Bottrop. Eine Impro-Show auf einer Klassenfahrt ist der Startschuss: Seither macht der Bottroper Benjamin Eisenberg Comedy und politisches Kabarett.
Es waren genau 30 Minuten, die das Leben von Benjamin Eisenberg bis heute verändert haben. So lange hat nämlich der erste Auftritt gedauert, den er als Schüler während der Abschlussfahrt der Klasse 10 der Gustav-Heinemann-Realschule hinlegte. Das ist jetzt schon 26 Jahre her und Bottrops einziger Polit-Kabarettist hat seither nicht nur an seiner Bühnenkarriere gefeilt, sondern auch Abitur (am JAG) und Studium erfolgreich beendet und sogar über sein ureigenes Thema, nämlich Sprachkomik, promoviert.
Dr. Eisenberg: Da braucht man keinen Künstlernamen. Und natürlich weckt das nicht nur bei Bottroperinnen und Bottropern Assoziationen an den ersten Kabarett-Doktor der Stadt, den viel zu früh verstorbenen Doktor Stratmann. Der hatte allerdings lange als Arzt gearbeitet, bevor er sein zweites Standbein endgültig zum Allein-Beruf machte und stets aus dem menschlichen Erfahrungsreservoir schöpfen konnte, im wahrsten Sinne des Wortes praxisnah.
Erster Auftritt vor der Schulklasse in Belgien gilt als Startschuss der Kabarett-Karriere des Bottropers
Auf lange Praxisjahre kann Benjamin Eisenberg 1998 nicht zurückblicken, als er mit 16 während der Klassenfahrt in Belgien auftritt. „Eigentlich hatte unser Klassenlehrer damals einen Erdkundevortrag angekündigt und dann – kam ich.“ Es funktioniert. Die Mitschülerinnen und Mitschüler lachen sogar, zum Glück auch über das Programm. „Klar, es war nicht so wie heute, damals gab es noch Kohl-Witze, auch bei meinem ersten Auftritt waren welche dabei, aber nicht nur“, erinnert sich Eisenberg an das letzte Amtsjahr des CDU-Kanzlers.
An die CDU (in Hessen) hat er übrigens noch eine besondere Erinnerung. 2008, kurz vor der knappen Wiederwahl von Roland Koch zum hessischen Ministerpräsidenten, hatte er sich für einen Witz über Koch und Schwarze Kassen fast eine Ohrfeige eines erbosten CDU-Mitglieds eingefangen. „Der konnte mit Mühe noch davon abgehalten werden, aber ich habe damals den Melsunger Kabarett-Wettbewerb gewonnen und danach Auftritte im WDR bekommen.“ Es hat sich also gelohnt. Die Pointe hat er übrigens noch immer im Archiv, mit allen anderen Programmen.
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Satire liegt ihm, soll die Deutschlehrerin damals gesagt haben, bevor sie den Klassenlehrer überredet, „statt Erdkunde den Eisenberg mal machen zu lassen“. Auch wenn damals alles vielleicht holperig und laienhaft gewesen sei: „Die Ermutigung der Lehrerin und der erste Auftritt waren schon Wendepunkt und Initialzündung.“ Seine damalige Lehrerin käme übrigens heute noch regelmäßig in seine Shows von Comedy im Saal.
„Ich war nie der Klassenclown, eher sogar ein guter Schüler“
Trotz Comedy, Komik und auch Klamauk: Er sei nicht der Klassenclown gewesen, auch später nicht auf dem Josef-Albers-Gymnasium, als die Auftritte regelmäßiger werden. Also ein guter Schüler? „Eher doch, ja...“. Das kommt etwas zögerlich. Nicht, weil die Aussage des Dr. phil. nicht stimmt, ist doch gerade erst, wie zum Beweis, ein Extrakt seiner Promotion in Buchform veröffentlicht worden („Begriffe für die Komik-Analyse“).
Aber über sich selbst oder sein Privatleben spricht Benjamin Eisenberg einfach nicht gern. Auch das Alter, das wir ja nun kennen, ist höchstens auf der Bühne ein Thema. Wer die Shows kennt, weiß: Er ist ja jedes Mal 25. Zu erfahren, dass bei ihm zu Hause tägliche Zeitungslektüre (bis heute in Papierform) oder die Nachrichten- und Infosendungen in den Öffentlich-Rechtlichen und die Diskussion darüber zum Alltag gehören, bedeutet da schon fast einen Blick ins Persönliche. Kaum zu glauben, wer seine Auftritte als Polit-Kabarettist oder mit der Band „Masters and Commander“ erlebt.
Aber dieses Aufsaugen und Verarbeiten von Nachrichten, Tendenzen, Strömungen und das Aufspießen der dazugehörigen Protagonisten ist seit damals das tägliche Brot. Noch während der Schulzeit ist das „Spinnrad“ in Gelsenkirchen ein Ort, sich auszuprobieren. „Die hatten dort eine Art Talentshow für Theater, Musik, Zauberer oder eben auch Leute wie mich“, erinnert sich Eisenberg. Das Schöne: „Man konnte da einfach machen, ohne von einer Jury bewertetet oder aussortiert zu werden wie bei einer Bohlen-Show.“ Das Publikum entschied via Applausometer.
Die anfängliche Mischung von „Spökes“ und Politik wurde später immer politischer
Und er probiert sich aus. „Zuerst machte ich eine Mischung zwischen Spökes und Politik, dann wurde es immer politischer.“ Klar, damals lief ja noch der „Scheibenwischer“, gerade einmal zwei Jähre älter als Eisenberg und eingestellt im Jahr, als dessen CDU-Fast-Ohrfeige in Hessen den Auftritt des Bottropers adelt. Es sind Typen wie Dieter Hildebrandt oder der erst kürzlich verstorbene Richard Rogler, die Benjamin Eisenbergs kabarettistische Sozialisation begleiten. Und natürlich Harald Schmidt...
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Es folgen unzählige Wettbewerbe, zahlreiche Preise, Vizemeister bei der Kabarettbundesliga, zuletzt das „Magdeburger Vakuum“, Auftritte quer durch die Republik, vor allem aber in Bottrop und Umgebung: Die Live-Bühne ist für Benjamin Eisenberg immer wichtig.
Gibt es denn so etwas wie schlechte Tage? „Eigentlich nicht, ich will immer auftreten, vor allem, wenn die Leute freiwillig kommen, wie bei internen Feiern zum Beispiel.“ Unangenehm wird es einmal in Dortmund in der Fußgängerzone bei einem Open-Air. Da geht es gegen Rechts. „Auf einmal waren da Glatzen und pöbelten in den Auftritt, echt unangenehm.“ Aber so etwas sei auf jeden Fall die große Ausnahme.
Im geschlossenen Raum und ohne unfreiwillige Zuschauer ist Benjamin Eisenberg noch im August wieder präsent. Am 24. August, 19 Uhr, arbeitet er auf der „Comedybaustelle“ bei Baubedarf Seepe in der Boy. Dort tritt er auch am 30. August, 19 Uhr, mit Ludger K. und dem Programm „Halbe Schicht“ auf. Am 29. September beginnt um 18 Uhr im Kulturzentrum Staffel 24 von Eisenbergs Kultreihe „Comedy im Saal“, dieses Mal mit Dr. Pop und René Steinberg, sowie den legendären Bottroper „Pottboys“ als Late-Night-Band. Info: comedyimsaal.de.