Bottrop. Bottrop hat 5,5 Millionen Euro zu viel Abwassergebühr kassiert. So bekommen Hauseigentümer nun Geld zurück und das bedeutet das für die Zukunft.

Nach dem Musterurteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster zur Berechnung der Abwassergebühren muss die Stadt damit rechnen, nächstes Jahr 5,5 Millionen Euro weniger Gebühren erheben zu können. Das geht aus einer Berechnung des Fachbereichs Finanzen hervor, über die nächste Woche der Haupt- und Finanzausschuss beraten wird. Der Bottroper Eigentümerverband „Haus & Grund“ hat seine Mitglieder aufgefordert, schon gegen den Gebührenbescheid für 2022 Einspruch einzulegen – und das tun sie offenkundig massenhaft.

Lesen Sie weitere Berichte aus Bottrop:

Das Urteil vom 17. Mai hat eine Musterklage gegen den Abwassergebührenbescheid der Stadt Oer-Erkenschwick aus dem Jahr 2017 abgeschlossen. In Bottrop werden die Gebühren „sehr ähnlich berechnet“, deshalb würden die Grundaussagen der Richter auch für die Berechnung in Bottrop gelten. Auch wenn ein ganzes Heer von Verwaltungsrechtlern jetzt entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt: Im Kern geht es um die Frage, wie viel Zinsen die Stadt für das Kapital verlangen kann, das sie in die Abwasserbeseitigung investiert.

Oberverwaltungsgericht hat Rechtsprechung grundlegend geändert

Und hier hat das OVG seine Rechtsprechung von 1994 grundlegend geändert. Angesichts der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre dürfe die Stadt Oer-Erkenschwick nicht mehr 6,52 Prozent Nominalzins verlangen, sondern höchstens 2,42 Prozent.

Die Stadt Bottrop hat für die Gebühren 2017 mit 6,44 Prozent Zinsen kalkuliert, für die Gebühren 2022 mit 5,74 Prozent. Schlussfolgerung der städtischen Finanzexperten: „Unter Anwendung der neuen Rechtsprechung hätte in der Gebührenkalkulation 2022 ein kalkulatorischer Zinssatz von 0,73 Prozent verwendet werden müssen.“

Bottrop muss Gebührenzahler um 5,5 Millionen Euro entlasten

Was heißt das für die Gebührenbescheide der nächsten Jahre? Auch das hat der Fachbereich Finanzen durchgerechnet. Ergebnis: Hat das Urteil Bestand, „könnte sich rechnerisch ein Mindergebührenaufkommen für Entwässerungseinrichtungen von rund 5,5 Millionen Euro ergeben“. Um diese Summe müssten die Bottroper Abwassergebührenzahler entlastet werden.

„Haus & Grund“ will mehr. Geschäftsführer Markus Kruse hat die Stadt aufgefordert, „alle falschen Gebührenbescheide der Jahre 2018 bis 2022“ zu ändern und den Bürgern die zu viel gezählten Gebühren zurückzuerstatten – ohne dass vorher ein Antrag gestellt werden müsse. Zudem hat der Eigentümerverband einen Mustereinspruch gegen die Abwassergebührenbescheide entworfen, den die Eigentümer ihm aus den Händen reißen: „So viele Musteranträge habe ich noch nie verschickt.“

Auf die Stadt werde eine „Antragsflut“ zukommen. Allerdings zweifelt Kruse an einem Erfolg der Einsprüche. Mit Recht. Die Stadt betont vorsorglich in ihrem Bericht: „Die Gebührenerhebung des Veranlagungsjahres 2022 sowie die der Vorjahre ist rechtskräftig abgeschlossen.“

Das Urteil des OVG ist noch nicht rechtskräftig

Und: Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das OVG hat keine Revision gegen das Urteil zugelassen. Bis Ende Juni kann die Stadt Oer-Erkenschwick dagegen noch „Nichtzulassungsbeschwerde“ einlegen. Damit würde das Verfahren dann beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig landen.

+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier geht es zum Bottrop-Newsletter +++

Schon jetzt ist den Kommunen allerdings klar: Mit neuen Berechnungsgrundsätzen für die Abwassergebühren werden sie sich wohl abfinden müssen. Der Städtetag NRW will deshalb das Gespräch mit dem Land suchen und auf der Grundlage des Urteils „ein kommunal einheitliches Vorgehen“ abstimmen. Nach den Sommerferien wird die Verwaltung der Politik berichten, was dabei herausgekommen ist.