Bottrop. Der Bottroper Blindenverein bietet einen Kurs zum Erlernen der Braille-Schrift an – auch für nicht Sehbehinderte. Ein Besuch vor Ort.
Gesehen oder noch besser gefühlt hat schon ziemlich jeder die kleinen erhabenen Punkte an Hinweistafeln, aber wer kann die Blindenschrift schon lesen? Bei jungen Sehbehinderten gehört das zum Unterricht an den entsprechenden Schulen, aber später Erblindete müssen alles mühsam erarbeiten. Dazu bietet die Bezirksgruppe Bottrop des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen (BSVW) einen Kurs zum Erlernen der Blindenschrift Braille an.
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Die ehrenamtliche Lehrgangsleiterin Martina Hog hat für die wenigen Teilnehmer kleine Holzstücke mit sechs Löchern und Holzdübel mitgebracht, mit deren Hilfe die man die „Buchstaben“ stecken und „begreifen“ kann. Braille ist die internationale Blindenchrift, die der französische Blindenlehrer Louis Braille 1829 entwickelt hat. Sie basiert auf einen zwei mal drei Raster mit sechs erhabenen Punkten, die mit den Fingerspitzen abgetastet werden. Ein Punkt oben links bedeutet „A“, ein weiterer Punkt darunter „B“, zwei Punkte oben „C“.
Blindenschrift-Kurs in Bottrop: 64 verschiedene Zeichen
Es sind 64 verschiedene Zeichen möglich, deshalb können auch Zahlen, Umlaute oder Buchstabenkombinationen wie „sch“ oder „st“ abgebildet werden. Dieses System kann für fast alle Sprachen der Welt benutzt werden. Das Erlernen sei aber mühsam und zeitaufwendig, vergleichbar mit dem Erstleseunterricht bei Grundschülern bestätigt, sagt Martina Hog, die zur Anschauung eine alte „Schreibmaschine“ mitgebracht hat, bei der mit sechs Tasten Punkte ins Papier gestanzt werden.
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Der technische Fortschritt hat solche Geräte überflüssig gemacht. Texte werden in der Blindenschrift heute kaum noch verfasst, es geht vorwiegend ums Lesen an wichtigen Stellen, zum Beispiel an Hinweisschildern, Aufzügen oder Medikamenten. Für die sprachliche Verständigung gibt es inzwischen gute technische Möglichkeiten. Bücher müssen nicht mehr gelesen werden, es gibt Hörbücher, Lese- und Sichtgeräte, Computer mit Sprachsteuerung oder neue Fernsehgeräte mit Bilderklärungen.
Bottroper Verein für die Sehbehinderten sehr wichtig
Der Verein sei für die Behinderten sehr wichtig, erklärt die Vorsitzende Helga von Gradowski. Die Betroffenen wollen über den Alltag reden, sich austauschen und suchen das Gemeinschaftsgefühl. Vom Verein organisierte Ausflüge oder Urlaube in spezialisierten Hotels helfen ihnen dabei aus der Isolation zu kommen. Der Alltag sei nicht immer einfach, beispielsweise im öffentlichen Verkehr, „aber es ist auch immer jemand da, der hilft“, versichert die Vorsitzende. Allerdings müsse der Blinde auch bereit sein, Hilfe anzunehmen oder zu signalisieren, dass er Hilfe braucht, dabei könnten die Armbinde oder der weiße Stock Signalgeber sein.
Blindenschrift ist oft sehr hilfreich, zum Beispiel an Handläufen an Bahnhöfen oder zur Orientierung im Rathaus, an dessen behindertengerechten Umbau der Verein mit Vorschlägen beteiligt war. Bei anderen Problemen, etwas bei Anträgen und der Weitergabe an Behörden helfen Andreas Getzmann und Stephanie Vallen als Beraterinnen.
Technische Unterstützung: Alexa und I-Phone helfen Blinden im Alltag
Am Beispiel der kürzlich stattgefundenen Wahl erläuterten die Mitglieder das besondere Verfahren, um Sehbehinderten das Ausüben ihrer Grundrechte zu ermöglichen: Es gibt eine Schablone mit Blindenschrift, die auf den Wahlzettel gelegt wird, dabei wird das Kreuzfeld ausgespart. Es dürfe aber auch ein Wahlhelfer/Angehöriger assistieren.
Unterstützung für Blinde
Der Braille-Kurs umfasst sechs Doppelstunden jeweils dienstags von 10 bis 12 Uhr im Haus der Vielfalt an der Gerichtsstraße. Die Beratungsstelle im Haus der Beratung, Horster Straße 6-8 ist jeden ersten Dienstag im Monat von 14. 30 bis 16.30 Uhr besetzt. Telefonische Hilfe gibt es unter 0157/57328698 oder weitere Infos per Mail an bottrop@bsvw.de.
Bei einigen Mitgliedern helfe „Alexa“, den Alltag zu bewältigen berichtet die Vorsitzende, auch sei ein I-Phone nützlicher als andere Smartphones, deshalb bietet der Verein bald einen Kurs dazu an, ebenso wie eine Helferschulung und einen Workshop „rund um den Blindenstock“.