Bottrop. 1922 hat der Großvater von Heike Ingendoh hat den Bottroper Friseursalon gegründet. Seine Enkelin führt den Betrieb auch durch schwere Zeiten.

Der neueste Zugang im Team von Friseurmeisterin Heike Ingendoh hat kurze, dunkle Haare – und vier Pfoten. „Das ist unser Salonlöwe Ulla“, stellt die Chefin die freundliche französische Bulldogge vor. Na, ob so ein Vierbeiner wohl bei Heinrich Ingendoh auch am Empfang hätte sitzen dürfen? Fest steht: Als der Großvater der heutigen Chefin den Friseurbetrieb gründete, waren die Zeiten ganz andere. Das war nämlich vor 100 Jahren, am 4. April 1922.

Drei Generationen, ein Familienbetrieb: Heinrich, Heinz und Heike Ingendoh
Drei Generationen, ein Familienbetrieb: Heinrich, Heinz und Heike Ingendoh © Unbekannt | Ingendoh

„Mein Opa hat den Salon damals auf der Gungstraße aufgemacht, die hieß da noch Holzstraße“, berichtet Heike Ingendoh aus der Familienchronik. „Schon vor dem Krieg hatte er das Grundstück an der Johannesstraße gekauft.“ Hier, im Herzen der Boy, ist bis heute der Sitz des Familienbetriebes, in einem mehrstöckigen Haus mit dem Salon im Erdgeschoss und Wohnungen für die Familie darüber. Doch vom Kauf des Grundstücks bis zum Bau des Hauses sollte es noch einige Zeit dauern.

100 Jahre Salon Ingendoh: Im Krieg zweimal ausgebombt

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb an der Holzstraße zunächst zweimal ausgebombt. „Als erstes wurde dann nach Kriegsende – heute kann man das ja erzählen – bei einer Nacht- und Nebelaktion eine alte Flakbude in Gladbeck geklaut“, so Heike Ingendoh. Der einfache Holzbau wurde im Garten der Johannesstraße 8 aufgebaut, dort zunächst unter einfachsten Bedingungen weitergearbeitet. Weil anderes Material fehlte, funktionierte man Ankleide- zu Frisierspiegeln um und zimmerte aus altem Holz Ablagen und Schränke. 1953 erst begann der Bau des neuen Geschäftshauses.

40 Jahre nach der Betriebsgründung übergab Heinrich Ingendoh den Salon an seinen Sohn Heinz. Dessen drei Kinder wollten die Familientradition eigentlich nicht fortsetzen, und auch Heike als jüngste Tochter hatte eigentlich etwas anderes geplant. „Aber mein Vater sagte: Mache erstmal die Ausbildung zur Friseurin und dann kannst du weiter sehen. Und da hat er mich gepackt, der Bazillus Friseur.“ Nach Wanderjahren, die sie nach Gladbeck, Gelsenkirchen oder Duisburg führten – „ich war auch eine ganze Zeit bei Wella in Darmstadt“ – übernahm sie als Meisterin 1995 den Salon von ihren Eltern.

Zum Jubiläum hat Heike Ingendoh die Gründungsurkunde und Fotos aus dem Familienarchiv zusammengestellt. In der Mitte links ist der Holzbau zu sehen, der nach dem Krieg genutzt wurde. Darunter der Neubau an der Johannesstraße.
Zum Jubiläum hat Heike Ingendoh die Gründungsurkunde und Fotos aus dem Familienarchiv zusammengestellt. In der Mitte links ist der Holzbau zu sehen, der nach dem Krieg genutzt wurde. Darunter der Neubau an der Johannesstraße. © Unbekannt | Ingendoh

Was die 54-Jährige bis heute nicht bereut hat, „es ist ein toller, wahnsinnig kreativer Beruf. Man kriegt in keinem anderen Beruf so viel Bestätigung sofort dann, wenn man die Arbeit erledigt hat“. Dazu kommen die Gespräche mit den Kunden, „ich lerne immer noch dazu, fachlich wie menschlich“. Gerade in der Corona-Pandemie spüre man den Redebedarf bei vielen Kunden, die übrigens zu 90 Prozent Stammgäste in dem Boyer Salon sind.

Bottroper Friseurmeisterin: „Der Friseur macht ein tolles Wohlgefühl“

„Manchmal wird unser Beruf klein gemacht“, bedauert Heike Ingendoh, „aber was macht der Friseur: ein tolles Wohlbefinden!“ Nicht nur, was die Haare angeht, sondern auch in Bezug aufs ganze Empfinden, wenn man sich bei dem Friseur oder der Friseurin seines Vertrauens etwas von der Seele reden kann. Und wenn sich dann noch Salonlöwe Ulla mit treuen Augen Streicheleinheiten abholt… „Das ist ein richtiger Therapiehund“, meint Frauchen mit einem Augenzwinkern.

Apropos Wohlgefühl: Dass Heike Ingendoh ihren Job (immer noch) so gerne macht, liege auch am guten Betriebsklima und ihren vier Mitarbeiterinnen, von denen sie zwei selbst ausgebildet habe. Der Corona-Pandemie mit ihren zwischenzeitlich massiven Einschränkungen gerade für Friseurbetriebe hat das Team getrotzt. Das ist nicht allen Berufskollegen so gut gelungen, weiß Heike Ingendoh als stellvertretende Obermeisterin der Friseurinnung Emscher-Lippe-West. Es gebe zum einen Insolvenzanmeldungen, aber zum anderen auch Friseure, die vielleicht in zwei, drei Jahren sowieso aus Altersgründen aufhören wollten und das wegen der Krise jetzt vorgezogen haben.

Friseurbetriebe spüren aktuell die Auswirkungen des Ukraine-Krieges

Aktuell sei bei den Dienstleistungsbetrieben durchaus auch der Ukraine-Krieg und insgesamt gestiegene Lebenshaltungskosten spürbar. „Die Leute sind alle ein bisschen vorsichtiger mit ihren Ausgaben“, beobachtet die Friseurmeisterin. Mancher zögere da seinen Friseurbesuch länger hinaus als üblich.

Das soll aber die Feier zum Hundertjährigen nicht bremsen: Am Dienstag, 5. April, plant Heike Ingendoh ein „open house“ an der Johannesstraße, um mit den Kunden aufs Jubiläum anzustoßen.

Aus der Chronik

4. April 1922: Heinrich Ingendoh eröffnet auf der damaligen Holzstraße 32 ein Gewerbe als Friseur.1928: Hochzeit mit Bernhardine Ahrmann, die nach ihrer Ausbildung im Betrieb mitwirkt. Sohn Heinz kommt zur Welt.1939-45: Im Zweiten Weltkrieg wird der Betrieb zweimal durch Bombenangriffe zerstört und wieder instand gesetzt. Nach Kriegsende Verlegung des Geschäfts zur Johannesstraße 8, zunächst in einen einfachen Holzbau.1953: Baubeginn des Hauses mit dem Salon im Erdgeschoss und den Wohnungen darüber, das heute noch steht.1960: Heinz Ingendoh, nach Friseurlehre in Gladbeck und Wanderjahren inzwischen Meister, heiratet Gerda Hotze. Das Paar bekommt drei Kinder; Heike Ingendoh ist das jüngste.1962: Mit Heinz und Gerda Ingendoh übernimmt die zweite Generation das Familienunternehmen.1984: Heike Ingendoh beginnt ihre Ausbildung als Friseurin; es folgen Wanderjahre und 1990 die Meisterprüfung.1995: Heike Ingendoh übernimmt in dritter Generation den Betrieb.