Bochum. Vor 160 Jahren baute Philipp Reis das erste brauchbare Telefon. Ein Förderverein von Tüftlern hält die Erinnerung mit 1000 Exponaten lebendig.
Eine Kupferdrahtspule auf einer Stricknadel und ein Stück Haut aus einer Schweinsblase, als Resonanzkörper ein Geigenkasten – mit diesen Gegenständen wollte ein Physiklehrer seinen Schülern die Funktion des menschlichen Ohres näherbringen. Der eifrige Philipp Reis wird wohl vor 160 Jahren kaum geglaubt haben, was er damit anstieß. Er baute immerhin das erste brauchbare Telefon.
Ein Förderverein aus eifrigen Tüftlern und vor allem ehemaligen Telekom-Mitarbeitern hält die Technik und vor allem die Entwicklung über diese lange Zeit wach. Gut 1000 Exponate umfasst die Sammlung im Telefonmuseum auf dem Telekom-Areal an der Karl-Lange-Straße. Besucher können sicher sein: Da gibt es was fürs Auge und vor allem auf die Ohren, denn die vielen Stücke sind funktionsfähig, original oder mindestens originalgetreu restauriert.
Im Bochumer Museum klingelt, schnarrt und klackt es
Am 26. Oktober 1861 präsentierte Philipp Reis dann dem Physikalischen Verein in Frankfurt am Main seine Erfindung in einem öffentlichen Vortrag. Dieser Tag gilt als Geburtsstunde des Telefons. Der von Reis erhoffte wirtschaftliche Erfolg seiner Erfindung gelang allerdings nicht. Den erreichte ein anderer: Alexander Graham Bell erhielt 15 Jahre später, am 14. Februar 1876, ein Patent auf seine Konstruktion.
Gerhard Strelow (67), Vorsitzender des Historik-Vereins, schickt zur Ehrenrettung gleich vorweg: „Das hat man ihm aber aberkannt, er hatte gekupfert. Er kannte die Arbeiten von Reis und gab zu, sie verbessert zu haben.“ So hängt denn auch der erste Satz, der per „Telephon“ übermittelt wurde, in deutscher Sprache über dem Eingangsbereich des Museums: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“.
Technik bis unters Dach, gedacht für den Schrott
Hans Dahr (79) ist einer der ursprünglich sechs Mitarbeiter der Telekom-Niederlassung Bochum, die das Museum gründeten und aus historischer Fernmeldetechnik, die verschrottet werden sollte, aufbauten. Sie katalogisierten, restaurierten, löteten und schraubten das wieder in Form und alten Glanz, was heute auf mehr als 300 Quadratmetern zu sehen, zu hören und (teils) auch anzufassen ist.
Meist sind die „Endgeräte“ Geschenke oder Stiftungen aus Nachlässen oder Haushaltsauflösungen, teils Funde auf E-Bay, aber auch echte Raritäten, wie die „Siemens-Hantel“, ein Hörer, der in der Vitrine eingeschlossen ist.
„Es gibt eine große Sammlerszene“, verraten Strelow und Dahr, „und entsprechende Preise für Original-Geräte. Manche kommen her und fragen, ob sie die wenigstens mal in die Hand nehmen dürfen.“
Die Kontakte der Telekom-Historiker reichen nebenbei ohne Weiteres inzwischen bis Singapur. Dort suchte ein Tüftler Relais per E-Mail, die Bochumer konnten helfen und gewannen ein neues Mitglied.
Fräulein vom Amt
Über 160 Jahre und die Verbreitung und Entwicklung des Telefons sammeln sich auch die Anekdoten und Histörchen. Willi Bornemann, mit 88 das älteste Mitglied bei den Historikern, konnte noch berichten, dass er täglich noch zwei Schnüre ersetzen musste, als die Gespräche per Handvermittlung über „das Fräulein vom Amt“ gesteckt wurden.
Kontakt und Info
Das Telefonmuseum des Fördervereins Telekom-Historik Bochum ist im Gebäude an der Karl-Lange-Straße 23 (nähe Stadion) eingerichtet. Interessierte Besucher sollten zunächst Kontakt aufnehmen: 0234 51660 1970, www.telekom-historik.de, post@telekom-historik.deDas „Akustische Museum“ ist erreichbar unter 0234 338 818 38, direkt zur deutschen Zeitansage von 1958: 0234 338 818 39, über das Auswahlmenü zu diversen Ansagen. Weitere Informationen und Erläuterungen unter „Akustik-Museum”. Mehr auch auf dem YouTube-Kanal www.youtube.com/c/GeStTelekomHistorikBochum.
Und, dass es wohl ein Bestatter war, der dieser Form ein Ende machen wollte und so den Wählmodellen 1888 Vorschub leistete. Denn er wunderte sich, dass ein Konkurrent in seinem Ort mehr Aufträge erhielt. Kein Wunder, denn dessen Verlobte knüpfte in der Schaltstelle die Kontakte.
Von gediegenem Holz über Blech und Bakelit, den ersten vollsynthetischen, industriell produzierten Kunststoff ab 1907, und ab 1919 dann ohne „Kaiseradler“, die Apparate zeigen eine enorme Vielfalt. Der Geschichte folgend präsentiert das Museum auch einen eigenen Teil mit der Telefongeschichte der DDR oder, unvermeidlich auch aus dem Bergbau. Immerhin steht der Gebäudekomplex auf dem Areal, das ursprünglich zur Großzeche Constantin gehörte.
Goldenes Nokia D-Netz
Dass die Apparate („schlagwetter- und explosionsgeschützt“) unter Tage allerdings „Wauwau“ genannt wurden, weil sie bald wie ein Hundepfiff klingen, wenn man sie betätigt, ist wieder eine der Schnurren am Rande. „Jedes Mal, wenn der Steiger kam“, erklärt Strelow schmunzelnd.
Noch eine Bochumer Rarität können sie bieten. Ein goldfarbenes Handy aus Bochumer Produktion, das erste GSM-Modell von Nokia aus dem Bochumer Werk mit der Fabrikationsnummer 1. Es blieb im Werk und kam nach der Schließung 2008 hierher ins Museum. Geschichte bis ins kleinste Detail.