Bottrop. . Angehörige von Demenzkranken unterstützen sich gegenseitig – mit Verständnis und praktischen Tipps. Zwei Selbsthilfegruppen, die Erkrankte und deren Angehörige unterstützen, gibt es im Stadtgebiet.

Wenn Paolo strahlt und lacht, geht Heike das Herz auf. Doch solche Momente gibt es inzwischen leider nur noch selten, und mitunter erkennt er seine Ehefrau gar nicht mehr. Paolo leidet unter Alzheimer-Demenz. 2009 wurde die Diagnose gestellt, und die Krankheit schreitet voran. „Damals sagten alle zu mir: Das schaffst du nicht. Du brauchst eine Selbsthilfegruppe“, sagt Heike. Da es die in Bottrop aber nicht gab, gründete sie noch im gleichen Jahr selbst eine. Und kurz darauf noch eine zweite im Stadtteil Eigen.

Trotz des schwierigen Alltags mit Paolo geht es im Haus der Taut-Francis heute lustig und fröhlich zu, alle Besucher gehören zur Familie und sagen „Du“, während die Justizfachwirtin Heike Taut-Franci als Vorsitzende und Stellvertreterin Elke Becker ihre Selbsthilfegruppen (SHG) „Angehörige Demenzkranker“ vorstellen. „Viele der Angehörigen sind Einzelkämpfer und völlig überfordert, genießen bei den Treffen mal eine Auszeit“, so Elke. Angesichts von rund 2000 Demenzkranken im Stadtgebiet - und einer hohen Dunkelziffer - finden bislang jedoch nur wenige Angehörige den Weg in die Gruppen. „Aber die Erfahrung zeigt, dass die Angehörigen es schätzen, mal frei reden zu können und auf Menschen zu treffen, die sie nicht nur verstehen, sondern auch helfen können“, so Elke. In der SHG erhalten sie Tipps etwa zu bürokratischen Hürden und rechtlichen Fragen wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, Infos zu Krankheitsbildern und -verläufen, Behandlungsmöglichkeiten und Betreuungsangeboten.

Professionelle Hilfe zulassen

„Wichtig ist auch, mit Schuldgefühlen umzugehen“, sagt Heike und stellt provozierend fest: „Alzheimer ist auch eine Krankheit der Angehörigen. Sie müssen sich kümmern und mit der Krankheit umgehen lernen.“ Ein fataler Irrtum der meisten Angehörigen sei, dass sie meinen, nur sie selbst könnten und müssten alles für ihre Eltern oder Ehepartner tun. „Das geht aber nicht!“, stellt Heike fest. „Man muss lernen loszulassen und professionelle Hilfe zuzulassen.“ Denn sowohl Demenzkranke wie auch Angehörige brauchen Lebensqualität. „Angehörige müssen zudem lernen ,ver-rückt’ zu denken“, so Heike. Mit Logik komme man bei dementen Menschen nicht weiter. Man müsse lernen, Strategien zu entwickeln, sich nicht zu fetzen, sondern auf der Gefühlsebene zu treffen. „Wer diskutiert, hat verloren. Streicheln oder Lachen sagen oft mehr als tausend Worte. Das sind Möglichkeiten der Verständigung, die bis zuletzt bleiben.“

Demenz hat viele Gesichter, und die Krankheit ist für die meisten Menschen immer noch ein Tabu. Doch Heike und Elke raten Angehörigen, die Augen nicht zu verschließen und sich bei Anzeichen einer Demenz an das Gesundheitsamt zu wenden, Tests zu machen und bei entsprechender Diagnose Kontakt zur SHG aufzunehmen. Denn hier gibt es alle Infos. Heike: „Und ganz wichtig: Damit man nicht wahnsinnig wird, muss man dem Wahnsinn einen Sinn geben!“

Treffpunkte der Selbsthilfegruppen „Angehörige Demenzkranker)

Treffen der SHG Stadtmitte: jeden 1. Di. im Monat und jeden 4. Di. in ungeraden Monaten, 16-18 Uhr, Gerichtsstr. 3. Die Betreuung Demenzkranker ist im Demenz-Café im selben Haus möglich.

Treffen der SHG Eigen: jeden 2. Di. im Monat, 17.30-19.30 Uhr, im Awo-Seniorenheim, Rheinbaben­straße 38a. Die Betreuung Demenzkranker ist nach Absprache im selben Haus möglich.