Bochum. Zwei Stunden hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Bochum mit Mittelständlern diskutiert. Ein Thema sorgt für eine kontroverse Debatte.
Große schwarze Limousinen mit Blaulicht auf dem Dach, verschärfte Sicherheitsbedingungen im ganzen Haus: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) zu Gast bei der IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum. Zum Mittelstandsdialog mit 50 Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Region ist er gekommen.
Habeck in Bochum: Am Tempo der Transformation scheiden sich die Geister
Energie, Infrastruktur und die Transformation der Wirtschaft, vor allem darum ging es in dem zweistündigen Dialog, der an einer Stelle die unterschiedliche Sichtweise von Unternehmen und Politik zu Tage brachte. „Schalten Sie zwei Gänge zurück. Wir schaffen dieses Tempo der Transformation nicht. Kommen Sie von der ideologischen Politik zurück auf den pragmatischen Pfad“, forderte ein Unternehmer aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis und bekam dafür viel Applaus.
Langsamer werden und sich zurücknehmen sei aber genau „die falsche Antwort“, so der Minister. Im Gegenteil. Deutschland müsse „schneller, entschiedener, entbürokratischer“ werden. Denn: „Deutschland befindet sich in einem harten Wettbewerb. Wir sind nicht allein auf der Welt. Die Dynamik der Weltmärkte nimmt keine Rücksicht auf uns.“ So versuche China momentan, über den Export etwa von E-Autos seine Schwierigkeiten auf dem Binnenmarkt zu lösen.
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Wie prekär dort gerade die Lage ist, weiß Friedrich Appelberg. Der Wattenscheider, Inhaber des Maschinenbauunternehmens Bomafa, ist am Tag des Habeck-Besuchs in Bochum von einer Reise aus China zurückgekommen. „Die Krise, in der China im Moment ist, wird von hier gar nicht so wahrgenommen und von der Parteiführung auch gar nicht ehrlich kommuniziert. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent, Restaurants und Geschäfte sind leer. Die Leute haben kein Geld“, sagt er. Für China, das habe der Wirtschaftsminister sehr gut dargestellt, sei der Export die einzige Lösung für die prekäre Lage. Gleichwohl befürchtet der Bochumer Unternehmer, dass eher die Politik das Tempo nicht so schnell umsetzen kann. „Unternehmen sind oft viel schneller.“ Unterm Strich habe ihn der Auftritt von Habeck überzeugt. „Er kam viel besser rüber als in den Talkshows.“
Zugeständnisse macht der prominente Besucher eher in Nebensatz. „Bei der Bürokratie haben wir uns verheddert“, räumt er ein. Das betreffe zum Beispiel das Berichtswesen. Insgesamt wurde „in der Summe für die Unternehmen ein Berg an Verfahren aufgedrückt, der so nicht richtig ist“.
Das könnte Christian Zenger, Geschäftsführer der IT-Sicherheitsfirma Physec und Juniorprofessor an der Ruhr-Uni, unterschreiben. Sein Unternehmen beschäftigt sich vor allem mit Sicherheitslösungen kritischer Infrastruktur wie etwa der Energie- und Wasserwirtschaft. Aufgehorcht hat er bei der Debatte, als der Minister zum Thema E-Mobilität und der Frage, in welche Technologie Unternehmen investieren sollten, sagte: „Wir geben keine Technologie vor.“
In der Energiewirtschaft allerdings schon, wie Zenger weiß. Er würde sich wünschen, „dass es in Gesetzen keine technischen Vorgaben gibt. Wir hängen in Deutschland ja gerade, was den Messstellenbetrieb in der Energiewirtschaft angeht, deswegen so stark hinterher, weil wir Gesetze haben, die für viele nicht klar sind, und das, was da drin steht, Dinge vorschreibt, die dem Stand vor 15 Jahren entsprechen wie etwa Smart Meter Gateway. Technologie, die heute möglich ist und in anderen Ländern eingesetzt wird, wird kategorisch ausgeschlossen“.
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Zur Sprache ist das bei dem Besuch nicht gekommen. Aber in einem kurzen Austausch hat Zenger das Thema beim Minister platziert und ebenso wie einige andere Unternehmer die Chance bekommen, sich direkt an ihn zu wenden. „Ich schreibe eine Mail mit den Punkten, die ich ansprechen möchte. Und dann gehe ich davon aus, dass auch noch mal ein Gespräch stattfinden wird“, so der Bochumer. In der Tempo-Debatte hat der IT-Ingenieur eine klare Haltung: „Ich bin auch der Meinung, dass wir zu langsam sind und dass wir Stärken und Chancen, die wir durch Technologie haben, nicht ausreichend nutzen.“
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Aus Sicht von IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bergmann ist wichtig, dass der Wirtschaftsminister die Botschaft mitnimmt, „dass die Unternehmen seinen Weg mitgehen, aber die Sorge haben, dass sie das Tempo nicht mitgehen können. Nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nicht bewältigen können“.
Genau das richtige Tempo zu finden, ist, so IHK-Präsident Philipp Böhme, die große Herausforderung. Er zieht nach dem Habeck-Besuch eine positive Bilanz, auch wenn nicht alle Themen besprochen wurden, die den Mittelständlern unter den Nägeln brennen. Dazu gehört etwa der Fachkräftemangel. „Ich finde es gut, dass der Wirtschaftsminister die Themen für so wichtig empfindet, dass er sich zwei Stunden Zeit nimmt, um mit mittelständischen Unternehmen zu reden.“