Bochum-Innenstadt. Ein offenbar falsch ausgestellter Steuerbescheid hätte das Rottstr.5-Theater in Bochum fast zur Schließung gezwungen. „Doch wir haben überlebt.“
Ein knappes Jahr ist es her, da wäre am Rottstr.5-Theater beinahe der letzte Vorhang gefallen. Bochums freie Bühne, die schon lange zu den bedeutendsten Off-Theatern im Revier zählt, war plötzlich verschuldet bis zur Halskrause. Als Grund gilt ein anscheinend falsch ausgestellter Steuerbescheid in Höhe von 35.000 Euro, der das kleine Theater fast zur Aufgabe gezwungen hätte. „Unser Steuerberater hatte versäumt, gegen den Steuerbescheid rechtzeitig Einspruch einzulegen“, erzählt Theaterleiter Oliver Paolo Thomas. „Für uns war diese Situation absolut existenzbedrohend.“
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Mittlerweile habe sich die Situation wieder halbwegs entspannt. „Es ist noch nicht ganz ausgestanden, doch wir haben es überlebt“, sagt Thomas, ohne näher ins Detail gehen zu wollen. Vor allem eine kurzfristig gewährte Überbrückungshilfe der Stadt habe dem Theater wieder entscheidend auf die Beine geholfen.
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Stadt Bochum gewährte in Notlage eine Sonderzahlung
Mit einer unbürokratisch gewährten Sonderzahlung in Höhe von 20.000 Euro unterstützte die Stadt die Arbeit an der Rottstraße: „Dafür sind wir dem Kulturbüro und dem Kulturdezernenten Dietmar Dieckmann unendlich dankbar, sonst hätten wir letztes Jahr schließen müssen“, sagt Alexander Ritter, der das Theater gemeinsam mit Oliver Paolo Thomas leitet. Das zinslose Darlehen solle im nächsten Jahr zurückgezahlt werden.
Trotzdem sind die Nachwehen der Beinahe-Pleite weiterhin spürbar. Während das Theater normalerweise sechs bis acht Premieren pro Jahr an den Start bringt, konnte im Jahr 2023 keine einzige neue Aufführung gezeigt werden. Auch 2024 gab es bislang nur eine: „Außer Atem“ nach dem Film mit Jean-Paul Belmondo. Der Titel war durchaus wörtlich zu verstehen: „Für weitere Inszenierungen fehlte uns einfach die finanzielle Sicherheit“, sagt Ritter.
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Theatermacher spüren neuen Aufwind
Doch mit Beginn des Herbstes scheinen die Theatermacher an der Rottstraße neuen Aufwind zu spüren. Anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka widmet die kleine Bühne unter den Bahngleisen dem großen Dichter gleich zwei neue Inszenierungen. Die Premiere von „About Kafka“ wurde Anfang Oktober vor ausverkauftem Haus begeistert gefeiert. Aus den Tagebüchern und Briefen, die Kafka hinterließ, entwickelte Alexander Ritter einen großen Monolog, den der Schauspieler Henry Morales auf die gewohnt dunkle Bühne bringt. „Wir merken, dass Kafkas Leben und Werk die Menschen gerade sehr interessiert“, stellt Ritter fest. „Und die düstere Atmosphäre seiner Bücher passt perfekt zu unserem Theater.“ Nächster Spieltermin: 1. November.
Eine Adaption von „Die Verwandlung“ folgt am 25. Oktober. Die Premiere ist bereits ausverkauft (wieder 3. November und 1. Dezember). Wie an der Rottstraße häufiger zu erleben, wird erneut ein Schauspieler (diesmal Alexander Gier) den Abend um den Handelsvertreter Gregor Samsa als Solo tragen. „Samsa ist dem Wahn verfallen, in seinem Job unbedingt funktionieren zu müssen und immer alles zu geben“, sagt Oliver Paolo Thomas. „Das macht diesen Stoff verdammt heutig.“
Lesung aus dem Drehbuch von „Stirb langsam“
Während sich Thomas in seiner Inszenierung naturgemäß auf die Hauptfigur konzentrieren möchte, werden die vielen übrigen Rollen von Schauspielern eingesprochen, die dem Theater schon lange treu verbunden sind: darunter Lea Kallmeier, Benjamin Werner, Hella Mascus und Matthias Hecht. „Das ist ein richtiges All-Star-Ensemble, das dort zu hören ist“, freut sich der Regisseur.
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Filmfans erwartet voraussichtlich am 29. November eine spezielle Lesung zur nahenden Adventszeit: Auf der Bühne vorgetragen wird das Drehbuch des Weihnachtsfilm-Klassikers „Stirb langsam“. Nicht schwer zu merken: Das Theater an der Rottstraße 5 steckt voller Tatendrang. „Nächstes Jahr wollen wir wieder mehr produzieren.“
Die nächsten Vorstellungen an der Rottstraße
Die Aufführung von „Die fetten Jahre sind vorbei“ mit dem Jugendensemble Young‘N‘Rotten wird schon länger erfolgreich gespielt. Nach dem gleichnamigen Film geht es darin um eine Gruppe Jugendlicher, die regelmäßig in Luxusvillen einbrechen. Doch statt etwas zu stehlen, hinterlassen sie nur eine Botschaft: „Die fetten Jahre sind vorbei“. Wieder am 27. Oktober und 17. November, jeweils um 19.30 Uhr.
Der legendäre Stummfilm „Nosferatu“ (1922) ist mit Live-Musik von Interzone Perceptible wieder am Donnerstag, 31. Oktober, um 19.30 Uhr zu sehen. „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley folgt in einer Fassung von Maria Trautmann am 2. November. Karten und Infos: rottstr5-theater.de