Die Bottroper Demenzwoche will Angst, Scham und Unsicherheit abbauen,wie sie mit der Krankheit verbunden sind. Die Aktion begann am Samstag auf dem Berliner Platz.

Sie legt ihr Portemonnaie wie selbstverständlich in den Kühlschrank und vergisst, wann sie sich das letzte Mal gewaschen hat. Sie hat Probleme, ihren Sohn zu erkennen. Es gibt Tage, da redet sie kein Wort. Seit Jahren braucht Annemarie (84 Jahre alt, Name geändert) die Hilfe anderer.

In der Welt der Demenzkranken steht alles Kopf. Ihre Welt ist „verrückt“. Aber nicht im Sinne von geistig verwirrt, wie Kerstin Schönlau vom Diakonischen Werk sagt, sondern im Sinne von „verschoben“ oder einfach „anders“. Kerstin Schönlau war eine der vielen Experten, die am Samstag auf dem Berliner Platz den Auftakt der Bottroper Demenzwoche „Gedanken wie Seifenblasen“ gestalteten.

Demenz kommt den Menschen wie ein schwarzer Fleck im Leben vor. Es herrscht Angst, Scham und Unsicherheit darüber, was passiert und wie damit umgegangen wird. Dabei mache Demenz nicht handlungsunfähig, wie auch Oberbürgermeister Bernd Tischler in seiner Eröffnungsrede sagte. „Es ist eher die Angst vor der Krankheit, die den Betroffenen handlungsunfähig macht und dazu führt, dass er sich aus der Gesellschaft zurück zieht.“

Annemaries Familie war geschockt, als sie von der Diagnose erfuhr. Plötzlich konnte Annemarie nicht mehr allein sein. Sie vergaß zu trinken und erkannte ihr eigenes Haus nicht. Und plötzlich war es Annemaries Sohn, der sich um die Mutter kümmern musste.

„Es ist ganz natürlich, dass sich viele Familien zu Beginn des Krankheitsausbruchs hilflos fühlen“, sagt Kerstin Schönlau, Prokuristin der Diakonie. „Plötzlich scheinen alltägliche Dinge zu großen Hürden zu werden. Menschen erkennen einander nicht wieder. Und das gilt nicht nur aus der Perspektive des Erkrankten, sondern auch die Angehörigen sehen plötzlich eine scheinbar ganz andere Person vor sich.“

Annemaries Familie hat sich inzwischen in ihrer neuen Situation zurechtgefunden. Annemaries Gedanken mögen sich zwar nach und nach verflüchtigen, „aber ihre Lebensqualität bleibt“, meint Pflegerin Silvia Gronkowski von der Diakonie. Sie bringt ab und zu einen Korb voller Spiele, ihr Akkordeon oder ihre Gitarre mit. „Es ist wichtig, sich tagtäglich neu auf die Emotionen der Patienten einzustellen“, sagt sie. Für sie ist die Arbeit mit Demenzkranken das beste, was sie sich vorstellen kann. Auch, weil man so viel zurück bekomme: „Annemarie mag Gedichte. Seit einiger Zeit kann sie sich immer mehr Zeilen merken, und sie lächelt, weil sie weiß, dass sie noch etwas kann.“

Familien mit an Demenz erkrankten Angehörigen sind nicht allein. Es gibt finanzielle Unterstützung vom Staat und zahlreiche Beratungs- und Pflegeangebote der einzelnen Initiativen, die sich und ihre Arbeit im Laufe der Woche vorstellen.

Die laufende Aktionswoche macht viele Angebote: Etwa Entspannungs-Yoga für Angehörige und Interessierte (Montag, 18. Juni, Insite Zentrum, Peterstraße 2), Gehirnjogging für Jung und Alt bei Mensing (Dienstag) oder Skulpturen-Arbeiten mit Künstler Guido Hofmann (Dienstag). Das Gesamtprogramm ist auch unter gedanken-wie-seifenblasen.de zu finden.