Bochum. Als erster Bochumer Amateurverein entwickelt die SG 09 ein Konzept zum Schutz vor sexuellen Übergriffen. Wie das klappt, was der Auslöser war.

Sexuelle Belästigung im Fußballstadion. „Es ist ein Tabu-Thema, über das wohl nur wenige Frauen sprechen möchten“, heißt es in einem Bericht dieser Redaktion über Erlebnisse zweier Frauen bei einem Bundesligaspiel des VfL Bochum. Es sind negative Erfahrungen, die Frauen längst nicht nur in großen Stadien machen. Auch im Amateurbereich gibt es diese dunkle Seite. Bei der SG Wattenscheid 09 wollen sie jetzt etwas dagegen tun.

Pilotprojekt gegen sexualisierte Gewalt: SG Wattenscheid als Vorreiter im Amateursport

Der Club hat ein Pilotprojekt gestartet. In Zusammenarbeit mit dem Referat für Gleichstellung, Familie und Inklusion der Stadt Bochum sowie der Opferschutzstelle der Polizei will er seine ehrenamtlichen Mitarbeiter und Trainer für das Thema sensibilisieren und ihnen vermitteln, wie sie auf Fehlverhalten reagieren und Betroffenen helfen können. Es ist der erste Amateurverein in der Stadt, der sich darum kümmert.

Die SG Wattenscheid 09 spielt aktuell in der Oberliga unter anderem gegen die zweite Mannschaft des VfL Bochum. Als erster Amateursportverein der Stadt entwickelt die SG ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt. (Archivbild)
Die SG Wattenscheid 09 spielt aktuell in der Oberliga unter anderem gegen die zweite Mannschaft des VfL Bochum. Als erster Amateursportverein der Stadt entwickelt die SG ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die zentrale Frage dabei: Was versteht man unter sexualisierter Gewalt? „Unter sexualisierter Gewalt wird die Form von Gewalt verstanden, die sich in sexuellen Übergriffen ausdrückt – von sexuellen Anspielungen, Berührungen, obszönen Worten oder Gesten bis zum Tatbestand der Vergewaltigung“, so die Erklärung. „Auch Nachrichten und Bilder fallen darunter, die über elektronische Dienste versendet werden, ebenso aufdringliche und unangenehme Blicke, die als Grenzüberschreitung empfunden werden können.“

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Die erste Schulung hat es bereits im Nachwuchszentrum des Vereins gegeben. Dabei waren Ehrenamtliche des Medienteams, vom Catering, der Geschäftsstelle und dem Vorstand. Ein nächster Termin für andere Ehrenamtliche soll Anfang 2025 angeboten werden, so Vorstandsmitglied Patrick Lofi. Weitere könnten folgen. Insgesamt würden 50 bis 60 Personen geschult.

„Großes Stadion, kleines Stadion, ist egal. Die Sicherheit muss gegeben sein.“

Patrick Lofi
Vorstandsmitglied der SG Wattenscheid 09

Ein Schutzkonzept „Sexualisierte Gewalt im Amateursport“ soll für den gesamten Verein entstehen, das bei sämtlichen Spielen, Trainingseinheiten und allen Vereinsaktivitäten gilt; auch auf den Zuschauerrängen. Es soll „vor sexualisierter Gewalt bewahren, aber auch im Fall der Fälle Handlungsempfehlungen und Hilfestellungen bieten“, sagt SG-Veranstaltungsleiter Oliver Kolenda. Geschrieben sei das Konzept noch nicht. Der Club wolle sich einiges bei den großen Vereinen abgucken, so Patrick Lofi. Dazu gehört etwa, dass Betroffene sich wie beim VfL Bochum mit der codierten Frage „Ist Luisa hier?“ an Ordner wenden können. Diese wissen dann Bescheid, dass die Person Hilfe benötigt und vermitteln sie an die zuständigen Freiwilligen. „Das wollen wir auch machen, natürlich auf Amateurbasis“, so Lofi. „Großes Stadion, kleines Stadion, ist egal. Die Sicherheit muss gegeben sein.“

Impuls kam wegen eines „grenzüberschreitenden Vorfalls“ auf der Tribüne

Ein „grenzüberschreitender Vorfall“ auf der Tribüne während eines Spiels der ersten Mannschaft – nähere Details möchte der Club nicht nennen – habe im Vorstand den Impuls ausgelöst, sich um das Thema sexualisierte Gewalt zu kümmern. „Wir haben uns gefragt, was man machen könnte und inwieweit wir Präventionsmaßnahmen treffen können.“ So sei es zum Kontakt zu Stadt und Polizei gekommen. „Allein dadurch, dass wir nun aktiv auf dieses Thema aufmerksam machen, und die ersten Vereinsmitarbeitenden geschult haben, ist der erste Schritt zur Prävention getätigt und signalisiert dem möglichen Personenkreis, dass eine Tat in unserem Umfeld nicht ohne Konsequenzen bleibt“, so Lofi.

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Tolerant, weltoffen, demokratisch, respektvoll im Umgang miteinander. So sieht sich die SG 09. Rund um den Club „sollen sich alle in einer sicheren Umgebung wohlfühlen – und das in jeglicher Hinsicht“, so der Verein in einer Mitteilung. Es sei egal, „ob man sich mit der weiblichen, männlichen oder einer anderen Geschlechtsidentität identifiziert. Es spielt auch keinerlei Rolle, ob und welcher Religion man angehört. Ebenso wenig ist die ethnische Herkunft relevant, Alter oder die körperliche Verfassung – bei der SG 09 Wattenscheid e.V. sind alle willkommen, die sich gegenseitig respektieren und akzeptieren.“

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Deshalb sei es Zeit zum Handeln. „Uns ist es wichtig, dass wir weitere Vereinsangehörige und Ehrenamtliche für dieses enorm wichtige Thema sensibilisieren“, so Oliver Kolenda. „Ein Verein mit knapp 1000 Mitgliedern ist auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.“

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