Dortmund. Ingolf Winkler hat mit 39 einen Bypass bekommen. Doch das konnte den Läufer nicht stoppen. Mit diesem Fall will der Chef der Dortmunder Herzchirurgie Mut machen.

Zu dick, zu faul, zu unbeweglich: Mit dieser Lebensweise steigt das Risiko für eine Herzkrankheit. Für Ingolf Winkler trifft nichts davon zu. Er ist Sportler, durchtrainiert und fit. Trotzdem machte sein Herz schlapp. Mit nur 39 Jahren brauchte er eine Bypass-OP – und lief nur drei Monate später wieder einen Marathon.

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Der Schmerz kam aus dem Nichts. Gerade erst hatte Ingolf Winkler einen 63-Kilometer-Lauf hinter sich gebracht. „Einen halben und einen ganzen Marathon hintereinander“, erklärt der gebürtige Dortmunder. „Ich war sehr gut in der Zeit.“ Doch beim nächsten Training eine Woche später macht die Brust auf einmal dicht. „Es war nur eine kleine Feldrunde, plötzlich bekam ich ein Engegefühl und Atembeschwerden.“ Er legt eine Pause ein, es wird besser.

Gebürtiger Dortmunder dachte zuerst an eine Muskelverspannung

Winkler glaubt an eine muskuläre Verspannung, eine Folge des Anderthalb-Marathons. „An etwas Ernstes hab ich nicht gedacht“, sagt er. Erst als die Beschwerden beim nächsten Training wieder auftauchen, kommen ihm Zweifel. „Es fühlt sich an wie eine Angina Pectoris“, schießt ihm durch den Kopf. Als OP-Pfleger in der Herz-Thorax-Chirurgie kennt er sich mit den Symptomen aus.

Ingolf Winkler / Prof. Albert
Ingolf Winkler und der Direktor der Klinik für Herzchirurgie im Klinikum Dortmund Prof. Dr. Alexander Albert, stehen noch immer in Kontakt. © Funke Medien NRW | Britta Bingmann

Bei der ersten Untersuchung in der Klinik ist nichts zu sehen, Winkler besteht auf eine zweite. Und tatsächlich: Der große Katheter-Check durch die Leiste zeigt eine Stenose, eine Verengung in einer Herzarterie. Genetisch bedingt. „Das hätte sehr gefährlich werden können“, weiß der Leistungssportler. Rhythmusstörungen, Infarkt, Herzstillstand können die Folgen sein. Erst recht bei den hohen Belastungen, denen sein Herz im Training ausgesetzt ist. Sport ist Mord? „Nein“, widerspricht Winkler. „Im Gegenteil: Das Training war meine Lebensversicherung.“

Trainierte Arterie war perfekt als Bypass geeignet

Denn erstens ist die gefährliche Stenose so sehr früh entdeckt worden. Und zum anderen hat Ingolf Winkler dadurch eine mehr als gute Konstitution für die folgende OP. An der führt kein Weg vorbei. Ein Stent, ein Implantat, um die Gefäße zu weiten, ist nicht machbar, zwei Bypässe müssen her. „Aber die Brustwandarterie, die wir dafür nehmen, war bei ihm so dick wie ein kleiner Finger“, sagt Prof. Alexander Albert, der Winkler in Düsseldorf operiert hat. Die perfekte Umleitung. „So was hatte ich noch nicht gesehen.“

Ingolf Winkler wird 2011 am offenen Herzen operiert. Ein großer Eingriff. Drei Monate später geht er beim Marathon in Barcelona wieder an den Start. „Das war mein Ziel, daran hab ich mich festgehalten.“ Gut so, sagt Prof. Albert, der inzwischen Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Klinikum Dortmund ist. „Negative Gedanken behindern die Heilung.“

Winklers Sportlergeschichte hat Seltenheitswert

Er selbst habe kaum Zweifel gehabt, dass Winkler auch mit zwei Bypässen wieder Leistungssport machen kann. Aber dass er seitdem achtmal den Ironman geschafft hat – 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen – und Dutzende von Marathons, das habe absoluten Seltenheitswert. „Ich kenne keinen anderen Bypass-Patienten, der das geschafft hat.“

Ingolf Winkler / Prof. Albert
Am Herz-Modell zeigt Ingolf Winkler: Diese lebenswichtige Arterie war bei ihm verengt. © Funke Medien NRW | Britta Bingmann

Prof. Albert ist es wichtig, den Herz-Patienten Mut zu machen. „Ich will die Menschen unterstützen bei dem, was ihnen wichtig ist“, sagt der 57-jährige Herzchirurg. Deswegen hat er die „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ unterschrieben, als Ingolf Winkler kurz nach der OP wieder an den Start gehen will, deswegen bietet er aber auch regelmäßige Gespräche für die (Ex-)Patienten an. Viele seien nach einer Herz-Operation sehr verunsichert, weiß er. Aus der Bahn geworfen. „Manche trauen sich kaum noch, Tischtennis zu spielen.“

Heute operiert Prof. Albert meist minimalinvasiv

Ingolf Winkler zeigt: Es geht sogar noch mehr als Tischtennis. Und dabei ist das Verfahren, mit dem der Läufer operiert wurde, für Albert längst nicht mehr aktuell. „Heute würde ich das minimalinvasiv machen.“ Als einer von ganz wenigen Ärzten überhaupt bietet Albert Bypass-Operationen am schlagenden Herzen an, ohne dass der Brustkorb dazu geöffnet werden muss. „Um das zu lernen, kommen regelmäßig Kollegen aus der ganzen Welt zu uns.“

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Und künftig dürften es wohl noch mehr werden. Gerade erst hat der Dortmunder Klinikchef eine Methode vorgestellt, mit der er sogar an der Hinterwand und den Seitenwänden des Herzens minimalinvasiv vorgehen kann. „Wir haben dazu eine ganz neue Technik entwickelt.“

Ingolf Winkler gilt als positives Beispiel

Auch den Patienten, die damit künftig behandelt werden, will Prof. Albert Ingolf Winkler als positives Beispiel vor Augen halten. „Ironman laufen trotz Herz-OP? Das geht“, heißt es daher in der aktuellen Broschüre der Herzklinik. Er selbst hat sich von dem heute 52-Jährigen, zu dem er noch immer Kontakt hat, animieren lassen, mehr Sport zu machen. „Ich hab durch ihn sogar am Volkstriathlon in Willich teilgenommen“, sagt er stolz. Als Klinikdirektor fehle ihm aber inzwischen die Zeit fürs Training.

Das ist eine Ausrede, die Winkler nicht gelten lässt. „Sport kann jeder in seinen Alltag einbauen“, sagt der Läufer. Es müsse ja nicht gleich ein Ironman sein. Er betreibt inzwischen übrigens vier Sportarten. „Schwimmen, Radfahren, Laufen – und Regeneration.“ Zwei Tage in der Woche macht er nichts, seinem Herzen zuliebe. „Damit ich auch den nächsten Marathon lächelnd und nicht hechelnd beenden kann.“

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