Bochum. Welch ein Auftakt: Das Konzert von Herbert Grönemeyer in Bochum hat viele Fans tief berührt. Zwei Schwestern gedachten ihres verstorbenen Vaters.
Annika Symkowiak (44) und Stephanie Schreiner (50) sind sicher: Papa hat oben mit zugehört, mit gefeiert, mit gesungen. Die Schwestern aus Sprockhövel zählten am Mittwochabend zu den 25.000 Besuchern, die zum Auftakt der Herbert-Grönemeyer-Festspiele ins Bochumer Ruhrstadion pilgerten. „Im Herzen dabei“: ihr verstorbener Vater.
Mit ihm waren sie früher mehrfach bei Konzerten des Musikers. „Die Liebe zu Herbert und seiner Musik haben wir von Papa geerbt“, sagen die Schwestern, die zuvor bereits beim Grönemeyer-Auftritt in Berlin waren. „Tolle Show, tolle Bühne. Aber nichts geht über Bochum!“
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Grönemeyer in Bochum: „Ich bin mit Herbert aufgewachsen“
Finden auch Ralf und Silke Barthen. Seit Jahrzehnten ist das Ehepaar bei Grönemeyers Konzerten in Bochum dabei. „Ich bin mit Herbert aufgewachsen“, sagt Ralf Barthen. Als 1984 das Album „4630 Bochum“ erschien, habe er die Songs in seinem Opel Kadett hoch und runter gehört. „Da ging das Leben los!°“, erinnert sich der 60-Jährige.
Grönemeyer in Bochum: „Das ist für uns ein Muss“, bekräftigt Silke Barthen (54). Das gemeinsame Lieblingslied der Eheleute ist „Bochum“. Denn „das hat was mit Heimat zu tun“.
Die ersten Fans postierten sich um 8 Uhr am Stadiontor
Stimmt, meinen Moritz, Joris und Linus. Die 16-Jährigen sind das erste Mal bei einem Konzert von Herbert Grönemeyer. Die drei Freunde aus Hattingen kennen den Musiker nur von der Bochum-Hymne, die sie bei VfL-Heimspielen immer lauthals mitsingen. Andere Lieder kennen sie kaum. „Wir sind gespannt“, sagt das junge Trio. Ach ja: „Unsere Eltern sind auch hier, irgendwo.“
Rund 50 Hardcore-Fans haben sich schon am Mittag an der Castroper Straße postiert. Ihr Ziel: Beim Einlass um 17 Uhr einen Platz ganz vorn an der Bühne zu ergattern. Dorit Arlt war am Morgen die Erste. Schon am Dienstag hat sie sich daheim in Gaggenau in Baden-Württemberg in Richtung Ruhrgebiet aufgemacht. Hat in einem Bochumer Hotel übernachtet. Hat sich früh um 8 Uhr ihren Quadratmeter direkt vor dem Stadion gesichert.
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Mehr als 400 Kilometer Anreise für ein Konzert: für die 58-Jährige kein Ding. Seit dem 1986 erschienenen Album „Sprünge“ sei sie ein „Mega-Fan“ von Grönemeyer, erzählt Dorit Arlt. Wie oft sie ihn schon live gesehen hat? Sie habe nicht mitgezählt. Gewiss ist: „Zum Meer“ ist ihr Lieblingssong, ein Lied übers Fallen und wieder Aufstehen. Leider steht es nicht auf der aktuellen Setlist.
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Weitgereiste Anhänger haben Tickets für zwei Konzerte
Simone Lengfeld hält gleich nebenan vor dem Zaun an der Ostkurve (zentraler Einlass für den Innenraum) die Stellung. Aus Mainz ist die 65-Jährige nach Bochum gekommen. Wie Doris Arlt hat auch sie Karten sowohl für den Mittwoch als auch den Donnerstag gekauft. Das sei schwer und teuer genug gewesen. Aber: Das sei es wert. „Herberts Konzerte im Ruhrgebiet sind immer etwas ganz Besonderes.“ So wie zuletzt 2015 mit einem Bergmannschor. Besonders freue sie sich auf ihren Favoriten „Jetzt oder nie“. Der habe sie begleitet, als sie damals mit ihrem Mann über eine Ausreise aus der DDR nachdachte.
Zwickau, Hannover, Stuttgart, Leipzig: Die Heimatorte der Zuerstkommer sind breit gestreut. Auf Decken, Schlafsäcken und Alu-Folien haben sie es sich vor den noch verschlossenen Pforten bequem gemacht. Im nahen „Stadion-Grill“ lassen sich einige die erste Currywurst schmecken. „Muss sein in Bochum, oder?“, grinst Lars (45) aus Thüringen. Mitgebrachter Kaffee, Tee und das ein oder andere Schnäpschen gehören ebenso dazu. Alte Bekannte sehen sich wieder. „Die Verrückten kennen sich“, sagt Dorit Arlt und lacht.
Auftakt der Bochum-Konzerte gerät zur Huldigung an großen Künstler
Ab 17 Uhr strömen Tausende Menschen zum Stadion. Viele mit VfL-Schal und im VfL-Trikot. Alle voller Vorfreude und Hoffnung auf einen unvergesslichen Abend.
Sechs Stunden später. Die Erwartungen der Fans wurden übertroffen. Der Auftakt der vier Jubiläumskonzerte „40 Jahre 4630 Bochum“ gerät zur Huldigung an einen Künstler, der die Herzen und Seelen der Menschen erreicht, die Tränen der Freude („Mambo“) und des Mitgefühls („Der Weg“) vergießen. Häufig sind es Stationen des eigenen Lebenslabyrinths.
„Bochum“-Hymne wird gleich zweimal angestimmt
Das Heimspiel lässt auch den Maestro spürbar nicht kalt. Er schwärmt beinahe euphorisch von der Stadt, die ihn Loyalität, Zuverlässigkeit, Albernheit, vor allem aber Respekt vor anderen Menschen gelehrt habe. Er zeigt sich stolz, „im Wohnzimmer der Unabsteigbaren“ zu spielen. Nur die Bochumer dürfen „Hebbert“ zu ihm sagen. Grönemeyer erwähnt den jüngsten WAZ-Bericht mit Erinnerungen seiner Schulfreunde: „Er konnte kaum Englisch.“ Die inoffizielle Stadthymne „Bochum“ erklingt gleich zweimal. Das Steiger- und Bochumer-Jungen-Lied lässt nicht nur die Lokalpatrioten jubeln. Große Emotionen auf und vor der großen Bühne. 37 Songs binnen drei Stunden. Alle Hits. Das 4630-Album komplett. Und das Wetter hält.
Annika Symkowiak und Stephanie Schreiner sind in Reihe 1 ganz dicht dabei. Als eine von mehr als zehn Zugaben intoniert Grönemeyer sein Meisterwerk „Der Weg“. Eine Textzeile hat sich Annika auf den linken Unterarm tätowieren lassen. Eine ewige Liebeserklärung an Papa: „Habe dich sicher in meiner Seele. Ich trag dich bei mir, bis der Vorhang fällt.“