Bochum-Linden. 22 Jahre war Elke Sutter Pförtnerin in einer Bochumer Klinik. Dann wurde diese zum Flüchtlingsheim. Sutter blieb und erlebte „etwas ganz Neues“.
Diese Frau ist eine Frohnatur: Elke Sutter (65) hat stets ein Strahlen im Gesicht, wenn sie redet. Doch wenn es um die Kinder geht, quellen schon mal Tränen aus den Augen. Seit August leben 153 Flüchtlinge im ehemaligen Augusta-Krankenhaus in Bochum-Linden, davon 68 Kinder. Für die ist Elke Sutter längst die gute Seele in ihrer neuen Heimat auf Zeit.
Stadt Bochum pachtete ehemalige Geriatrie in Linden
22 Jahre saß die Bochumerin an der Pforte der Klinik - dort befand sich die Geriatrie - bis April dieses Jahres. Als diese ins Zentrum verlagert wurde, wo aktuell ein Neubau entsteht, bekam das Krankenhaus eine neue Funktion. Die Stadt Bochum pachtete es, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Zwischen Mai und Juli wurde das Haus dazu umgebaut.
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Vor die Wahl gestellt, in den Ruhestand zu gehen, winkte die rührige Frau ab: Kommt gar nicht infrage! Sie erledigt seither weiter ihre Verwaltungsaufgaben wie Post verteilen und Ortsfremde durchs Haus lotsen. In den ersten Wochen kam noch so mancher Krankentransport, ohne zu wissen, dass die Geriatrie in Linden längst geschlossen wurde. Auch der Sicherheitsdienst, der jetzt die Pforte besetzt, weiß ihre Kompetenz zu schätzen. Den meisten Spaß aber hat Elke Sutter im Umgang mit den Flüchtlingskindern. Da geht es immer sehr herzlich zu. Jetzt in der Vorweihnachtszeit backt sie mit ihnen Waffeln und hilft, die Geschenke zu verpacken.
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Zweimal pro Woche bietet der Sozialdienst im Heim eine Kita für die ganz Kleinen an. Dann macht sich Elke Sutter auf den Weg durchs Labyrinth des Hauses ins Untergeschoss und einige Flure entlang. Kommt sie durch die Tür, umklammern die Mädchen und Jungs ihre Beine. Da braucht es keine Worte - die meisten von ihnen können noch kein Deutsch. Und wieder ist die 65-Jährige äußerst gerührt und wischt sich verstohlen über die Augen. „Das ist für mich sehr emotional.“
Den Umgang mit Menschen schätzt Elke Sutter, gebürtige Wattenscheiderin, schon immer sehr. Zu Geriatriezeiten waren es die Kollegen und zumeist Patienten im Seniorenalter, mit denen sie Kontakte pflegte. „Mit Kindern - das war anfangs etwas ganz Neues für mich, eine Herausforderung, aber sehr bereichernd.“ Durch ihre offene Art fiel es ihr nicht schwer, mit bis dato völlig fremden Menschen warmzuwerden. Jeden hat sie ins Herz geschlossen, ob die Männer von der Security, die Kräfte vom Sozialdienst oder die Betreuerinnen vom Sozialdienst „Plan B“.
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Auch Ulf Stockhaus, Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation der Augusta-Kranken-Anstalt gGmbH, ist von ihr angetan: „Elke ist ein echtes Bochumer Original, eine Type, die intern schon mehrfach zur ‚ziemlich besten Kollegin‘ ausgezeichnet wurde.“
Kinder winken Elke Sutter zu, wenn sie zur Schule gehen
Auch, wenn sie morgens die Post am Empfang abholt, geht es schon fröhlich zu. Da machen sich die älteren Kinder auf den Weg zur Schule und winken ihr zu, rufen „Hallo“. Für Elke Sutter sehr erfrischend: „Endlich mal keine Kinder, die nur mit ihrem Handy durch die Gegend laufen.“
Es leben überwiegend syrische Familien an der Dr.-C.-Otto-Straße, und es gehe, so Elke Sutter, ganz friedlich und harmonisch zu. „Es gibt nie Ärger oder Streit, alle kommen gut miteinander aus. Ich bin positiv überrascht, wie gut hier alles läuft.“
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Durchs Post verteilen bleibt die Frau in Bewegung. Sie muss alle Augusta-Einrichtungen am Standort Linden beliefern, von der Akademie übers Seniorenheim und die Kurzzeitpflege bis hin zu den Abteilungen im Flüchtlingsheim. „Ich bin wohl der größte Sportmuffel, aber seit August mache ich täglich 14.700 Schritte“, wie sie am Handgelenk ablesen kann. Auch privat läuft sie viel, geht nach einem stressigen Tag durch den Südpark oder spaziert entlang der Ruhr. Zudem verreist sie gerne, vorzugsweise an Nord- und Ostsee und in die Türkei.
Im Ruhestand kommt das Ehrenamt
Und wenn in den nächsten Jahren doch der Ruhestand kommt? „Dann geh’ ich auf den Wochenmarkt, Kartoffeln verkaufen“, scherzt Elke Sutter. Stillsitzen liegt ihr nicht. Ernsthaft könnte sie sich aber vorstellen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Vielleicht bei der Wattenscheider Tafel, der sie eng verbunden ist, oder in der neuen Geriatrie, die 2026 bezugsfertig werden soll.