Bottrop. Bottroper Selbsthilfegruppe präsentiert sich zum Zehnjährigen am 12. Oktober in der City. Mitglieder raten Betroffenen, sich früh Hilfe zu suchen
Zehn Jahre ist es her, dass Heike Taut-Francis inzwischen verstorbener Ehemann Paolo eine Diagnose erhielt, die ihr weiteres Leben prägen sollte: Alzheimer-Demenz. Sofort begann die Bottroperin, sich Informationen rund um die Erkrankung zu suchen. Und sie erhielt den Rat, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. „Doch in Bottrop gab es keine“, erzählt Taut-Franci. Ermuntert vom Selbsthilfebüro entschloss sie sich, selbst eine SHG zu gründen.
Angehörige glauben lange: Wir kommen allein zurecht
Im Oktober 2009 war das, und los ging es mit fünf Leuten. Was sich in den vergangenen zehn Jahren daraus entwickelt hat, wollen die Mitglieder am kommenden Samstag, 12. Oktober, von 10 bis 13 Uhr an einem Stand in der Innenstadt zeigen.
Vor dem Kaufhaus Mensing in der Hansastraße möchten Heike Taut-Franci und ihre Mitstreiter dann mit Passanten ins Gespräch kommen, Informationen verteilen, die Angebote ihrer SHG „Angehörige Demenzerkrankter“ vorstellen. „Jeder, der erreicht werden kann, ist wertvoll“, sagt Taut-Franci. Denn viele Angehörige würden lange glauben, schon allein zurecht zu kommen. Doch weil häufig Überforderung droht, zählt zu den wichtigsten Botschaften der Gruppe: „Alleine geht es nicht, doch mit Hilfe ist die Pflege zu schaffen.“ Und zwar auch mit vielen glücklichen Momenten.
Verdrängung hilft nicht weiter
Zudem helfe Verdrängung nicht weiter: Sobald man ungewöhnliche Veränderungen beim Ehepartner, bei den Eltern bemerkt, sollte man sich um eine Diagnose bemühen. „Einen Demenztest machen auch die Hausärzte.“
Dank der Netzwerkarbeit von Taut-Franci und Co., die mit der ersten Bottroper Demenzwoche „Gedanken wie Seifenblasen“ 2012 begann, bietet die SHG den Angehörigen heute nicht nur den Rahmen, um eine Auszeit zu nehmen, sich Belastendes von der Seele zu reden und Tipps sowie Hilfe zur Selbsthilfe zu erhalten. „Wir können heute viele Kontakte bieten“, sagt die Gründerin. „Etwa zum Tagestreff Malta, zum Hospiz, zum Palliativnetz.“ Die drei Sprecherinnen Heike Taut-Franci, Gabi Bergmann und Inge Gierok stehen auch außerhalb der Gruppentreffen als Ansprechpartner bereit.
Alle drei engagieren sich auch nach dem Tod ihrer demenzerkrankten Angehörigen weiter in der SHG, weil sie die selbst erfahrene Unterstützung weitergeben möchten. „Ich konnte reden, brauchte nichts zu erklären. Ich fühlte mich aufgefangen“, erzählt zum Beispiel Inge Gierok.
Kommunikation über das Gefühl
Immer wieder ist zudem das Thema Kommunikation ein zentrales bei den Gruppentreffen. Logik helfe bei dementen Menschen nicht weiter. „Eigentlich ist es einfach, wenn man trainiert, ver-rückt zu denken“, meint Taut-Franci. „Kommunikation kann ganz viel über das Gefühl gehen.“
Aktuell wichtig ist es den SHG-Mitgliedern, ihre Erfahrungen in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern einzubringen. Eine Schulung haben sie zum Beispiel auch schon mit den Grünen Damen, dem ehrenamtlichen Besuchsdienst gemacht.
Über 2000 Demenzerkrankte gibt es in Bottrop, so Taut-Franci. Viele würden zu Hause gepflegt. „Angesichts dessen müssten wir eigentlich fünf Gruppen haben“, meint die Bottroperin. Einst gab es einen Ableger der SHG im Eigen, der aber 2014 in die Gruppe Stadtmitte integriert wurde. Im Schnitt kommen heute zwölf Leute zum Gruppentreffen. Vor zehn Jahren waren Taut-Franci und die anderen Gründungsmitglieder Pioniere in diesem Bereich in Bottrop. „Inzwischen wird in dem Bereich allerdings mehr angeboten“, freut sich Taut-Franci.