Bochum. Patienten sollen online das beste Krankenhaus finden. Doch das Portal habe erhebliche Mängel, heißt es in Bochum. Von Irreführung ist die Rede.

„Mehr Transparenz für alle“: So wirbt die Bundesregierung für den neuen Klinik-Atlas, der in diesen Tagen online gegangen ist. In Bochum wird scharfe Kritik laut. „Unvollständig und fehlerhaft“ seien die Daten für das Katholische Klinikum, bemängelt Geschäftsführer Prof. Christoph Hanefeld auf Anfrage der WAZ. Es bestehe „dringender Korrekturbedarf“.

Kritik am neuen Klinik-Atlas: „Fehlangaben beim ersten Abgleich“

Der Klinik-Atlas soll Patienten und Angehörige darüber informieren, in welchem Krankenhaus bestimmte Eingriffe wie häufig vorgenommen werden. Einen „Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochen. Die Reaktionen in den Bochumer Kliniken fallen zum Start mitunter verheerend aus.

+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bochum verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter! +++

„Bereits bei einem ersten Abgleich sind uns etliche Fehlangaben aufgefallen, die sowohl unser Leistungsspektrum als auch das Leistungsgeschehen unzureichend oder auch gar nicht abbilden“, erklärt Christoph Hanefeld für das Katholische Klinikum mit 5500 Mitarbeitern und jährlich 50.000 stationären Patienten.

+++ KRANKENHAUS-SUCHE PER KLICK: SO SOLL DER NEUE KLINIK-ATLAS FUNKTIONIEREN +++

Katholisches Klinikum vermisst Daten aus HNO und Geburtshilfe

Der Klinik-Chef nennt zwei Beispiele: „Es werden keinerlei Daten aus unserer HNO-Universitätsklinik und aus der Neonatologie und der Geburtshilfe als wichtiger Teil der Geburtsmedizin abgebildet. Das führt bei Patientinnen und Patienten zwangsläufig zu einer Verunsicherung.“

Die hätte vermieden werden können, wenn die Klinik vor der Aktivierung die Chance gehabt hätte, die Daten abschließend zu kontrollieren. „Leider hatten wir dazu keine Gelegenheit“, so Hanefeld. Er konstatiert: „In dieser Form sorgt der Klinik-Atlas eher für Irritationen als für Orientierung und auf einer ganzen Reihe von Fachgebieten sicher auch für Wettbewerbsverzerrungen.“

Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums, mahnt für sein Haus Korrekturen im jüngst veröffentlichten Bundes-Klinik-Atlas an.
Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums, mahnt für sein Haus Korrekturen im jüngst veröffentlichten Bundes-Klinik-Atlas an. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Auch Augusta und Knappschaftskrankenhaus weisen auf Mängel hin

Ulf Stockhaus, Sprecher des Augusta-Krankenhauses, erkennt gleichfalls „Ungereimtheiten, die die Darstellung teilweise verzerren“. Stockhaus: „Ein Manko ist die Aktualität. Da die zugrundeliegenden Daten im Wesentlichen auf dem Jahr 2022 basieren, wurde beispielsweise der Umzug unserer Geriatrie von Bochum-Linden ins Zentrum nicht berücksichtigt.“

Auch das Knappschaftskrankenhaus weist auf Mängel hin. „Wir haben festgestellt, dass unter ,ausgewählte Zertifikate‘ wichtige Zertifikate wie beispielsweise für das Alters-Trauma-Zentrum, das Wirbelsäulenzentrum und auch das überregionale Traumazentrum fehlen.“ Darüber hinaus entspreche die angegebene Anzahl an Pflegefachpersonal nicht dem aktuellen Stand.

Krankenhausgesellschaft will schnell reagieren

Das Katholische Klinikum ist bereits aktiv geworden und hat eine Korrektur der Daten gefordert. Damit ist der Klinik-Verbund nicht allein. Es gebe „eine große Zahl von Hinweisen auf konkrete Fehler und falsche Angaben (...) im Bundes-Klinik-Atlas“, heißt es bei der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen.

+++ Folgen Sie der WAZ Bochum auf Facebook! +++

In einem Schreiben des Geschäftsführers Matthias Blum an betroffene NRW-Kliniken, das der WAZ vorliegt, wird angekündigt, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) „am kommenden Montag auf die bundesweit eingehenden Fehlermeldungen mit einer Pressemitteilung reagieren“ werde. In einer Formulierungshilfe für Beschwerdebriefe an das Gesundheitsministerium wird angeprangert, dass „Patienten irregeführt“ und Kliniken in ihren „Rechten verletzt“ würden.

Im Herbst diskutierten Vertreter der Bochumer Kliniken in einer WAZ-Gesprächsrunde über die anstehende Krankenhausreform. Jetzt wird es ernst mit den Vorgaben in Land und Bund.
Im Herbst diskutierten Vertreter der Bochumer Kliniken in einer WAZ-Gesprächsrunde über die anstehende Krankenhausreform. Jetzt wird es ernst mit den Vorgaben in Land und Bund. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Vorgaben des NRW-Landesregierung bergen weiteren Zündstoff

Laut Gesundheitsminister Lauterbach soll der Klinik-Atlas „wichtige Vorarbeit für die anstehende Krankenhausreform“ leisten. Vorgabe: Die Kliniken sollen sich stärker spezialisieren – weg vom Prinzip, dass jeder alles macht. Die jetzt vom NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) veröffentlichten ersten Stellungnahmen zur Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen bergen weiteren Zündstoff.

+++ Folgen Sie der WAZ-Lokalredaktion Bochum auf Instagram! +++

In den Leistungsgruppen Innere Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin und Geriatrie sind für Bochum zwar keine Stationsschließungen zu befürchten. Doch Abspecken ist angesagt. Die von den Kliniken beantragten Fallzahlen weichen zum Teil erheblich von den MAGS-Zielvorstellungen ab. Die Bergmannsheil-Chirurgen sollen nur 5762 statt 6500 Eingriffe vornehmen; für die Augusta-Geriatrie sind 800 statt 895 Behandlungen vorgesehen.

Die Kliniken haben nun Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine endgültige Entscheidung soll bis Ende des Jahres erfolgen.