Bottrop-Kirchhellen. Der Bevölkerungsanteil der Senioren ist seit 2018 deutlich gewachsen, sagen Sozialplaner. Ist nicht schlimm, sagt der Bezirksbürgermeister.

Die Analyse klingt dramatisch: „Im Vergleich zu anderen Bezirken im Stadtgebiet altert Kirchhellen-Mitte besonders schnell, das Verhältnis zwischen den Generationen verschiebt sich.“ Das sagt Bottrops Sozialplaner Moritz Brunecker über die Bevölkerungsentwicklung in Kirchhellen. Bezirksbürgermeister Hendrik Dierichs interpretiert die Daten anders: „Kirchhellen wird älter, aber es überaltert nicht.“

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Für die Pflege-Bedarfsplanung bis 2027 haben sich die Bottroper Sozialplaner über die Bevölkerungsentwicklung von 2018 bis 2023 gebeugt. Kirchhellen-Mitte haben sie wegen der „demografischen Auffälligkeiten“ besonders intensiv beobachtet.

Eine der guten Nachrichten, die in den Datenpaketen stecken: Kirchhellen wächst weiter. Aber eben nicht mehr so stark durch Geburten, sondern durch Zuzüge. Das belegen zwei Datenpaare: Auf 100 Fortzüge kommen 126 Zuzüge. Und: 100 Sterbefällen stehen lediglich 56,6 Geburten gegenüber. Die Quote liegt knapp zehn Punkte unter dem städtischen Durchschnitt“, berichtet Brunecker.

„Kirchhellen-Mitte ist der Bezirk, in dem die meisten Seniorinnen und Senioren wohnen.“

Moritz Brunecker, Sozialplaner der Stadt Bottrop

Neben dem natürlichen Alterungsprozess haben die Zuzüge dazu beigetragen, dass der Anteil der Senioren in Kirchhellen-Mitte gestiegen ist – von 24,8 auf 27,7 Prozent. Ergebnis: „Kirchhellen-Mitte ist der Bezirk, in dem die meisten Seniorinnen und Senioren wohnen. Dies drückt sich auch im Seniorenanteil aus, welcher den dritthöchsten Wert in Bottrop darstellt.“

Bezirksbürgermeister spricht vom „Zuzug nach der Rente“

Bedeutet: Nach Kirchhellen zogen in den letzten Jahren weniger Familien mit Kindern oder mit Kinderwunsch, die Oberbürgermeister Bernd Tischer bei jeder Gelegenheit so herzlich in den Neubaugebieten willkommen heißt. Statt der jungen Familien kommen die jungen Alten. Der Bezirksbürgermeister spricht vom „Zuzug nach der Rente“.

Wobei nicht zwingend der Eintritt ins Rentenalter der Anlass für den Umzug sein muss. Der Auszug der Kinder aus dem plötzlich zu großen Haus oder die Pflegebedürftigkeit eines Ehepartners können weitere Motive sein. Dierichs: „Aus Grafenwald und Feldhausen, aus Gladbeck und Gelsenkirchen kommen die Senioren nach Kirchhellen, weil das Dorf für sie funktioniert.“

Denn der Dorfkern bietet einen bestens funktionierenden Mix aus Einzelhandel, Dienstleistung und medizinischer Versorgung. Dafür haben die Verfasser des Einzelhandelskonzeptes dem Dorf 2019 Bestnoten gegeben. Alles fußläufig erreichbar. Und wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, sagt Dierichs immer gerne bei dieser Gelegenheit, „kann mit dem Auto bis zur Ladentür fahren“. An diesem Alleinstellungsmerkmal werde niemand rütteln, „solange ich im Dorf etwas zu sagen habe“.

In dem Zuzug vor allem der jungen Senioren (siehe Grafik) steckt „ein großes gesellschaftliches Potenzial“, da sind sich der Bezirksbürgermeister und die Sozialplaner einig. Brunecker formuliert es so: „Die meisten Seniorinnen und Senioren befinden sich noch in einem jungen Alter, sodass diese zu einem Großteil ein eigenständiges, aktives Leben führen. Aufgrund dessen bietet diese Personengruppe ein großes Potenzial, um das ehrenamtliche Engagement bedarfsgerecht und strategisch zu stärken.“

Meine Rede, sagt der Bezirksbürgermeister. Meine Rede, sagt auch Peter Pawliczek, der Vorsitzende des Heimatvereins: Zu jeder Veranstaltung seines Vereins lädt er ausdrücklich „unsere zugezogenen Neubürger“ besonders herzlich ein.

Diesen letzten Satz würde Hendrik Dierichs allerdings nicht unterschreiben: „Allerdings gilt es tragfähige Strukturen zu schaffen, um das ehrenamtliche Engagement passgenauer zu gestalten und zielgerichteter zu koordinieren.“ Oha. Will da einer den Kirchhellenern erklären, wie Ehrenamt geht? „Das kriegen wir schon sehr gut selbst organisiert“, sagt Dierichs. „Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Stadt die Fördermöglichkeiten für das Ehrenamt wie kostenlose Weiterbildungen aus den Bezirken Mitte und Süd nach Kirchhellen ausrollt.“