Peter Lengkeit den berühmtesten Agenten der Welt; genauer: John Pearson. Der Brite verfasste 1973 eine – freilich komplett erfundene – Bond-Biografie. Darin lässt er den Meisterspion verkünden, dass er am 11. November 1920 in einer Stadt an der Ruhr namens Wattenscheid geboren wurde.
Wölfi Wendland gibt den Dr. Wattenscheid
Elfter im Elften. 100. Geburtstag. Passt! Die 450 Besucher geiern über Präsident Roman Henri Marczewski („Mein Name ist Dent. Präsi Dent“), der als scharfsinniger Bombenentschärfer mal wieder die Welt rettet und seinem Gegenspieler „Dr. Wattenscheid“ die Stirn bietet – per Videoeinspieler furchteinflößend verkörpert von Wolfgang „Wölfi“ Wendland, Sänger der WAT-Punkband „Die Kassierer“, der zugleich enthüllt, dass der Ur-Wattenscheider Klaus Steilmann seinerzeit ein Doppelagent war. Großes Kino!
Filmreif sind auch die meisten anderen der 20 närrischen Nummern in Bövinghausen. Da dokumentieren die zwei Fitness-Influencerinnen Edgy und Veggie nachhaltig, warum das Sportlichste an ihnen ihr Eisprung ist. Da proklamiert der zunehmend ratlose Berater von Annegret „Knarre“ Kramp-Karrenbauer: „Make Anne great again!“ Da gibt’s SUV-Bashing vom Feinsten samt Aufruf zu „Fahrzeuge for Future“. Einfach Gummi geben: Zehntausende Klimaanlage machen der Erderwärmung den Garaus.
Höcke als Geisel und „Top-Sigrid“-Deal mit Trump
Und da halst ein Wutbürger namens Hackenberg in Ekel-Alfred-Manier übelst über die AfD. Die Rechten hätten vor nicht langer Zeit einen Flüchtlingszustrom erster Güte versprochen. Hackenberg hat sich darauf verlassen und billige Lagerstätten angemietet. Und jetzt? Bleiben die Asylanten aus. Hackenberg fühlt sich verraten, kennt keine Gnade. Er hat Björn Höcke als Geisel genommen. Jetzt, bitteschön, sollen die AfDler seine Betten füllen.
Zur Höchstform läuft der Geierabend immer dann auf, wenn er Nabelschau betreibt, uns Eingeborenen den Spiegel vorhält. So wie bei Proll-Mama Janine Kowalski, die mit „ihre Blagen“ Kingston, Melody und Harmony vor Gericht steht. So wie bei den Herren Laumann und Kuballa, die mit Donald Trump einen Telefon-Deal einstielen. Nur soviel: Es geht um Hähnchen in Persebeck und „umme Wiese vonne Oma“. Alles „Top Sigrid“.
Dortkirchen oder Gelsenmund?
Sogar eine historisch anmutende Freundschaft wird angebahnt. Beim Städtequiz „Wer ist fast so scheiße wie Gladbeck?“ landen Dortmund und Gelsenkirchen punktgleich auf Platz 1, was Anlass zu kühnen Fusions-Therorien bietet: Dortkirchen oder Gelsenmund klingen doch eigentlich ganz hübsch. Der BVB-gefärbte Geierabend immerhin ist schon auf Kuschelkurs – und hat Gelsenkirchen zur Partnerstadt 2020 erkoren. Auch einer der beiden Anwärter auf den „Pannekopp-Orden“ kommt aus der verbotenen Stadt: der Ehrenrat des FC Schalke 04, der im Umgang mit den rassistischen Äußerungen von Clemens Tönnies ein ähnlich „eierloses“ Verhalten gezeigt habe wie der Mitbewerber um den Schrott-Preis, der Vorstand der Dortmunder Chorakademie. Der habe seinen Chorleiter im Zuge des jüngsten WDR-Hühnerstall-Skandals „zum medialen Abschuss freigegeben“.
Geierabend 2020 Mein Name ist Pott, Ruhrpott
Knapp drei Stunden 007-Geierabend: Das ist, von manchen Platzpatronen abgesehen, ein Feuerwerk der alternativ-kreativen Ruhrkultur mit sieben Top-Darstellern, bei denen Franziska Mense-Moritz in ihrer Abschiedsstaffel (was wird der Geierabend ohne Urgestein Fränzi?) herausragt. Zum Finale wird’s heimatselig. Das Ensemble samt Publikum singt: „Wir sind Ruhrgebiet für immer“. Wenne damit mal hinkomms...
37 Vorstellungen bis zum 25. Februar im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen, Eintritt 39 Euro (erm. 20,90 Euro), Karten in allen WAZ-Leserläden, www.geierabend.de.